Durch 21 Länder 24.000 Kilometer in 445 Tagen von Kapstadt nach Wien heimgeradelt: "Die Mama hat gehofft, man fladert uns die Räder"
SCHÖNAU/WIEN. Man nehme zwei sportliche, abenteuerhungrige junge Frauen, zwei vollbepackte Räder und multipliziere sie mit der Entfernung Kapstadt – Wien. Das Resultat: eine Million Erfahrungen und unvergessliche Eindrücke. An diesen lassen die gebürtige Schönauerin Johanna Hochedlinger und ihre Partnerin Tanja Willers ihr Vortrags-Publikum am Freitag, 15. November, in Schönau teilhaben.
Tips: Johanna, wie seid ihr auf die Idee gekommen, von Südafrika nach Wien zu radeln?
Johanna Hochedlinger: Wir wohnen in Wien und fahren dort immer mit dem Rad, zudem sind wir viel auf Reisen unterwegs und waren auch schon länger in Südamerika. Da Tanja Familiengeschichte in Afrika hat und wir was Neues kennenlernen wollten, haben wir uns gedacht, Afrika könnten wir uns einmal anschauen. Als sich Tanja bei einem Besuch bei ihrer Schwester in Kapstadt den Oberschenkel gebrochen hat, haben wir noch spaßhalber gemeint, ich könnte sie abholen. Die Idee ist dann aber gereift, und kurz nachdem Tanja den Nagel aus ihrem Oberschenkel herausoperiert bekommen hat, sind wir dann losgefahren. Muskeln muss man ja langsam aufbauen, und Radfahren ist da die beste Reha.
Tips: Als „Roaming Pedals“, wandernde, herumstreifende, Pedale, seid ihr von Südafrika nach Norden losgefahren. Ist das gedanklich nicht schwieriger als von Nord nach Süd aufzubrechen?
Johanna: Die meisten, die Afrika durchqueren, fahren von Norden nach Süden. Aber nicht, weil es „bergab“ ginge oder es weniger Höhenmeter zurückzulegen gibt, sondern weil es durch die Passatwinde viel Gegenwind gibt, wenn man nach Norden fährt. Uns haben sie aber nicht tragisch getroffen, wir haben unsere Route gut angelegt.
Tips: Wie habt ihr euch auf die Mega-Radtour vorbereitet? Und was haben eure Angehörigen zu den Reiseplänen gesagt?
Johanna: Trainiert haben wir nicht viel, aber gut geplant. Meine Mama in Schönau hat entsetzt gesagt: „Habts an Vogel?“ Am Anfang hat sie immer gehofft, dass man uns die Radl fladert. Das wäre das Schlimmste für uns gewesen. Gefahren sind wir auf viele Erdstraßen, was zum Teil sehr anstrengend war. Wir haben immer wieder die Leute vor Ort gefragt, wo man fahren kann, wo man Wasser bekommt. Wenn nämlich die Strecke sehr anstrengend ist, und das Wasser geht aus, dann kommt auch die Psyche ins Spiel ...
Tips: Wie habt ihr den Kontakt mit den Menschen auf eurer Reise erlebt?
Johanna: Von Anfang an war der Kontakt mit den Menschen richtig cool, alle waren voll interessiert. Am ersten Tag sind wir schon 20 Mal aufgehalten worden, weil alle wissen wollten, woher wir kommen und wohin wir fahren. In Zentralafrika, etwa in Sambia und Malawi, waren auf einmal hunderte Kinder da, alle sind uns nachgelaufen und haben gerufen „How are you?“ Alle wollten uns „Aliens“ anschauen. Am schönsten war es, die Hilfsbereitschaft der Menschen zu erleben, zum Beispiel bei der Suche nach Wasser.
Tips: Apropos Wasser: Wart ihr damit sehr vorsichtig?
Johanna: Wir haben immer das Wasser getrunken, das auch die Einheimischen getrunken haben. Nur einmal hat es mich ordentlich erwischt, in Malawi sind wir aus einem Gebiet, wo es einen Cholera-Ausbruch gab, auf einer Fähre über den Malawi-See gefahren, danach hab ich zwei Wochen lang ordentlich Durchfall gehabt. Es gab aber keinen Ort zum Rasten. Obwohl ich extrem schwach war, sind wir weitergefahren. Sonst waren wir aber eigentlich nie ernsthaft krank.
Tips: Wie gefährlich habt ihr eure Reise erlebt?
Johanna: Eigentlich hat sich alles in normalem Rahmen gehalten. Es gab ein paar klassische Mann-Frau-Situationen, Übergriffe, bedrängen, aber das kann einem auch daheim passieren. Am gefährlichsten war, als wir mitten in der Nacht Besuch von Elefanten bekommen haben. Wir hatten ausnahmsweise kein Lagerfeuer angezündet, das die Tiere normalerweise abschreckt. Wir sind aufgewacht, weil die Elefanten direkt bei unserem Zelt von einem Baobab-Baum Äste abgebrochen haben. Das war schon spannend. Zum Glück haben sie sich ganz langsam zurückgezogen, als wir miteinander geredet haben. Ich habe die ganze Nacht keine Ruhe mehr gehabt, Tanja hat sich umgedreht und weitergeschlafen.
Tips: Was war das schönste Erlebnis eurer mehr als 24.000 Kilometer langen Reise, die ja auch durch Arabien geführt hat?
Johanna: Eine schwierige Frage. Zum einen waren es die Tiere in freier Wildbahn, die Verbundenheit mit der Natur. Es ist schon ein Erlebnis, wenn Zebraherden neben einem hergaloppieren oder ein Elefant die Straße quert und der Verkehr dafür stillsteht. Zum anderen war es aber auch diese unpackbare Gastfreundschaft, gerade in muslimischen Ländern. Wir sind häufig aufgenommen worden, als ob wir zur Familie gehörten. Spätestens die fünfte Frage war, ob wir einen Schlafplatz brauchen. Manche Leute sind extra für uns einkaufen gefahren, haben uns ein Sackerl mit Verpflegung in die Hand gedrückt und uns dann noch nach Hause eingeladen. Das gibt schon einen Einblick in die Kultur, wir hatten zuvor ja wenig Ahnung vom Islam.
Tips: Diese Erfahrungen kannst du als Lehrerin an einem Wiener Gymnasium sicher gut gebrauchen!
Johanna: Ja, ganz sicher, das war total bereichernd. Ich kenne jetzt den feinen Unterschied: Islam ist nicht gleich Islam.
Tips: Habt ihr schon die nächste Reise in Vorbereitung?
Johanna: Es ist noch nichts Konkretes geplant, wir sind derzeit ja neben unsere Berufen auf sehr vielen Vortragsreisen unterwegs, das möchten wir auch noch ausbauen, nachdem wir in der Schweiz bei einem Reisevortrags-Festival den Preis für den besten Vortrag bekommen haben.
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