Vortrag im Stift: St. Florian erinnert sich an dunkelstes Kapitel der Geschichte
ST. FLORIAN. Unter großem Interesse fand in der Sala Terrena ein Vortragsabend zur Geschichte des Stiftes St. Florian in der NS-Zeit statt. Auf Einladung der Katholischen Männerbewegung berichteten Kustos Harald Ehrl und der Historiker und Pädagogikprofessor Egbert Bernauer vor rund 200 Interessierten über die Jahre zwischen Anpassung und Repression, die auch das Stift prägten.
Bernauer stellte dabei sein neues Buch vor, in dem er sich mit den Ereignissen dieser Zeit auseinandersetzt. Das Stift selbst war ab 1941 unmittelbar betroffen: Die Chorherren wurden aus dem Kloster vertrieben und mussten nach Pulgarn ausweichen, während die Nationalsozialisten auf dem Stiftsgelände ein reichsweit geplantes Rundfunkzentrum für klassische Musik vorbereiteten.
Todesmärsche nach Gunskirchen
Ein Schwerpunkt des Vortragsabends galt den Todesmärschen in den letzten Kriegswochen. Mehr als 20.000 Häftlinge wurden damals vom KZ Mauthausen nach Gunskirchen getrieben – auch durch St. Florian. Zeitzeugenberichte, die Bernauer ausgewertet hat, machen die Erschütterung sichtbar, die viele Menschen im Ort erfasste. Einige erinnerten sich als Kinder daran, am folgenden Tag noch Leichen am Schulweg gesehen zu haben. Hilfe war kaum möglich, da SS-Wachen jede Zuwendung hart bestraften.
Zwischen Mitläufertum und menschlicher Not
Besonders eindrücklich waren die erstmals veröffentlichten Aufzeichnungen des Überlebenden László Kozma, der den Todesmarsch beschrieb und den Wachen wie auch manchem Zuschauer „nicht das geringste Zeichen von Mitleid“ zuschrieb – ein Satz, der zum Buchtitel wurde. Bernauer verwies zugleich darauf, dass viele Menschen im Ort wenige Monate vor Kriegsende noch bei nationalsozialistischen Festen begeistert mitgewirkt hatten; im Stiftsarchiv fanden sich dazu Farbaufnahmen aus dieser Zeit.
Erinnern, um wachsam zu bleiben
Im Gespräch mit KMB-Leiter Hannes Hofer berichtete Georg Windtner von Erzählungen seines Großvaters über das alltägliche Zusammenleben im Ort und im Stift. Die Beispiele reichten von strikten Verhaltensnormen im Umgang mit dem Ortsführer bis hin zu willkürlichen Anschuldigungen, die für Betroffene existenzbedrohend werden konnten.
Für viele der Anwesenden bot der Abend die Gelegenheit, über Erinnerungen und familiäre Überlieferungen zu sprechen, die oft lange Zeit unausgesprochen geblieben waren. Immer wieder wurde betont, wie wichtig es sei, sich mit dieser Vergangenheit auseinanderzusetzen, um sensibel zu bleiben für Entwicklungen, die demokratische Grundwerte gefährden könnten.
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