Haustier-Boom, aber zu wenig Hunde-Ausbildung durch Pandemie
BEZIRK BRAUNAU. Die soziale Isolation während des Corona-Lockdowns führte bei vielen Menschen zu einem verstärkten Wunsch nach tierischer Gesellschaft, wodurch es in manchen Gegenden regelrecht zu einem „Haustier-Boom“ kam. Zugleich konnten aber viele der neuen Haustiere aufgrund des fehlenden Kursangebotes an den Hundeschulen, die coronabedingt geschlossen waren, nicht richtig sozialisiert werden.
Beim Tierschutzhof Pfotenhilfe in Lochen stiegen die Adoptionsanfragen für Hunde und Katzen seit dem ersten Lockdown um etwa 20 Prozent, wie Jürgen Stadler von der Tierschutzorganisation erzählt. „In gewissem Sinne ist das verstärkte Bedürfnis nach einem Tier nachvollziehbar, weil die Leute seit über einem Jahr oft viel mehr Zeit und kaum persönliche, soziale Kontakte haben und der Wunsch nach Nähe natürlich trotzdem weiter besteht“, erklärt Stadler.
Unüberlegte Käufe
Sich unüberlegt Tiere zuzulegen und beispielsweise aus dem Internet liefern zu lassen, bietet allerdings einige Gefahren. So gibt es nicht nur viel zu viele unseriöse Anbieter, die Pfotenhilfe befürchtet auch, dass viele der Tiere nach dem Ende der Beschränkungen wieder in Tierheimen oder gar auf der Straße landen.
Um das zu verhindern, wird beim Tierschutzhof bei Adoptionen ganz genau darauf geachtet, dass es die künftigen Tierbesitzer mit ihrem Wunsch nach einem Haustier auch ernst meinen. „Da wir schon am Telefon genau nachfragen, was die Beweggründe sind und wie das Leben für das neue Tier aussehen wird, trennt sich schnell die ‚Spreu vom Weizen‘. Menschen, die während Home Office und Ausgangsbeschränkungen aus Langeweile eine Beschäftigung gesucht haben, erhielten keine Termine“, berichtet Stadler.
Sich vorab informieren
„Spätestens vor Ort stellt sich dann im Gespräch heraus, ob es jemand ernst meint und wirklich für ein zusätzliches Familienmitglied volle Verantwortung übernehmen will und kann – geistig, körperlich, zeitlich und finanziell.“ Da in der Pfotenhilfe oft Tiere aus schlechter Haltung aufgenommen werden, ist es der Tierschutzorganisation besonders wichtig, dass diese nicht „vom Regen in die Traufe“ kommen. „Für die Pfotenhilfe steht eine lebenslange und für beide Seiten glückliche Vermittlung im Zentrum. Das zeigt sich auch daran, dass so gut wie nie ein Tier zurückkommt“, so Stadler.
Er rät, sich schon vor der Entscheidung für ein Heimtier gut darüber zu informieren und genau durchzudenken, ob auch genug Zeit, Nerven und Geld vorhanden ist, um für die nächsten zehn bis 20 Jahre für den Familienzuwachs zu sorgen. Auch sollte bedacht werden, was mit dem Tier passiert, wenn einem etwas Unvorhergesehenes zustößt oder sich die Lebensumstände ändern.
„Dass das viel zu wenige Menschen machen, zeigt sich daran, dass Tierschutzeinrichtungen wie die Pfotenhilfe mit ausgesetzten und abgegebenen Tieren regelrecht überhäuft werden.“ Dazu kommen entlaufene Tiere oder behördliche Tierabnahmen. „Da wir ein Vielfaches unserer Kapazitäten an Anfragen bekommen, versuchen wir vielen Menschen über soziale Medien bei der direkten Weitervermittlung zu helfen. Auf facebook.com/Pfotenhilfe.Lochen stehen die Chancen dafür bei über 18.600 Abonnenten gar nicht so schlecht.“
Hunden fehlt Ausbildung
Während die Haustiere in der Region steigen, konnten in der Hundeschule durch den Lockdown lange Zeit keine Kurse angeboten werden. Welpen hatten somit keine Gelegenheit, erste entscheidende Lektionen zu lernen. „Einer ganzen Generation von Welpen fehlen wichtige Lernerfahrungen im Umgang mit Artgenossen und die Bindungsarbeit mit ihrem Besitzer. Dabei wäre das Lernen in der Prägungsphase besonders wichtig“, erklärt Franz Dutzler, der Obmann der Hundeschule SVÖ Braunau.
„In der Welpenschule lernen die Hunde als wichtigste Lektion die Sozialisation. Damit sich der Hund im Erwachsenenalter im Alltag zurechtfinden kann und sozialverträglich im Umgang mit Artgenossen ist, sollte die Ausbildung im Welpenalter starten. Wird das verabsäumt, bedeutet das meist Stress für Hund, Hundebesitzer und oftmals auch für das Umfeld.“
Die Junghunde müssen das Verabsäumte jetzt nachholen, weswegen der Junghundekurs bereits an die neuen Erfordernisse angepasst wurde. „Wir nehmen im Jungehundekurs jetzt auch Elemente aus dem Welpenkurs durch. Ansonsten wäre es so, als müssten die Lernenden ohne Volksschule ins Gymnasium gehen.“
Damit ein neuer Hund in die Familie kann, ist ein Sachkundenachweis, der aus drei Einheiten besteht, erforderlich. Während des Lockdowns wurde diese Prüfung teilweise online gemacht, was Dutzler allerdings als wenig sinnvoll ansieht. Ab September wird dieser Nachweis verschärft, da das neue Hundehaltergesetzt in Kraft tritt.
Kurse sind wieder möglich
Inzwischen dürfen wieder Kurse unter Einhaltung bestimmter Auflagen angeboten werden. In der Hundeschule in Braunau finden derzeit Kurse in der Welpenschule statt sowie weiterführende Kurse in der Unterordnung und ein Rettungshundekurs.
Dutzler empfiehlt, sich über die Wahl des Hundes und der Hunderasse genaue Gedanken zu machen. „Der Hund sollte unbedingt zu seinem Besitzer und den geplanten Aktivitäten passen.“
Kommentare sind nur für eingeloggte User verfügbar.
Jetzt anmelden