Zellforscher aus St. Florian entdeckt kuriose Immunabwehr bei Tier-Embryos
ST. FLORIAN/BARCELONA. Physiker Stefan Wieser aus St. Florian und seine Frau Verena Ruprecht haben als Zellforscher im Bereich der frühen Embryonalforschung eine große Entdeckung gemacht.
Stefan Wieser lernte seine aus Klagenfurt stammende Gattin während des Physik-Studiums an der JKU Linz kennen. Die beiden hatten schon immer ein großes Interesse an Biologie und Medizin und verfassten ihre Doktorarbeit am Biophysik Institut in Linz über das Thema „Einzelmolekülmikroskopie an lebenden Zellen“. Da die in Barcelona ansässigen Spezial-Forschungseinrichtungen CRG (Center of genomic regulation) und ICFO (Institute of photonic sciences) ihre Forschungsrichtung unterstützten, zogen die beiden Physiker in die katalanische Hauptstadt, wo sie ihre eigenen Forschungsgruppen leiten. Ruprecht leitet eine Forschungsgruppe am CRG mit acht Mitarbeitern, Wieser eine Forschungsgruppe am ICFO mit fünf Mitarbeitern. „Wir arbeiten im Prinzip fast in allen Projekten zusammen. Ich entwickle neue Mikroskope und arbeite mit Immunzellen. Verena arbeitet an lebenden Organismen und mit Stammzellen“, erklärt Wieser.
Modernste Technologie
Die Zusammenarbeit ist nicht nur für die vielen Publikationen in wissenschaftlichen Fachmagazinen von Vorteil. „Uns stehen in beiden Instituten fast alle Technologien zur Verfügung. Neben modernster Mikroskopie für ganze Organismen und mit molekularer Auflösung haben wir auch die Möglichkeit, alle Ergebnisse an Stammzellen, Immunzellen und normalen Zellen zu testen und am ganzen Organismus wie bei Zebrafischen und Mäusen zu zeigen, wie alles zusammenwirkt“, so Wieser.
Fangarme fressen schadhafte Zellen
Durch Zufall machten Wieser und Ruprecht eine große Entdeckung. Als sie an Embryos von Zebrafischen testeten, wie schnell sie aufgrund von DNA-Fehlern sterben, bemerkten sie, dass die meisten Embryos überlebten. „Das ist grundsätzlich aber nicht möglich, da Embryos kein Immunsystem haben, das DNA-Fehler korrigieren kann“, sagt Wieser. Eines der derzeit besten Mikroskope kam zum Einsatz, um alle Zellen während der Embryonal-Entwicklung zu filmen. Für das Video werden in 3D alle Zellen gefilmt, was ein Terrabyte an Daten in zehn Minuten produziert. Was die Forscher zu sehen bekamen, klingt wie das Drehbuch eines Science-Fiction-Horror-Films: „Wir entdeckten lange Fangarme, die durch den Embryo schießen und die DNA-Fehler korrigieren“, sagt Wieser. Die Fangarme gehen von der äußeren Schutzschicht (EVL-Zellen) des Embryos aus, erkennen zu eliminierende Zellen, fischen sie aus dem Organismus heraus und fressen sie auf.
Studien an Zebrafischen und Mäusen
Die Entdeckung setzte einen großen Arbeitsprozess in Gang. Die Forscher untersuchten die Effektivität des Mechanismus‘ der Fangarme, seine Geschwindigkeit, welche Proteine involviert sind und simulierten ihn am Computer. Studien an Zebrafischen und Mäusen wurden unternommen und Biomarker eingesetzt, um den Prozess besser zu visualisieren. „Ein Zebrafisch eignet sich deshalb gut für Embryonalforschungen, da bei der Paarung rund 50 Eier produziert werden und die Embryonal-Entwicklung bei dieser Tierart sehr schnell vonstattengeht. Da die Eier nur einen Millimeter groß sind, können der gesamte Embryo und die Zellauflösung mit einem Mikroskop gefilmt werden. Bei der Maus verhält es sich ähnlich, die Qualität der Filme ist allerdings schon deutlich schlechter“, erklärt Wieser.
Wichtig für Medizin
Da die Grundlagen der Embryonal-Entwicklung bei Tieren sehr ähnlich zum Menschen sind, könnten die Forschungen in der Medizin – beispielsweise in der In-vitro-Fertilisation (Methode der künstlichen Befruchtung) – von großem Nutzen sein. „Würde man die Fangarme filmen, würde man erkennen, dass es im Embryo eventuelle Probleme gibt und könnte einen anderen verwenden“, erklärt Wieser. Als Vorbeugung von Fehlgeburten könnten Schwangere darüber aufgeklärt werden, wie sie das körpereigene EVL-Fangsystem durch geeignete Nahrungsaufnahme unterstützen können. Das Nature-Magazin, das größte Wissenschaftsmagazin der Welt, erachtete die Entdeckung der embryonalen Fangarme auf jeden Fall als wichtig genug, um sie zu publizieren. Der Artikel „Kooperative epitheliale Phagazytose ermöglicht Fehlerkorrektur im frühen Embryo“ erschien heuer im Februar.
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