PREGARTEN/KEFERMARKT/OÖ. Unter großem Druck stehen die Putenhalter: Immer öfter müssen sie ihre Ställe wochenlang leer stehen lassen, weil sie das mit hohen Tierwohlstandards erzeugte Fleisch nicht absetzen können. „Die Konsumenten greifen lieber zu billigerem Putenfleisch aus dem Ausland, wo die Tiere unter weit schlechteren Haltungsbedingungen leben“, so Putenmäster Stefan Walch aus Selker.
Rund 20 Wochen lang dauert ein Mastzyklus bei Stefan und Katharina Walch in Selker, Gemeinde Pregarten, vom frisch geschlüpften Küken aus der Brüterei bis zum schlachtfertigen Tier. Die Hennen erreichen neun bis zehn Kilo Gewicht, die Hähne werden rund 20 Kilo schwer. „Bei uns in Österreich sind gesetzlich 40 Kilo lebende Tiere pro Quadratmeter erlaubt. Die strengen, international gesehen erstklassigen Produktionsstandards tragen wir Bauern mit und erfüllen sie gerne“, betont Walch. Das AMA-Gütesiegel bescheinigt höchste Tierschutzstandards von der Geburt der Tiere in österreichischen Brütereien, der Aufzucht mit gentechnikfreien Futtermitteln und der Schlachtung in Österreich.
Allerdings scheinen die Konsumenten nicht bereit zu sein, den höheren Preis für beste Qualität mitzutragen. Immer öfter müssen die heimischen Putenmäster daher nach einem Aufzuchtzyklus und zwei bis drei Wochen Pause zum Reinigen ihre Ställe leer stehen lassen. „Wir können nicht einstallen, weil der Absatz fehlt“, bestätigten auch Sabrina und Andreas Grill aus Lest, Gemeinde Kefermarkt. „Der Konsument entscheidet mit dem Griff ins Regal, woher sein Putenschnitzel kommt“, halten sie eine umfassende Kennzeichnung, auch und vor allem in der Gastronomie für dringend nötig. „Denn sonst verschwindet das vorbildlich erzeugte und kontrollierte Lebensmittel in einer unerklärlichen Anonymität“, bestätigt auch Stefan Walch. „Mit Aufschriften wie EU, Nicht-EU oder Österreich wird man aber auch nicht schlauer, weil in jedem Land unterschiedliche Standards gelten.“
Weniger Platz, mehr Stress
Den Unterschied macht aber nicht nur der Preis. Es sind vor allem die Haltungsbedingungen, die einem auf den Magen schlagen können. „Die Besatzdichte liegt zum Beispiel in Polen bei 70 bis 80 Kilo, die Tiere haben halb so viel Platz, dafür aber weit mehr Stress. In Italien werden den Putenküken sogar die Krallen weggeschmolzen“, weiß Martin Mairinger aus Pierbach, Geflügelexperte bei der Landwirtschaftskammer OÖ. In Österreich ist vorbeugende Gabe von Antibiotika längst verboten. Ausländisches Putenfleisch kann jedoch mit Antibiotika-Rückständen belastet sein.
„So landet Import-Putenbrust im Supermarkt beim Preis-Einstiegssegment von 8,99 Euro. Der Konsument schaut auf den Preis und denkt sich zurecht, in Österreich wird ohnehin nichts verkauft, was nicht in Ordnung ist. Warum sollte er dann 13 oder 14 Euro für die Pute zahlen, die im Supermarkt-Regal daneben liegt?“, fügt Mairinger hinzu. „Kein Wunder, dass die Putenmäster die Welt nicht mehr verstehen!“ Umso weniger, als die Grad der Inlandsversorgung mit Putenfleisch nur bei 50 Prozent liegt, „und davon wird noch ein Teil nach Deutschland exportiert, weil der heimische Markt so viel nicht verträgt.“
In Großküchen und öffentlichen Kantinen gilt seit 1. September 2023 die Verpflichtung zur Herkunftskennzeichnung von Fleisch, Milch und Eiern. „EU-weit scheitern einheitliche Produktionsstandards an der heiligen Kuh, dem Handel“, meint Martin Mairinger. Der Geflügelexperte sieht die Republik Österreich in der Pflicht: „Die Regierung ist dafür verantwortlich, dass in der Gemeinschaftsverpflegung wie beim Bundesheer, in Spitälern, Altersheimen, Schulen etc. Lebensmittel aus Österreich verwendet werden. Es müsste eine Sache der Moral sein, die Gesetzeslage zu ändern.“ Heimische Pute aufs Teller zu bringen sollte aber ohnehin das Anliegen jedes Küchenchefs und auch jedes privaten Konsumenten sein.
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