20 Jahre Bärenwald Arbesbach: Gründer Heli Dungler im Interview
ARBESBACH. Im März 1988 gründete der Waldviertler Heli Dungler mit einigen Freunden „Vier Pfoten“ in Wien. Zehn Jahre später wagte sich die Organisation an ein Pionierprojekt: im Mai 1998 erfolgte der Spatenstich zum Bärenwald Arbesbach. Dieser bietet seit 20 Jahren Braunbären aus schlechter Haltung ein tiergerechtes Zuhause. Tips hat Gründer Heli Dungler zum Interview gebeten.
Tips: Warum wurde damals Arbesbach als Standort für den Bärenwald ausgewählt?
Heli Dungler: Schon vor vielen Jahren war VIER PFOTEN immer wieder mit Schicksalen einzelner Bären konfrontiert worden: Tiere, die unter furchtbaren Bedingungen gehalten wurden und für die dringend ein neues Zuhause gesucht wurde. Die Herausforderung war es, ein großes Gehege mit einer wildtiersicheren Umzäunung in naturnaher Umgebung in einem winterschlaftauglichen Klima zu errichten. Das Waldviertel war dafür natürlich perfekt. Und persönlich war es als Waldviertler natürlich für mich eine große Freude, mit so einem schönen Projekt zu meinen Wurzeln zurückzukehren.
Tips: Wie gestaltete sich die Umsetzung, wie fielen die Reaktionen aus?
Dungler: Am Anfang gab es schon viel Skepsis – von mehreren Seiten. Auch weil es ja kein Musterprojekt gab, an dem man sich in Sachen Bewilligungen, Sicherheitsauflagen etwas hätte abschauen können. Es war alles Pionierarbeit. Daher waren mit den Behörden sehr viele Besprechungen, Vor-Ort-Treffen, Lokalaugenscheine usw. nötig. Die Bevölkerung war am Anfang auch nicht wirklich überzeugt – wahrscheinlich, weil zunächst für sie kein persönlicher Nutzen erkennbar war, eher sogar noch eine potenzielle Gefahrenquelle. Wir haben aber dann auch einiges an Überzeugungsarbeit geleistet, um die Bevölkerung mit ins Boot zu holen, das war uns schon sehr wichtig. Zum Beispiel haben wir einen Infoabend veranstaltet, waren immer Ansprechpartner, wenn Fragen aufgekommen sind etc. Nach 20 Jahren hat der Bärenwald Arbesbach in der Region natürlich ein viel besseres Standing. Die Behörden sehen, dass wir professionell arbeiten und auch bemüht sind, immer ein Best Practice Beispiel zu sein, dass wir die Auflagen ernst nehmen usw. Und die Einheimischen haben erkannt, dass der Bärenwald einerseits Arbeitsplätze bietet, andererseits ein touristischer Magnet geworden und dadurch auch ein verlässlicher Arbeitgeber ist.
Tips: Welches Bärenschicksal ist besonders in Erinnerung geblieben?
Dungler: Alle Bären sind natürlich besonders liebenswert und vor allem einzigartig, aber wenn ich mir ein Schicksal herausgreifen müsste, das mir ganz besonders nahe gegangen ist, dann war es wohl das von Brumca. Brumca wurde 1992 in einem slowakischen Tierpark geboren. Im Alter von nur wenigen Wochen wurde sie von ihrer Mutter getrennt und an Geschäftsleute verkauft, die sie wiederum einem österreichischen Geschäftsmann zum Geschenk machten. Als sie dann größer wurde, wurde sie ihrem Besitzer bald zu einer unbequemen Last. Er sperrte Brumca in einen 35 Quadratmeter großen Verschlag, in dem sie einsam und beschäftigungslos dahinvegetierte. Schließlich verschwand der Besitzer endgültig und ließ sie allein im Käfig zurück – und so lebte sie fünf Jahre lang! Nach einem Konkursverfahren wurde Brumca schließlich Gott sei Dank VIER PFOTEN zugesprochen und bis zur Übersiedlung in den Bärenwald Arbesbach von VIER PFOTEN Mitarbeitern gefüttert und betreut. Heute ist sie nach wie vor eine eher scheue und auch einzelgängerische, aber glückliche Bärin, die uns immer wieder mit ihren lustigen Einlagen zum Lachen bringt.
Tips: Der Bärenschutz ist im heurigen Jubiläumsjahr ein ganz besonderes Thema, warum?
Dungler: Der Bärenwald Arbesbach war unser erstes Bärenprojekt und ist daher für VIER PFOTEN natürlich etwas ganz Besonderes. Hier konnten wir bislang elf notleidenden Bären ein neues, tiergerechtes Zuhause auf Lebenszeit bieten. Heute leben hier die vier, mittlerweile schon betagten Bären Vinzenz, Brumca, Tom und Jerry, sowie eine jüngere Bärenfamilie, bestehend aus Erich, Emma und Miri. Von Österreich ausgehend hat VIER PFOTEN mittlerweile mehr als 100 geschundenen Bären verschiedenen Projekten weltweit ein besseres Leben ermöglicht. Bären aus (meist illegaler) Privathaltung, aus Zirkussen und Zoos werden von den VIER PFOTEN Bärenexperten gerettet, medizinisch versorgt und finden anschließend in einem der eigenen Bärenschutzzentren ein würdiges Dasein in naturnaher und tiergerechter Umgebung.Das Jahr 2018 ist nicht nur als Jubiläumsjahr für uns bedeutsam. Abgesehen davon, dass wir 30 Jahre VIER PFOTEN und 20 Jahre Bärenwald Arbesbach feiern, stehen einige Ereignisse an, die für unsere Arbeit im Bärenschutz sehr wichtig sind. Da ist zum einen die Eröffnung des Bear Sanctuary in Ninh Binh (Vietnam), wo wir ehemaligen Gallebären ein Zuhause bieten (also jene Bären, die unter schrecklichen Bedingungen gehalten wurden und denen regelmäßig Galle abgezapft wurde, weil Bärengalle vor allem in der Traditionellen Chinesischen Medizin eine heilende Wirkung nachgesagt wird. Dann planen wir die offizielle Eröffnung eines Bärenwaldes in der Ukraine und, ganz nahe an Österreich, in Arosa in der Schweiz. Es tut sich also einiges für Bären. Darüber hinaus haben wir schon weitere Rettungen von schlecht gehaltenen Bären eingeplant für dieses Jahr, einige auch aus westeuropäischen Ländern.
Tips: Ihre große Vision in Sachen Tierschutz?
Dungler: Meine große Vision ist es, dass VIER PFOTEN überflüssig wird. Dass die Gesellschaft erkennt, welche Bedürfnisse Tiere haben und unser gesamtes System diesen Bedürfnissen auch angepasst wird. Das würde bedeuten, dass die Art, wie Nutztiere gehalten werden, an die Bedürfnisse der Tiere angepasst werden – und nicht umgekehrt. Es würde auch bedeuten, dass Menschen erkennen, was ihre Haustiere eigentlich wirklich brauchen – und sich nicht mehr Haustiere nehmen, um ihr eigenes Ego zu befriedigen oder ihre eigenen Wünsche in das Tier hineinzuprojizieren. Die Vision von VIER PFOTEN ist eine Welt, in der Menschen den Tieren mit Respekt, Mitgefühl und Verständnis begegnen – und wir somit nicht mehr benötigt werden.
Tips: Danke für das Interview!
Besuchertag im Bärenwald
Am Samstag, 26. Mai, wird der 20. Geburtstag mit einem großen Besuchertag für Familien und Bärenfans kräftig gefeiert.
- Wann: Samstag, 26. Mai 2018, 11 - 17 Uhr
- Wo: Bärenwald Arbesbach (Schönfeld 18, 3925 Arbesbach)
Programm:
- freier Eintritt für alle Kinder (bis 14 Jahre)
- gratis Führungen im Halbstundentakt
- verschiedene Stationen: Tierstimmen erkennen, Tiere zeichnen, Kinderschminken, Infostand von VIER PFOTEN oder Natur im Garten
- Zaubershow und tierisches Kindertheater (15 Uhr)
- köstliche Schmankerl vom Bärenhof Kolm
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