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Leserartikel Wolfgang Simlinger, 16.08.2022 11:35

ENNS/KRONSTORF. Das ehemalige Salzamt in Enghagen war vielen Ennsern bekannt. Ein mächtiges Kruzifix hing an dem über 300 Jahre alten Haus bei der Enghagener Brücke. Julia Müller erlebte hier unbeschwerte Tage ihrer Kindheit in unmittelbarer Nähe zur Donau. Vor sieben Jahren beschloss sie, mit ihrer Familie Enghagen zu verlassen und in Thaling bei Kronstorf ein neues Leben zu beginnen.

Das mächtige Kruzifix wurde im Februar 2017 abmontiert (Foto: Wolfgang Simlinger)
  1 / 3   Das mächtige Kruzifix wurde im Februar 2017 abmontiert (Foto: Wolfgang Simlinger)

„Auf ein Bier unter den alten Kastanien oder auf eine Brettljause unterm Nussbaum?“ Diese Frage stellte sich so mancher Ennser nach einem Fahrradausflug durch die Donauauen. Anfang August 2002 war Enghagen noch ein belebter Ennser Ortsteil. Ungefähr 30 Häuser zählte die Siedlung nahe der Donau. Eine Einkehr beim Gasthof Binder oder bei der Mostschänke Hammerl bildete für viele Ennser den krönenden Abschluss einer Fahrradtour durch die Au. Neben den beliebten Gasthäusern gab es auch einige stattliche Vierkanter und eine Tischlerei.

Heute gibt es nur mehr wenige Häuser in Enghagen, die meisten Einwohner verließen die Ortschaft in den vergangenen Jahren und begannen woanders ein neues Leben. Die meisten Aussiedler blieben allerdings in Enns, einige wiederum zogen in eine der Nachbargemeinden. Auch das Haus von Julia Müller ist vielen Ennsern noch in Erinnerung.

Uraltes Gebäude abgetragen

Direkt bei der Brücke über den Kristeinbach stand das ehemalige Salzamt. Auf einem Dachbalken fand man die Jahreszahl 1770 eingraviert, die Mauern des uralten Gebäudes bestanden aus Granitsteinen und gebrannten Vollziegeln. Hochwassermarken an der Wand waren Zeugen, dass das Haus bereits viele Hochwasserkatastrophen überstanden hatte. Das Einzige, was vom Haus übrig blieb, waren das mächtige Kreuz und ein paar gebrannte Ziegel, die im neuen Garten die Schildkröten davon abhalten, sich aus dem Staub zu machen. Als das Haus von Julia gebaut wurde, lag es noch direkt an der Donau am sogenannten Salzhafen. Vor ungefähr 200 Jahren wurde die Donau reguliert, das Flussbett wanderte nach Norden und ein dichter Auwald schützte die Häuser in Enghagen vor dem Hochwasser.

Neuanfang in Thaling

Julia und Philip Müller leben mit ihren beiden Töchtern mittlerweile in ihrem neu gebauten Haus im Kronstorfer Ortsteil Thaling. Außer den Ziegeln sind den Müllers auch einige Nachbarn aus Enghagen geblieben, die sich ebenfalls in Thaling angesiedelt haben. Andere Familien aus Enghagen haben ihre Häuser in Enns oder den umliegenden Gemeinden gebaut. „Früher kamen die Hochwässer langsamer, mittlerweile geht es sehr schnell. Wir hatten immer ein ungutes Gefühl, wenn es ein paar Tage stark regnete“, erklärt Philip Müller. „Solange wir dort wohnten, war der Hydrographische Dienst unser ständiger Begleiter.“

Erinnerung an Hochwässer

Beim Hochwasser im Jahre 2002 lebten noch Julias Großeltern im Haus. Das Erdgeschoß wurde von den Wassermassen überflutet, nur wenige Zentimeter fehlten und das Wasser wäre in den ersten Stock vorgedrungen. Elf Jahre später, beim Hochwasser im Juni 2013, erwischte es auch den ersten Stock, wo Fußboden und Möbel zerstört wurden. Die junge Familie schmiedete noch Sanierungspläne, als sie ein Angebot vom Land Oberösterreich bekam. 80 Prozent des Zeitwertes des Gebäudes sollte abgegolten werden zu wenig, um sich ein neues Haus zu bauen, aber immerhin ein gutes Startkapital. Familie Müller war mittlerweile zu viert und nahm das Angebot an. 2015 begannen sie mit dem Hausbau in Thaling, ein Jahr später wurde übersiedelt. „Es ist anders hier. Hier haben viele junge Leute ihre Häuser gebaut. Wir sind hier weit weg von der Donau und von der Au. Manchmal geht mir das ein wenig ab“, erzählt Julia Müller.

Natur erholt sich wieder

An einigen Stellen sind die ehemaligen Hausgärten Feldern gewichen, an anderen Stellen holt sich die Natur die Flächen wieder zurück. Durch die Hochwässer wurden Unmengen an Schlamm und Sand in den Gräben eingelagert und einige Altwässer trockneten dadurch aus. Aus diesem Grund begann man vor einigen Jahren im Bereich der „Kuhwampe“, verlandete Gräben auszubaggern und die Gebiete ökologisch aufzuwerten. Unter der Leitung der Biologen Werner Weißmair und Harald Pfleger wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche neue Lebensräume für Amphibien, Insekten und seltene Vogelarten geschaffen.


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