Bibelausstellung in der Pfarre Enns-St. Laurenz informiert über das meistverkaufte Buch aller Zeiten
ENNS. In der Basilika Enns-St. Laurenz ist von Samstag, 25. September, bis zum 10. Oktober täglich von 9 bis 18 Uhr bei freiem Eintritt eine Bibelausstellung zu sehen. Die Eröffnung findet am Samstag im Rahmen des Gottesdienstes um 19 Uhr mit Franz Kogler statt. Tips sprach mit Pfarrleiter Harald Prinz über die Bedeutung des meistverkauften Buches der Welt.
Tips:Was erwartet die Besucher bei der Bibelausstellung in der Basilika Enns-St. Laurenz?
Prinz: Der ganze Alltag der Menschen – im Freudigen sowie im Schweren – ist in der Ausstellung enthalten. Aber auch das Alltägliche wie biblische Nahrungsmittel und Gewürze kommen dabei vor. Es geht darum, über die Erlebnisschiene in die Welt der Bibel einzusteigen. Darum ist sie auch für Familien, Kinder und Schulgruppen interessant.
Tips:Die Bibel gilt als das meistverkaufte Buch aller Zeiten. Ist sie das immer noch?
Prinz: Die Behauptung ist nach wie vor aufrecht. Der christliche Glaube ist auf der ganzen Welt verbreitet, daher ist es nicht verwunderlich, dass die Bibel das meistverkaufte Buch der Welt ist. Die Frage ist, ob sie auch das meistgelesene ist. Viele haben Angst davor, das Buch aufzuschlagen, weil die alte Sprache schwierig zu lesen ist. Das stimmt – Bibellesen ist herausfordernd. Es gibt leichte Teile und herausfordernde. Es ist aber immer etwas dabei, dass etwas hergibt. In den Gottesdiensten haben wir immer mindestens eine Bibelstelle. Als Prediger schaue ich mir die Bibeltexte im Vorfeld an. Irgendein Gedanke ist immer dabei, der auch für das heutige Leben geeignet ist. Natürlich ist es wichtig, dass man nicht beim Buchstaben kleben bleibt. Wenn ich die Bibel wortwörtlich verstehen wollte, wäre ich von Anfang an gescheitert. Unsere ganze Sprache lebt davon, dass wir über das Wortwörtliche hinausgehen. Wenn jemand zu seiner Freundin sagt „Ich schenke dir mein Herz“, dann greift die nicht zum Messer und schneidet ihm sein Herz heraus. Es ist eine bildhafte Sprache, und die Freundin versteht jenseits der wortwörtlichen Bedeutung, was gemeint ist. So ist es auch oft in der Bibel. Die Bibel arbeitet viel mit Bildern. Wenn ich die Bilder verstehen will, muss ich mir Zeit nehmen, in die Bibel-Welt einzutauchen und zu fragen, was gemeint sein kann. Es wird mit den sprachlichen Bildern jener Zeit und der damaligen Gesellschaft gearbeitet. Auf das muss man sich einlassen. Wenn man das bedenkt, kann ein Bibeltext echt zu leben anfangen.
Tips:Welche Lehren kann man aus der Bibel ziehen? Teilweise ist sie ja sehr grausam.
Prinz: Die Bibel bildet das Leben in seiner ganzen Bandbreite ab – vom Freudigen bis zum Schweren, vom Edlen bis zum Hässlichen – und versucht, das mit Blick auf Gott zu deuten. Lehren kann man aus der Bibel viele verschiedene ziehen. Wenn ich mich auf Jesus konzentriere, würde ich sagen, dass Liebe die Kurzfassung seiner Botschaft ist – sei es die Gottesliebe, die Nächstenliebe oder die Selbstliebe. Auch die ist wichtig, denn wenn ich mich selbst nicht liebe, kann ich meinen Nächsten nicht lieben.
Tips:Wie oft lesen Sie selbst in der Bibel?
Prinz: Viel zu wenig! Ich schaue mir aber vor jeder Predigt die Bibelstelle an, dass ist das Mindeste, was ich an Bibellektüre mache. In Wahrheit würde es guttun, öfter in der Bibel zu lesen, sie aber nicht von vorne bis hinten durchzulesen, sondern sich mit Wenigem zu begnügen, aber nicht nur auf rationaler Ebene. Ich habe einmal in Rumänien gelebt, wo ich bemerkt habe, dass ich Bibellesen immer viel zu sehr auf rationaler Ebene abgehandelt habe. In Rumänien schöpfte ich Wasser am Brunnen, wobei mir die Geschichte von Jesus und der samaritischen Frau in den Sinn kam. Auf einmal bekam die Geschichte ein anderes Leben. Ich habe in Rumänien auch Schafe gehirtet, wodurch das Bild von Jesus als gutem Hirten eine andere Bedeutung bekommen hat. Aber können wir mit diesen Bildern heute noch etwas anfangen, wenn man noch nie eine Schafherde getrieben hat? Ich habe gemerkt, die Bibel ist nichts Abstraktes, sondern total aus dem Alltag heraus für den Alltag geeignet.
Tips:Ist die Bibel veraltet?
Prinz: Veraltet unter Anführungszeichen. Ich finde das Zitat des österreichischen Kommunikationsexperten Sven Kühne ganz spannend: „Wer glaubt, die Bibel sei nicht zeitgemäß, vergesse nicht, dass Schnee von gestern das Wasser von morgen ist.“ Damit der Schnee zu Wasser wird, durchläuft er einen Wandlungsprozess. Wenn ich die Bibel lese, muss ich beachten, welche geschichtlichen Details ich auf die Seite stellen kann und was der Inhalt ist, der zum Ausdruck gebracht wird und der zeitlos gültig ist. Wenn Jesus seine Botschaft heute unter die Menschen bringen würde, mit welchen Bildern würde er dann arbeiten? Er würde wahrscheinlich nicht sagen: „Ich bin der gute Hirte“, sondern einen anderen Ausdruck wählen.
Tips:Kommen auch Teile der Bibel im Koran oder der Thora vor?
Prinz: Natürlich. Die christliche Bibel besteht aus dem Alten und Neuen Testament. Das Alte Testament bildet im Wesentlichen die Heiligen Schriften des Judentums ab. Vieles findet sich auch im Koran wieder. Die heiligen Texte sind auch verbindende Elemente zwischen den drei großen Schriftreligionen Judentum, Christentum und Islam. Wir haben gemeinsame Wurzeln. Eine Besinnung auf diese gemeinsamen Wurzeln ist auch eine Möglichkeit der Verständigung untereinander heutzutage. Als Christ darf ich den muslimischen Glauben wertschätzen und umgekehrt. Voraussetzung ist, dass ich die Wurzeln meines Glaubens kenne.
Tips:Gibt es Menschen, die die Bibel falsch auslegen und sie zu wörtlich interpretieren?
Prinz: Wer die Bibel liest, wird die Bibel auf seine Art interpretieren. Ein Theologe, der des Griechischen oder Hebräischen mächtig ist, wird auch über die Sprache etwas finden, dass ihm hilft, den Text zu verstehen. Aber kaum jemand kann diese beiden biblischen Sprachen. Durch die Bibelausstellung findet man vielleicht ein Rüstzeug, das hilft, die biblischen Texte zu verstehen. Im Grunde ist es bei jedem Text so, dass ihn der Leser durch die Brille seines Lebens und seiner Zeit liest. Genauso schreibt der Autor den Text durch die Brille seines Lebens und seiner Zeit. Der Sinn und Zweck der Bibel ist nicht, dass ich sie lese, sondern dass ihre Botschaft in meinem Leben zu leben beginnt. Man sollte immer wieder in der Bibel lesen ohne sich Druck zu machen, sie von vorne bis hinten zu lesen. Man kann durchaus auch kritisch einer Bibelstelle gegenüberstehen, denn die Bibel braucht Kritik. Ich bin froh, wenn mich nach dem Gottesdienst jemand auf die in der Predigt vorgekommene Bibelstelle anspricht und mit mir darüber diskutiert. Ich gebe nur eine Interpretationshilfe, ansonsten könnte ich die Bibelstelle auch einfach vorlesen. So kann ich Hilfe geben, die Bibelstelle verständlich zu machen, aber auch, das eigene Leben zu verstehen. Die Bibel legt es uns nahe, sie nicht wortwörtlich zu verstehen. Wenn man versuchen würde, alle Sätze wortwörtlich zu verstehen, würde ich bemerken, dass sich einige Dinge widersprechen. Die Bibel wurde ja nicht von einer Person geschrieben, sondern ist eine Sammlung religiöser Texte, die über einen Zeitraum von 1.000 Jahren entstanden sind.
Tips:Ist es ein Problem der Islamisten, dass sie den Koran zu wörtlich auslegen?
Prinz: Das ist das Problem aller Fundamentalisten. Am 7. März 1993 bin ich in Paris aus einer Kirche geprügelt worden. Ich habe geglaubt, die bringen mich um. Die, die das getan haben, waren fundamentalistische Christen. Ich war in der Königskirche. Während des Gottesdienstes haben ein paar hundert fundamentalistische Christen - Anhänger von Erzbischof Marcel Lefèbvre - die Kirche gestürmt. Die haben in den 70er Jahren gewaltsam eine Kirche an sich gerissen. Diese wurde ihnen zu klein. Also sind sie zu unserer Kirche gekommen, haben während des Gottesdienstes unsere Kirche besetzt und mich hinausgeprügelt. Ich war damals Student und stand in der Sakristei. Ich wollte sie nicht hineinlassen, habe aber gemerkt, dass das Leute sind, die hier nichts verloren haben. Das waren junge Leute, so alt wie ich. Langsam habe ich gemerkt, was passiert. Dann habe ich gefragt: „Ist das die Liebe Jesu Christi?“ Darauf kam die Antwort: „Schweig!“ Dann wurde ich durch die Kirche geschliffen. Draußen habe ich gesehen, dass das einige hundert Leute waren. Fundamentalismus ist also kein ausschließliches Problem des Islam. Es gibt auch im Islam moderate, aufgeklärte Stimmen. Das Problem ist die mangelnde Fähigkeit, den Sinn eines Textes nicht in den Buchstaben einzusperren.
Tips:Ist der muslimische Fundamentalismus deswegen größer als christliche, weil er in der Bevölkerung noch viel stärker verankert ist?
Prinz: Das „noch“ stimmt so nicht. Es gab schon sehr bald im Islam großartige, aufgeklärte Stimmen. Die wurden aufgrund verschiedener politischer Entwicklungen vor allem im 20. Jahrhundert zum Schweigen gebracht. Darauf konnten sich die fundamentalistischen Kräfte offensichtlich stärker hervortun als andere. Das könnte ein wesentlicher Faktor sein. Es mag auch etwas mit dem europäischen Imperialismus zu tun haben. Der Westen hat aus kapitalistischen Gründen versucht, Einfluss in die Regionen des Nahen Ostens zu nehmen, und dort auch gewisse natürliche Entwicklungen verhindert. Das hat Protestbewegungen nach sich gezogen, die die Fundamentalisten für sich ausgenutzt haben. Das macht mich sehr traurig, wenn man bedenkt, dass die Welt ganz woanders sein könnte. Wenn die Grundbotschaft Jesu ernster genommen worden wäre, hätten wir viele Probleme heute nicht in unserer Welt.
Tips:Im Endeffekt sind es ja simple Botschaften.
Prinz: Genau! Die Frage ist, was mache ich daraus und wie bin ich bereit, dass die Botschaft auch in meinem Leben Wirklichkeit wird. Darum ist die Bibel auch herausfordernd und keine unterhaltsame Lektüre. Ihre Botschaft ist, dass ich mein Leben nicht irgendwie lebe, sondern so zu leben, dass es gut ist – und nicht nur gut für mich, sondern auch gut für die anderen und für die Schöpfung.
Tips:Ich habe einmal gelesen, dass der NS-Reichspropagandaminister Joseph Goebbels Jesus und Mohammed als die größten Propagandisten aller Zeiten bezeichnet hat. Hinkt dieser Vergleich nicht sehr?
Prinz: Jesus hat versucht, überall, wo er hinkam, ein gutes Leben zu führen und seine Leute aufgefordert, es ihm nachzutun. Er hatte eine Botschaft, die er zu den Menschen trug. In gewisser Weise machte er Propaganda – für Gott, für ein gutes Leben. Jesus war von seiner Botschaft so überzeugt, dass er in aller Konsequenz und mit seinem Leben dafür eingestanden ist. Was Jesus von anderen Personen aus der Geschichte unterscheidet, ist, dass er seine Botschaft friedlich zu den Menschen brachte. Jesus will einen Kampf ohne Gewalt, auch wenn die Kirche diesen Weg nicht immer beherzigt hat. Es gab in der Geschichte sicher auch andere, die von ihrer Idee überzeugt waren. Im Unterschied zu Jesus entschieden sie sich aber dazu, andere mit Macht und Gewalt zu unterwerfen. Jesus unterwirft nicht, sondern verbreitet seine Botschaft mit Sanftheit und Liebe. Gerade die Ausgegrenzten waren es, die sich davon angesprochen fühlten.
Tips:War Jesus tatsächlich mehr als nur ein Mensch?
Prinz: Jesus steht in einer prophetischen Tradition und wird als Sohn Gottes bezeichnet. Es gibt mehrere Geschichten im Alten Testament, wo Gott die Menschen auf Wege des Glückes führt. Eine Zeit lang geht das gut, dann haut es den Menschen wieder den Vogel raus, weil die Versuchung zu groß wird. Dann sieht Gott, dass er etwas tun muss und schickt einen Propheten. Es ist ein ewiges Spiel. Irgendwann entschied Gott: „Jetzt schicke ich niemanden mehr, sondern gehe selbst“. Also wurde er Mensch. Das ist der christliche Glaube - Gott ist in Jesus Christus Mensch geworden. Diese Glaubenslehre birgt das große Potential, dass das Menschsein damit eine unglaubliche Würde erfährt. Gott war sich nicht zu schlecht, das Menschsein bis hinein in die schlimmste Tragödie anzunehmen. Die Verbindung des Menschen zu Gott ist – aus christlicher Perspektive gesehen – durch Jesus unglaublich eng geworden.
Tips:Was führt dazu, dass Menschen böse Taten begehen?
Prinz: Meine Schüler in Philosophie haben mich gefragt, ob die Welt nicht viel besser wäre, wenn er nicht frei entscheiden könnte. Dann wäre er aber kein Mensch, sondern nicht besser als ein Tier, dass den Instinkt des Guten in sich trägt. Zum Menschsein gehört aber der freie Wille. Dieser ist Teil des Menschen, und Gott respektiert ihn auch. Gott fordert aber den Menschen heraus, damit er mit der Freiheit seines Willens sich dazu entscheidet, den Weg des Guten zu beschreiten.
Tips:Viele Menschen glauben wahrscheinlich, dass ihr Leben nach dem Tod sowieso vorbei ist, egal ob sie gute Menschen waren oder nicht. Werden sich Sünden später doch einmal rächen?
Prinz: Ich bin davon überzeugt, dass das Leben hier noch nicht alles ist. Ich glaube an die Botschaft unseres Glaubens, dass es nach dem irdischen Leben ein ewiges Leben gibt und dass es Gott ist, der alles zum Guten führt. Es ist mir aber auch klar, dass ich als Mensch viel zu klein bin, um mir das irgendwie vorstellen zu können. Den Blick auf das Leben nach dem Tod zu weiten ist eine unglaubliche Hoffnung für den Menschen. Der Sinn des Lebens kommt von Gott, und ich kann ihn in meinem Leben entdecken. Die Bibel kann mir dabei eine Hilfe sein.
Tips:Es ist aber nicht so, dass man die Bibel aufschlägt und die Weisheit mit dem Löffel gefressen hat?
Prinz: Manche machen das und machen ganz überraschende Erfahrungen. Vom Heiligen Augustinus wird überliefert, dass er die Bibel aufgeschlagen und zu lesen begonnen hat, und der Satz, den er gerade gelesen hat, veränderte sein Leben. Es gibt auch Menschen in unserer Zeit, bei denen so etwas passiert. Das kann Zufall sein, aber es ist schön, wenn einem so etwas zufällt.
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