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Kleine Höfe, große Vielfalt: Das Bauernsterben muss ein Ende haben

Martina Gahleitner, 21.04.2020 05:10

BEZIRK ROHRBACH. Steckt die heimische Landwirtschaft in der Krise? Schaut man sich die nackten Zahlen an, dann Ja: In den vergangenen 20 Jahren haben in Österreich 120.000 landwirtschaftliche Familienbetriebe aufhören müssen, allein im Bezirk Rohrbach ging die Hälfte der Milchbetriebe verloren. Deshalb findet auch jedes Jahr am 17. April der Tag des kleinbäuerlichen Widerstandes statt.

Nicht nur für Hilde Müllner, Maria Grünbacher und Hannes und Lisa Hofer (v.l.) ist die kleinbäuerliche Landwirtschaft „mit Abstand“ am fairsten und nachhaltigsten. Foto: Gahleitner

1970 gab es in Österreich 366.000 land- und forstwirtschaftliche Betriebe; 20 Jahre später waren es noch 282.000; und wiederum fast 20 Jahre später (2017) gab es nur mehr 162.000 Betriebe. Allein im Bezirk Rohrbach blieben von fast 2.000 Milchbetrieben zur Jahrtausend-Wende nur mehr 900 übrig.

Gegen Höfesterben und Klimakrise

Dass gerade kleine Höfe mit ihrer vielfältigen Kreislaufwirtschaft mit Abstand am fairsten, verlässlichsten, am nachhaltigsten produzieren und auch in Krisenzeiten die regionale Versorgung sichern, zeigten Lisa Hofer aus Arnreit und ihre Mitstreiter vergangenen Freitag, dem internationalen Tag des kleinbäuerlichen Widerstandes, auf. Für die langjährige regionale Ansprechpartnerin der weltweiten Bewegung von Kleinbauern „La Via Campesina“ ist die aktuelle Situation eine „Bestätigung, dass unsere Richtung stimmt.“ Die Corona-Pandemie offenbare die Verwundbarkeit des derzeitigen globalen Ernährungssystems, das von der industriellen Landwirtschaft dominiert wird. Umso wichtiger sind faire Rahmenbedingungen und rasche Maßnahmen gegen das Höfesterben und auch gegen die Klimakrise. „Wir hoffen, dass jetzt bei den neuen GAP-Verhandlungen die Weichen in eine ökologische, nachhaltige Richtung und damit für eine gerechte und klimapositive Agrarpolitik gestellt werden“, sagt die Biobäuerin. Ihre Nachbarin vom Ebnerhof und dem Kräuterfrauen-Netzwerk, Maria Grünbacher ergänzt: „Uns Direktvermarktern werden sonst eher Prügel in den Weg geworfen. Es gibt kaum Unterstützung, dafür viele Vorschriften. Jetzt aber kommt man drauf, wie wichtig die regionale Versorgung ist.“ Die Corona-Krise zeigt auch, wie rasch Veränderungen möglich sind, wenn Politik und Gesellschaft es für wirklich wichtig erachten. „Wir brauchen Anreize durch die Politik, damit sich die landwirtschaftliche Arbeit für alle, auch auf kleinen Höfen wieder lohnt. Fördergelder richtig zu verteilen macht viel aus“, betont Grünbacher. Statt Weltmarktorientierung braucht es lebendige ländliche Räume und regionale Kreisläufe, sind die ÖBV Via Campesina Austria-Mitglieder überzeugt.

Selbstheilungskraft durch Bildung stärken

Größer, schneller, mehr? Fakt ist, dass die Anzahl der Milchkühe pro Betrieb im Bezirk weiter steigt, die Flächen pro Betrieb größer werden, die Milchviehhalter insgesamt aber weniger. Es wird kräftig in Stallungen und Technik investiert. Gleichzeitig ist im Bezirk aber auch die Anzahl der Biobetriebe von 2003 bis 2018 von 416 auf 616 gestiegen; die Biofläche nahm von 19 Prozent auf 32 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche zu, informiert Johann Gaisberger, Direktor der Bioschule Schlägl. In deren Leitbild ist verankert, dass man beitragen will, viele bäuerliche Betriebe zu erhalten. „Mit dem Biokompetenzzentrum, in dem wir Versuchstätigkeit, Praxis und Lehrtätigkeit vernetzen, stärken wir durch Bildung die Selbstheilungskraft unserer Region“, erklärt Gaisberger. Bildung ist für ihn die beste Möglichkeit, resiliente Betriebe und Menschen zu entwickeln. „Jeder Landwirt weiß, dass er auf die Natur und vor allem auf sich selbst als Mensch und andere Menschen Rücksicht nehmen muss, um langfristig und nachhaltig erfolgreich Wertschöpfung zu erzielen.“

Seinen Schülern sollen deshalb nicht nur fachliche Fähigkeiten und Kompetenzen mitgegeben werden. „Viel wichtiger erscheint mir, dass junge Menschen vieles ausprobieren, Neues kennenlernen können, Fehler machen und suchen dürfen nach dem, womit sie Freude haben. Schüler sollen ihre Talente, Begabungen und „Diamanten“ bei uns in der Schule entdecken und entwickeln.“ Lebendige Entwicklung statt bloßes, reines Größenwachstum – das versteht man an der Bioschule Schlägl unter Wachstum.

Neue Wege in der Agrarpolitik

Für den UBV (Unabhängiger Bauernverband) macht die aktuelle Krise noch deutlicher, dass es neue Wege in der Agrarpolitik braucht. „Die Forderung der Übernahme der Beiträge für die Sozialversicherung 2020 ist die Chance, unkompliziert und zielgerichtet für alle Betriebe in der Land- und Forstwirtschaft klare Zeichen zu setzen“, sagt Landesobmann Karl Keplinger, und „dies wäre auch gleich ein Beispiel für einen ersten neuen Denkansatz.“ Vor allem fordert der UBV den Stopp des freien, unkontrollierten Warenverkehrs bei Lebensmitteln, Futtermitteln und Holz sowie konkrete Spielregeln für die Märkte.


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