Drohender Wohnungsverlust: Zahl der Hilfesuchenden im Innviertel steigt deutlich
INNVIERTEL. Immer mehr Innviertler wenden sich an das Netzwerk Wohnungssicherung der Caritas im Innviertel, weil sie sich ihre Wohnung nicht mehr leisten können und eine Zwangsräumung befürchten müssen.
Wie sehr die Zahlen gestiegen sind, zeigen die Wohnungssicherungen durch das Projekt Wohnschirm. Während es 2022 noch bei 64 Betroffenen erforderlich war, dass der Wohnraum gesichert wird, waren es 2023 schon 143 Hilfesuchende. „Heuer waren es bis Anfang November bereits 153 Personen oder Familien, für die der Wohnraum nicht mehr oder nur schwer leistbar war“, sagt Daniela Fischer, Sozialarbeiterin der Wohnungssicherung Innviertel.
Im Bezirk Braunau konnte ein Wohnraum in 58, in Ried in 51 und in Schärding in 44 Haushalten gesichert werden. „Der Anstieg der Hilfesuchenden ist seit der Corona-Pandemie spürbar. Durch die Teuerungen in den letzten zwei Jahren wurde er aber noch signifikanter.“
Weiterer Anstieg befürchtet
Durch die Kündigungswellen in den großen Industriebetrieben rechnet Fischer damit, dass die Hilfesuchenden weiterhin mehr werden. „War die monatliche Miete mit einem vollen Lohn als Einkommen noch knapp leistbar, so wird das mit einem Arbeitslosengeldbezug nicht mehr der Fall sein.“
Von drohenden Zwangsräumungen, auch genannt Delogierung, betroffen seien verschiedenste Menschen, angefangen vom Akademiker bis zum Gebäudereiniger, vom Sozialhilfeempfänger bis zum Bankangestellten – also auch Menschen aus der sogenannten „Mittelschicht“.
„Da gibt es keine Pauschalaussage. Eine Rolle spielt das Ausbildungsniveau, weil wir in den Beratungen natürlich immer wieder sehen, dass Menschen mit einem höheren Bildungsniveau auch meist mehr verdienen und so den Wohnraum besser sichern können. Es kann aber jeder in eine solche missliche Lage geraten.“
Leistbarer Wohnraum fehlt
Gründe für die Miet-Rückstände sind vor allem notwendige Nachzahlungen durch die Steigerung der Heizkosten und die steigenden Lebenserhaltungskosten. Auch individuelle Schicksalsschläge wie Krankheit, Arbeitsplatzverlust oder Trennungen können dazu führen. Zu den aktuell größten Problemfeldern zählt neben der Situation auf dem Arbeitsmarkt auch das Fehlen von leistbarem Wohnraum.
„Natürlich gibt es für unsere Klienten auch Herausforderungen im sozialen und psychischen Bereich, was aber nur allzu verständlich ist, wenn man die Lage bedenkt. Sieht man sich in einer scheinbar ausweglosen Situation gefangen, kann es in Folge zu psychischen Problemen kommen“, erzählt die Sozialarbeiterin. Oft spielen Einsamkeit und Depression eine Rolle.
Wer zu wenig Geld hat, könne nicht mehr gut an der Gesellschaft teilhaben. Manche fühlen sich nicht mehr in der Lage, ihren Alltag zu bestreiten und können Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen.
Fischer empfiehlt Menschen, die Probleme damit haben, ihre Miete zu bezahlen, sich bald Hilfe zu suchen. „Umso früher sich Mieter melden, umso größer die Erfolgsaussichten, den Wohnungsverlust abzuwenden und die Gesamtkosten niedrig zu halten.“
Hohe Belastung
Wegen der steigenden Anfragen und Beratungen wurde das Team Netzwerk Wohnungssicherung Innviertel schon vor Monaten aufgestockt. Derzeit sind dort sechs Mitarbeiter tätig, die voll ausgelastet sind. „Viele Klienten sind verzweifelt und wissen nicht mehr weiter. Es liegt an uns, ihnen wieder ein Stück Perspektive zu geben“, so Fischer. Allgemein sei die aktuelle Situation sehr herausfordernd.
Pensionisten in Wohnungsnot
Eine besondere Herausforderung ist es, wenn Pensionisten von Wohnungsverlust bedroht sind oder einen Platz im Notquartier brauchen. „Bei dieser Personengruppe gibt es oft einen Pflegebedarf, der in unserer Einrichtung aber nicht abgedeckt werden kann. Die Wartelisten für betreute oder betreubare Wohneinrichtungen sind lang, die Anmietungskosten sehr hoch. Solche Schicksale fordern uns immer wieder heraus und verlangen eine hohe Belastbarkeit.“
Unterstützung im Innviertel
Im Innviertel gibt es zur Unterstützung mehrere Angebote. Eine rasche finanzielle Hilfe zum Lebensunterhalt bietet die Caritas Sozialberatung, über die man auch eine kostenlose Energiesparberatung samt Gerätetausch in Anspruch nehmen kann.
Die Delogierungsprävention des Netzwerks Wohnungssicherung Innviertel bietet Beratungen rund um alle Themen, die Wohnraum und dessen Sicherung betreffen. Heuer wurden schon mehrere Hundert Beratungen durchgeführt. Auch Vermieter, die unterstützend mitwirken wollen, können das Angebot nutzen. Außerdem fungiert sie als Schnittstelle für andere Sozialeinrichtungen.
„Wir haben zudem das Projekt Wohnschirm, das sehr gut läuft und schon viele Familien vor der Obdachlosigkeit bewahrt hat.“ Im absoluten Notfall gibt es in Braunau ein Caritas-Notquartier.
Überarbeitung der Kriterien sinnvoll
Um die Situation zu verbessern, wäre laut der Sozialarbeiterin eine Überarbeitung der Wohnbeihilfekriterien sinnvoll, etwa was die Bearbeitungsdauer und die Voraussetzungen zum Erhalt betrifft.
Kommentare sind nur für eingeloggte User verfügbar.
Jetzt anmelden