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Tips-Zeitreise KW 3 - 2008 Gschliefgraben-Rutschung in Gmunden

Daniela Toth, 19.01.2016 09:54

GMUNDEN. „Der ständige Regen fordert von den Einsatzkräften im Gschliefgraben alles. Verzweifelt wird versucht, so viel Druck wie möglich aus dem Hang zu entfernen“, so beginnt der damalige Tips-Artikel zu jenem Thema, das vor acht Jahren nicht nur in Gmunden alle Gespräche beherrschte: die massive Hangrutschung „unterm Stein“, die dutzende Häuser bedrohte. Was damals passiert ist, und wie sich die Situation heute darstellt – Tips hat mit Michael Schiffer, von der Wildbach- und Lawinenverbauung gesprochen.  

  1 / 2   Um die Rutschung zu stoppen, wurden über Monate Gerinne ausgebaggert und stabilisiert, Abflüsse und Tiefendrainagen gelegt und riesige Erdmassen entfernt.

Alle 100 Jahre kommt der „Gschliefgraben“ am Fuße des Traunsteins in Bewegung. Eine Rutschung in diesem Ausmaß hatte dennoch niemand erwartet:  Am Fuß des Traunsteins, im Bereich „Unterm Stein“ setzten sich ab Ende 2007 insgesamt vier Millionen Kubikmeter Erdmasse Richtung See in Bewegung. Die Fließgeschwindigkeit betrug teilweise bis zu  fünf Meter pro Tag. Hatte man bei Beginn der Rutschung noch gehofft, die Rutschung rasch unter Kontrolle zu bekommen, so spitzte sich die Situation in den ersten Wochen des Jahres 2008 weiter zu.

Millionen  Kubikmeter Gestein gerieten in Bewegung

Ausgangspunkt war der so genannte Gschliefgraben: Dieser zieht sich, auf rund 850 Metern Seehöhe beginnend, zum östlichen Ufer des Traunsees. In seinem oberen Bereich fängt der Graben jährlich tausende Kubikmeter Gestein auf, das sich bei starken Regenfällen oder durch Felsstürze vom Traunstein löst. Im November 2007  wurde der Druck der Ablagerungen so stark, dass sich die Masse auf rund 500 Metern Länge talwärts rutschte. Die Rutschung war 100 Meter breit und reichte bis zu 20 Meter in die Tiefe. Die Anrainer aus über 50 Häusern mussten evakuiert werden. „Das wichtigste war die Ableitung der Oberflächen- und Tiefenwässer aus dem betroffenen Gebiet“, schildert Michael Schiffer im Tips-Gespräch die damaligen Herausforderungen. Mit Drainagen und Oberflächenableitungen arbeitete man intensiv daran, den Druck auf das Erdreich zu vermindern.

Schwierige Situation zu Jahresbeginn

Im Jänner wurde die Lage zunehmend schwieriger, obwohl man eigentlich eine Beruhigung erhofft hatte: „Just zur Jahreswende verschärfte sich die Situation, einmal angelegte Gräben zur Wasserentsorgung mussten immer wieder aufgestochen werden. Zudem wurden tiefer liegende, ältere Gleithorizonte reaktiviert“, hieß es damals in einem aktuellen Tips-Bericht, in dem der Leiter der oö Wildbach- und Lawinenverbauung, Wolfgang Gasperl, die Erdbewegungen mit der Fahrt eines Schneepflugs verglich: In einem ähnlichen Effekt würde hier „seitlich die Erde aufgebauscht“, so der Experte, der auch beruhigte: „Angst, dass das ganze System in einem versagen könnte, besteht nicht.“  Da nicht sicher war, ob der vorhandene Schwemmkegel der Belastung standhalten würde, wurde eine Untersuchung mittels Echolot angekündigt. Gleichzeitig wurde mittels 32 kurzfristig installierten Kleinbrunnen täglich je bis zu 500 Litern Wasser aus dem Gebiet entfernt. Durch das Fällen von Bäumen versuchte man, zusätzlichen Druck abzubauen.

Stabilisierung nach monatelangem Einsatz

In den folgenden Wochen wurden und große Erdmasse abgetragen, um den Druck zu vermindern und gleichzeitig - neben den Drainagierungsarbeiten im oberen Bereich - in den tiefer gelegenen Scherflächen insgesamt rund 280 Bohrbrunnen angelegt, wie sich Michael Schiffer im Rückblick erinnert. Der Erfolg: Obwohl Orkan „Emma“ im März noch einmal für heftige Probleme sorgte, konnte der Gschliefgraben nach mehreren Monaten stabilisiert werden. „Hätten wir die Maßnahmen damals nicht gesetzt, hätte die Rutschung vermutlich den gesamten Schwemmkegel erfasst, so konnten wir die Rutschung auf jenen Bereich beschränken, der auch 1910 betroffen war“, so Schiffer rückblickend. Zu ähnlichen Ergebnissen kam auch der Gmundner Stadtgeologe Johannes Weidinger, als er 2012 in einem Artikel (zum damaligen Tips-Bericht) die gesetzten Maßnahmen analysierte. Seinen Untersuchungen zufolge wären der Traunstein und die hinter der Rutschung gelegenen Häuser in diesem Fall nur mehr auf dem Seeweg erreichbar, der instabile Schuttkegel hätte keinen Straßenneubau mehr erlaubt. Zudem hätte ein großflächiger Uferbruch Teile des Kegels mit allen Häusern darauf schlagartig in die Tiefe schieben können.

Neues Frühwarnsystem in Arbeit

Seit 2010 ist der Gschliefgraben weitgehend stabil – zumindest im unteren Bereich, denn weiter oben wird es immer Bewegung geben, wie Schiffer erklärt: „Der Gschliefgraben besteht aus drei Teilen: Oben ist immer Erosion und Bewegung. Im mittleren Teil überführen wir diese Bewegung mit Entwässerung, Ausleitung und Tiefendrainagen in eine kriechende Bewegung, damit der untere Bereich stabil bleiben kann.“

Dies wird aktuell durch ein Sicherheitssystem überprüft, das regelmäßig gewartet wird. Spätestens nächstes Jahr soll dieses durch ein Monitoring- und Frühwarnsystem ersetzt werden, das derzeit im Rahmen eines EU-Projektes entwickelt wird, so Michael Schiffer. Die geologische Bundesanstalt , die Landeswarnzentrale, die Gemeinde, die Wildbach- und Lawinenverbauung und vor Ort befindliche Ziviltechniker arbeiten daran, ein dauerhaft funktionierendes und leistbares System zu entwickeln. Dabei setzt man auch auf die Einbindung der betroffenen Bevölkerung, so Schiffer. Das neue System soll zunächst über mehrere Jahre von der „wildbach“ erprobt und später von der Gemeinde als zuständiger Sicherheitsbehörde betreut werden. „Wenn es dann auffällige Bewegungen geben sollte, werden wieder wir informiert, und setzten entsprechende Maßnahmen“, so der Experte von der Wildbach- und Lawinenverbauung.


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