Pädagogischer Leiter SOS-Kinderdorf: „Wir wollen keine Ersatzeltern sein“
ALTMÜNSTER/EBENSEE. Im Zuge des großflächigen Umbaus des SOS-Kinderdorfs Altmünster hat sich der Bedarf nach einem zusätzlichen Standort im Salzkammergut herausgestellt. Die bestehende Wohngruppe (WG) Grisu des SOS-Kinderdorfs ist nach einjähriger Bauzeit von Altmünster nach Ebensee übersiedelt. Tips traf den SOS-Kinderdorfleiter von Oberösterreich Gerhard Pohl und den pädagogischen Leiter Christian Lenzeder, um mehr über die WG und ihre Bewohner und deren Bedürfnisse zu erfahren.
In Oberösterreich werden circa 120 Kinder und Jugendliche vom SOS-Kinderdorf in verschiedenen pädagogischen Angeboten betreut. Betreute Wohngemeinschaften (WGs) für Kinder und Jugendliche sind eines dieser Angebote. Im Bezirk Gmunden gibt es eine WG in Altmünster (WG Felix) und durch den Umzug jetzt auch in Ebensee (WG Grisu). Das Aufnahmealter der Kinder ist zwischen sechs und zwölf Jahren. Die Kinder und Jugendlichen kommen aus den verschiedensten Gründen in die Kinderdorf-WGs wie zum Beispiel Überforderung der Eltern, Suchtverhalten der Eltern oder psychische Probleme in der Familie. Nach einer ersten Betreuung durch die Kinder- und Jugendhilfe und nach Durchlaufen eines mehrstufigen Prozesses kann eine Fremdunterbringung in einer WG des SOS-Kinderdorfs eine Lösung darstellen. Dabei geht es nie darum, den Eltern ihre Kinder wegzunehmen, sondern darum, eine möglichst positive Umgebung für die Kinder und Jugendlichen zu schaffen, in der sie wachsen und gedeihen können. „Es ist natürlich ein großer Einschnitt für Eltern und Kinder“, so Gerhard Pohl, SOS-Kinderdorfleiter für Oberösterreich. „Die Eltern stehen auf einmal ohne Kinder da und die Kinder ohne Eltern. Das kann schon dramatisch sein. Wenn es allerdings gut vorbereitet ist, dann ist das ein positiver Prozess.“
Bevor ein Kind in eine WG kommt, wird geprüft, ob es auch in die Gruppe passt und es kann vorab ein paar Tage „WG-Luft“ schnuppern. In der WG werden die Kinder 24 Stunden am Tag von bis zu sieben Pädagogen betreut. Zusätzliche Angebote, wie Logopädie, Ergotherapie oder psychologische Betreuung, werden je nach Bedarf zur Verfügung gestellt. Die Kinder und Jugendlichen sind in Schulen in der Umgebung integriert oder gehen bereits einer Arbeit nach.
WG Grisu in Ebensee
Durch den Umbau des SOS-Kinderdorfs Altmünster wurde die Entscheidung getroffen, mehr Platz zu schaffen und eine der WGs an einen anderen Standort zu verlagern. Der Arbeiter-Samariter-Bund Ebensee hatte zufällig ein Grundstück frei, das bebaut werden musste. Und so entstand der neue SOS-Kinderdorf Standort in der Rindbachstraße in Ebensee. Zur Zeit leben sieben Kinder im Alter von neun bis 17 Jahren in der WG Grisu. „Jedes Kind hat ein eigenes Zimmer und wir haben dann noch ein Doppelzimmer, sollte einmal ein Geschwisterpaar zu uns kommen“, erklärt der pädagogische Leiter der WG Grisu Christian Lenzeder.
Die meisten schaffen es
Die Kinder sind freiwillig in der WG. „Wir sind ja schließlich hier kein Gefängnis“, so Lenzeder. „Einen 16- oder 17-Jährigen, der gehen will, den können wir auch nicht aufhalten.“ Die Chancen, dass es die Kinder nach Ende der Betreuung im SOS-Kinderdorf schaffen, ein selbstbestimmtes, positives Leben zu führen, sind laut Pohl und Lenzeder sehr hoch: „Die meisten schaffen den Sprung in ein eigenständiges Leben, manche besser, manche weniger gut. Manchmal, aber sehr selten, geht es auch schief.“ Das SOS-Kinderdorf und seine Pädagogen sehen sich dabei als Wegbegleiter, die versuchen, die Kinder und Jugendlichen in ihren Lebensphasen mit ihren individuellen Bedürfnissen zu unterstützen, so gut es geht. „Wir wollen keine Ersatzeltern sein“, so Lenzeder. „Wir wollen, dass die Kinder Freude am Leben haben, eine positive Einstellung. Denn sie sollen erkennen, dass das Leben schön ist. Wir bemühen uns sehr, ihnen das weiterzugeben“, erklärt Gerhard Pohl abschließend.
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