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Kathrin Zettel: „Habe mir nicht alles gefallen lassen“

Leserartikel Philipp Hebenstreit, 10.11.2015 10:57

Göstling. Kathrin Zettel hat im Sommer ihre Sport-Laufbahn beendet. Im Tips-Gespräch blickt sie zurück und freut sich nun über ein weitgehend schmerzfreies Leben.

Kathrin Zettel blickte im Tips-Interview nochmals auf ihre Karriere zurück. Foto: GEPA
Kathrin Zettel blickte im Tips-Interview nochmals auf ihre Karriere zurück. Foto: GEPA

Tips: Sie haben im Juli Ihr Karriere-Ende verkündet. Wie geht es Ihnen seither?

Kathrin Zettel: Sehr gut. Meine Wehwehchen beruhigen sich immer mehr, daher war es die richtige Entscheidung.

Tips: Hauptgrund für den Rücktritt waren die gesundheitlichen Probleme. Wie schlimm ist es im Alltag?

Zettel: Bis vor einigen Wochen hatte ich noch täglich Schmerzen. Vorerst wollte ich weiter Sport machen, habe aber dann gesehen, dass es sich überhaupt nicht beruhigt. Ich habe mit den sportlichen Belastungen komplett aufgehört. Jetzt sind wir so weit, dass wir wissen, woher das Problem kommt und was man dagegen machen kann.

Tips: Wie hat sich Ihr Leben seit dem Rücktritt verändert?

Zettel: Es hat sich beruflich relativ schnell etwas ergeben. Seit Anfang September arbeite ich in Admont als Bürokauffrau. Nebenbei arbeite ich bei einem Unternehmen in Aigen im Ennstal. Dort mitzuarbeiten macht Spaß und ist eine Herausforderung.

Tips: Sind Sie also weg vom Skisport?

Zettel: So ist es. Es war für mich klar, dass ich sesshaft werde, wenn ich aufhöre. Ich bin lange genug in der Welt herumgegondelt. Jetzt wird es Zeit ruhiger zu werden.

Tips: Welchen Stellenwert hat Familie in Ihrem Leben?

Zettel: Familie war schon immer meine Kraftquelle. Ich bin gern in Göstling, werde dem hier nie den Rücken kehren.

Tips: Wie sieht es mit der Gründung einer eigenen Familie aus?

Zettel: Alles zu seiner Zeit. Jetzt möchte ich mal meine Zeit bzw. mit Kurt genießen. Und wenn es passt, werden wir in diese Richtung gehen.

Tips: Der Stress geht weiter, obwohl die aktive Karriere vorbei ist?

Zettel: Neben meiner beruflichen Zeit ist nicht viel Freizeit geblieben. Es ist ein anderer Stress, die körperlichen und mentalen Belastungen sind weniger. Das tut mir richtig gut.

Tips: Wie war es für Sie mit dem Sport erstmals richtiges Geld zu verdienen?

Zettel: Es war etwas Besonderes, weil ich eine sehr steile Karriere gehabt habe. Im Europacup bin ich gleich durchmarschiert und habe meine ersten Preisgelder eingeheimst. Gegenüber ehemaligen Schulkolleginnen war das lässig. Ich habe ein Auto gesponsert bekommen und in dem Jahr gutes Taschengeld verdient. Aber ich war immer bescheiden und habe das Geld nie beim Fenster hinausgehaut. Das war mir immer wichtig und wurde mir vom Elternhaus so mitgegeben.

Tips: Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie an Ihre Laufbahn denken? Was waren die Höhepunkte?

Zettel: Ganz klar die Medaillen bei Großereignissen. Die schönste und emotionalste war sicher die Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen in Sotschi. Aber auch die Goldene in Val d“Isere in der Superkombi und auch Silber beim Slalom in Garmisch.

Tips: Wenn Sie die Karriere noch vor sich hätten: Was würden Sie anders machen?

Zettel: Ich würde mehr auf mich schauen. Ich hatte eine Zeit, da habe ich versucht es allen anderen Recht zu machen. Das war eine absolute Katastrophe. Wenn ich Leistung bringen soll, dann brauche ich die Energie für mich selbst.

Tips: War der Druck vom ÖSV (Österreichischer Skiverband) so enorm?

Zettel: Der Druck von allen Seiten, nicht nur vom ÖSV. Auch medial ist er sehr gestiegen. Jedes Jahr sind die Erwartungen gestiegen, nur der Sieg hat gezählt. Es ist teilweise hartes Brot.

Tips: Bleibt der Mensch auf der Strecke?

Zettel: Manche haben ein stärkeres Gerüst und halten solche Belastungen besser aus. Ich war oft am Limit, daher bin ich froh, dass ich die Entscheidung so getroffen habe.

Tips: Was hat sich in all den Jahren im Frauen-Skizirkus getan?

Zettel: Meine Erinnerungen an den Einstieg in den Weltcup waren irrsinnig positiv. Die meisten Kolleginnen waren lässige Typen. Da war eine gute Atmosphäre und es gab viel Spaß. Das ist leider in den letzten Jahren immer weniger geworden. Klar, es ist ein harter Job, jeder will gewinnen. Wir sind Einzelkämpfer, aber hinter den Kulissen war es vor zehn, elf Jahren lustiger und gemütlicher.

Tips: Hängt man durch diese Entwicklung die Karriere noch leichter an den Nagel?

Zettel: Es waren trotzdem Freundschaften da. Die Kirchi (Anm.: Michaela Kirchgasser) und ich haben gemeinsam einen Servicemann gehabt, waren ein super Team und haben viel Gaudi gehabt. Das werde ich sicher vermissen.

Tips: Wie oft mussten Sie während Ihrer aktiven Zeit um Ihre eigene Meinung herumsprechen?

Zettel: Wir sind darauf hingewiesen worden, in einem Interview manchmal nicht zu sagen, was wir uns denken. Vor allem wenn das Ergebnis negativ war. Aber man hat mit der Zeit dazugelernt, dass man sich nicht alles gefallen lassen darf. Ein gewisser ORF-Reporter darf dich alles fragen, aber du sollst nichts zurücksagen. Das finde ich nicht richtig. Meine Worte waren mit Bedacht gewählt, aber alles habe ich mir nicht gefallen lassen.

Tips: Anna Fenninger hat den Sommer mit Schlagzeilen gefüllt. Wie erlebten Sie den ÖSV und Peter Schröcksnadel in Ihrer aktiven Zeit? Hatten Sie ähnliche Probleme wie Anna Fenninger?

Zettel: Ähnliche Probleme ja, aber nicht in diesem Ausmaß. Die Anna ist in einer höheren Dimension mit ihren zwei Gesamtweltcupsiegen. Klar verstehe ich es, wenn sie gewisse Sachen optimieren will, nur sind da einige Dinge schiefgelaufen. Ich weiß keine Details, aber ich denke ihr Manager hat auch nicht alles richtig gemacht und gegen den ÖSV gearbeitet. Und das ist sicher nicht gut, denn der ÖSV bietet dir wirklich viel. Ich kann mir nicht vorstellen, dass für sie alles so schlecht gelaufen ist, wenn sie zweimal Gesamtweltcupsiegerin wurde. Aber alles ist sicher nicht perfekt. Ich habe auch individuelle Teams gehabt oder eben Valentin Hobel als Manager, der ihnen gar nicht gepasst hat. Auch mit Heinrich Bergmüller dann als Kondi-Trainer. Es waren leider immer wieder ein paar Spannungsmomente da, das ist schade. Für mich ist es wichtig Führung zu haben, bei Leuten denen ich vertraue. Wenn sich der ÖSV dann querstellt und sagt „Der ist nicht super“ oder „Den brauchen wir nicht“, dann wird es schwierig. Ich soll Leistung bringen, sie sagen aber „Aber deine Leute passen uns nicht“.

Tips: Ist man nicht dennoch auf den ÖSV angewiesen?

Zettel: Keine Frage, uns geht es in sehr vielerlei Hinsicht gut. Wir sind der weltbeste Skiverband, das Niveau ist kaum vergleichbar zu den anderen. Trotzdem gibt es Knackpunkte, die nicht optimal sind.

Tips: Können Sie sich vorstellen, irgendwann beim ÖSV zu arbeiten?

Zettel: Eigentlich nicht. Sie haben sehr viel für mich getan und das hat weitgehend gepasst. Aber meine Zukunft ist in der Steiermark und wird sich vom Skiverband fernhalten.

Tips: Viele ehemalige Sportler arbeiten nach ihrer Karriere als ORF-Experte. Ist das für Sie denkbar?

Zettel: Ehrlich gesagt nicht. Aufgrund der vielen Reisen lässt sich das einfach nicht verbinden. Auf der einen Seite möchte man Familie haben, auf der zweiten Seite ist man nur unterwegs. Ich schätze mich auch nicht ein, schlüssige, gute Aussagen für die Zuschauer zu treffen.

Tips: Wie ist es Ihrer Meinung nach um den ÖSV bestellt – vor allem im Hinblick auf die vielen Rücktritte.

Zettel: Heuer war ein Bombenjahr in negativer Richtung. Es haben sehr viele aufgehört. Aber ich verstehe jeden Einzelnen. Viele, weil sie das Alter und die Erfolge haben, und manche, weil sie nie so weit gekommen sind. Und ich wegen der Gesundheit. Absolutes Verständnis von meiner Seite, denn es ist ein beinharter Job, es wird alles abverlangt. Ich denke die Jungen, die nachkommen, sind schwerst motiviert. Die Dichte im ÖSV ist zwar nicht mehr so groß wie zu meiner Zeit, aber sie haben diese Problematik vor einigen Jahren erkannt und arbeiten besser daran die Lücken zu füllen. Wenn man den Trend Skifahren generell beobachtet, nimmt er stark ab, weil sich viele das nicht mehr leisten können. Leider lernen viele Kinder nix mehr anderes als vor dem Computer zu sitzen und drinnen sein und nicht mehr aktiv Sport machen.

Tips: Skifahren wird gefühlsmäßig immer teurer. Das wirkt auch nicht gerade gegen den Trend.

Zettel: Es gibt sowieso nur mehr wenige Fanatische, die sich die Ausrüstung leisten wollen und regelmäßig auf Schnee gehen. Viele, die sagen, wir machen eine Woche Familien-Skiurlaub, leihen sich die Ausrüstung. Das ist günstiger. Das ist nicht förderlich für die Rennjugend.

Tips: Was können Sie Nachwuchssportlern mit auf den Weg geben? Wie schafft man den Durchbruch zur Weltspitze?

Zettel: Der Ehrgeiz muss groß sein und man muss viele Entbehrungen einstecken. Jedes Wochenende fortgehen oder viel zu Hause zu sein ist dann nicht mehr der Fall. Das Positive ist, man sieht viel von der Welt und lernt viele Menschen kennen. Man bewegt sich und tut sich etwas Gutes. Ich konnte meine Leidenschaft zum Beruf machen und ich würde es wieder so machen. Wichtig sind einfach die Unterstützer. Die Eltern sind ganz wichtig, vor allem als Geldgeber. Und man muss viel von A nach B fahren, um überhaupt weit zu kommen. Aber das zu erleben ist einzigartig, und wenn man die Chance hat, dann befürworte ich das immer.

Tips: Wer wird aus niederösterreichischer Sicht ihre Nachfolgerin?

Zettel: Die letzten Jahre hat sich wieder eine Kathi herauskristallisiert. Sie hat ein super Talent, ist irrsinnig ehrgeizig, fleißig und fokussiert. Katharina Gallhuber, auch eine Göstlingerin. Sie ist am besten Weg.

Tips: Vom Skiclub Göstling zeigen immer wieder Talente auf. Da dürften noch einige Gute dabei sein.

Zettel: Wir haben einen super Skiclub, die arbeiten gut. Es waren auch die Voraussetzungen mit der Sporthauptschule gut. Es kommen immer wieder gute Leute aus Göstling. Das ist sehr lässig.

Tips: Sie haben unlängst die Goldene Verdienstmedaille vom Land NÖ bekommen. Welchen Stellenwert hat diese?

Zettel: Natürlich einen großen. So eine ehrenvolle Auszeichnung mit 29 Jahren zu bekommen, können nur sehr wenige behaupten. Ich bin irrsinnig stolz darauf. Es ist so ziemlich das Größte, was man vom Land erhalten kann. Erwin Pröll beziehungsweise das Land hat mich und meinen Fanclub immer unterstützt. Dafür bin ich dankbar.

Tips: Sie kommen aus den technischen Disziplinen. Mit welchem Gefühl steht man eigentlich bei den Speed-Bewerben am Start?

Zettel: Der Respekt ist sehr groß, vor allem wenn man das nicht sehr viel trainiert. Super-G war immer eine Liebe von mir, mein bester Platz war Rang vier in Tarvis. Leider habe ich durch die gesundheitlichen Probleme zurückstecken müssen. Das war eine Einschränkung und hat mir nicht getaugt. Die letzten Jahre muss man es aufgrund der gesundheitlichen Probleme etwas anders betrachten. Dadurch, dass ich so wenig trainiert habe, war der Respekt immer riesengroß. Man hat einfach nicht das Gefühl für den Speed.


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