„Als betroffener Vater war es für mich unerträglich, passiv zu bleiben“
EICHGRABEN. Etwa 4000 Österreicher leiden an Neurofibromatose (NF), einer genetisch bedingten Tumorerkrankung. Seit 2013 arbeitet der gemeinnützige Verein „NF Kinder“ daran, die Forschungsarbeit voranzutreiben und die medizinische Versorgung der Betroffenen zu verbessern. Tips sprach mit dem Eichgrabner Vereinsobmann Claas Röhl.
Obwohl Neurofibromatose bereits 1882 von dem deutschen Arzt Friedrich Daniel von Recklinghausen präzise beschrieben wurde, führt sie bis heute ein Schattendasein. Diesem Faktum will Claas Röhl gemeinsam mit den derzeit rund 70 Mitgliedern seines Vereins „NF Kinder“ entgegenwirken.“Unter Neurofibromatose werden drei verschiedene genetisch bedingte Tumorerkrankungen zusammengefasst. NF Typ 1, NF Typ 2 und Schwannomatose. Bei jeder dieser Krankheiten ist ein anderes Gen betroffen. Die Krankheitsbilder unterscheiden sich teilweise stark. Gemeinsam haben alle drei Krankheiten die Ausbildung von Nerventumoren. Sie sind derzeit unheilbar und sträflich vernachlässigt“, erklärt Röhl.
„Erfahrung aus erster Hand“
„Da ich selbst eine siebenjährige Tochter mit Neurofibromatose Typ 1 habe, musste ich aus erster Hand die Erfahrung machen, wie dramatisch die Unterversorgung für Betroffene in Österreich ist“, so der Vereinsobmann. Und das, obwohl Neurofibromatose eine der häufigsten „Rare Diseases“ – also seltenen Erkrankungen – sei. „NF1 kommt etwa zehnmal so häufig vor wie Epidermolysis bullosa, auch bekannt als die Krankheit der Schmetterlingskinder“, unterstreicht Röhl. Alleine im deutschsprachigen Raum komme jeden Tag ein betroffenes Kind zur Welt.
„Vergessene Betroffene“
„Wenn eine Krankheit wie NF ignoriert wird, dann wird auch auf die Betroffenen vergessen. Es wird vergessen, sie medizinisch zu versorgen, sie psychologisch zu betreuen und Therapieangebote aufzubauen. Es wird vergessen, an einer Heilung zu forschen und der Staat vergisst, die Betroffenen in ihrer schwierigen Situation zu unterstützen“, so Röhl zu seiner Motivation, den Verein zu gründen.
Veränderung im Gen
„Nur wenn regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen durchgeführt werden, können etwaige Probleme durch Tumore rechtzeitig erkannt und Gegenmaßnahmen gesetzt werden“, so Röhl. Neurofibromatose entstehe durch eine Mutation – einer dauerhaften Veränderung – in einem Gen. Die Kinder kommen laut Vereinsobmann damit zur Welt. Die Mutation in diesem Gen verursache die fehlerhafte Produktion oder auch den Ausfall des Proteins Neurofibromin, das eine sehr wichtige Rolle im Kommunikationsprozess der Zellteilung spiele.
Erste Anzeichen
„Eines der ersten Anzeichen von NF 1 ist das Auftreten von Café-au-lait-Flecken. Das sind braune Pigmentflecken auf der Haut, die üblicherweise in den ersten Lebensmonaten zunehmend auftreten. Hat ein Kind sechs oder mehr dieser Flecken von mindestens 0,5 Zentimetern Durchmesser, ist das ein starkes Indiz auf Neurofibromatose Typ 1 und eine Abklärung bei einem Experten ist empfohlen“, erklärt Röhl. Mit NF1 seien über 100 verschiedene Krankheitssymptome verbunden. Abgesehen von den Tumoren, die überall an den Nerven im Körper, auch im Gehirn, auftreten und chronische Schmerzen, Funktionsbeeinträchtigungen und Nervenausfälle verursachen können, habe auch jeder dritte Mensch mit NF1 orthopädische Probleme. Bis zu 80 Prozent der Betroffenen haben laut dem VereinsobmannDefizite im neuropsychologischen Bereich, also Lernschwierigkeiten, Aufmerksamkeitsdefizite oder Wahrnehmungsstörungen.
„Leben in ständiger Angst“
„Leider ist es derzeit nicht möglich vorherzusagen, wie der individuelle Verlauf sein wird. Das bedeutet, dass die betroffenen Familien ein Leben in ständiger Angst vor neuen Symptomen haben“, so Röhl, der auch betont, dass die Erkrankung jeden treffen könne. Die Hälfte aller Betroffenen habe gesunde Eltern. Bei ihnen sei die Mutation spontan aufgetreten. Deswegen gehe Neurofibromatose jeden etwas an.
„Unerträglich, passiv zu bleiben“
„Als betroffener Vater einer Tochter mit NF1 war es für mich unerträglich, passiv zu bleiben und dabei zuzusehen, wie sich nichts verändert“, so Röhl. Der Verein unterstütze Betroffene mit Beratungen und Informationen sowie mit Vernetzungsmöglichkeiten und der Schaffung von psychosozialen Angeboten. Zudem soll die Krankheit in Österreich bekannter gemacht und die medizinische Infrastruktur verbessert werden. „Wir wollen Fortbildungsmöglichkeiten für Gesundheitsberufe sowie Strukturen schaffen, die eine nachhaltige Erforschung von Neurofibromatose in Österreich, in Zusammenarbeit mit internationalen Experten, ermöglichen“, unterstreicht Röhl.
Neurofibromatose besiegen
„Unsere Mission ist es, Neurofibromatose durch Forschung zu besiegen“, so der Obmann. In Österreich müssten dazu erst die nötigen Infrastrukturen aufgebaut werden. Daher sei das wichtigste Ziel der Aufbau einer NF-Kinderklinik, die an der Kinderklinik des AKH Wien entstehen soll. „Die Räumlichkeiten dafür wurden uns zugesagt und das Team dazu intern bestimmt“, so Röhl. Die größte Herausforderung für Betroffene und deren Angehörige sei es, einen Weg zu finden, mit der Erkrankung zu leben und nicht daran zu verzweifeln. „Für mich war der Ansatz, die Opferrolle zu verlassen und mit dem Verein „NF Kinder“ die Möglichkeit zu geben, aktiv zu werden und an einer positiven Zukunft für Menschen mit NF mitzuarbeiten“, so Röhl.
SPENDENKONTO
„NF Kinder“ Neurofibromatoseforschung
Allgemeine Sparkasse Oberösterreich
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Weitere Infos auf www.nfkinder.at
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