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„Ich habe die Hoffnung auf ein normales Leben nie aufgegeben“

Sabrina Lang, 09.06.2021 08:54

PEUERBACH. „Der Junge isst zu viel Süßes“ - das war vor 24 Jahren die gängige Diagnose auf die Beschwerden von Klemens Mühlböck. Als der heute 39-Jährige 15 Jahre alt war, änderte sich sein Leben schlagartig. Die chronische Darmerkrankung Morbus Crohn beherrscht seit dem seinen Alltag. Mit ihr folgte ein jahrelanger Krankenhaus- und Ärztemarathon. Heute kann der Peuerbacher nach einer unglaublichen Krankheitsgeschichte wieder neuen Lebensmut fassen.

Klemens Mühlböck kann heute, 24 Jahre nach seiner Erkrankung mit Morbus Crohn, wieder neuen Lebensmut fassen. (Foto: privat)

Es waren dann doch nicht die ein, zwei Schokostückchen zu viel, die der damals 15-jährige Klemens Mühlböck aß, sondern die chronische Darmerkrankung Morbus Crohn, mit der sich sein Leben verändern sollte. Zwei Jahre dauerte es bis zur endgültigen Diagnose, der zahlreiche Darmspiegelungen vorausgingen.

Erste Darm-OP mit 18

Mitten in der Lehrzeit zum Zimmerer, damals 18, lag Mühlböck das erste Mal unterm Messer. Ihm wurde das entzündete Stück großzügig entfernt. Danach hat er die Ernährung komplett umgestellt und konnte positive Erfolge mit Nahrungsergänzungsmitteln erzielen. 2003 folgte der nächste Schock: In diesem Jahr war der Peuerbacher drei Monate durchgehend im Krankenhaus. Es wurden Abszesse entfernt, eine Lungen-OP stand an, im Herz hatten sich Wassereinlagerungen gebildet und er bekam einen Seitenausgang. Zu allem Überfluss hatte sich eine Fistel im Darm gebildet, das sind Gänge vom Darm zu anderen Organen. Diese riss auf und füllte seine rechte, untere Körperhälfte mit Darminhalten. Der Hüftknochen von Mühlböck wurde angegriffen und er landete erneut im Krankenhaus, um im Alter von 22 Jahren eine neue Hüfte eingesetzt zu bekommen. Dann ging es für ihn einige Jahre bergauf. Mit seiner Freundin unternahm er einige Motorrad-Touren, die Arbeit nahm er wieder auf - es war ein „fast“ normales Leben für Mühlböck und das war auch sein Zugpferd für neuen Mut und neue Lebensfreude.

Neuer Berufsweg

Seinen erlernten Beruf als Zimmerer konnte er nicht mehr ausüben. Mit einer Umschulung zum Bautechnischen Zeichner fasst er auch in der Arbeitswelt wieder Fuß. Dann machte der Darm wieder Probleme. Es gab drei Engstellen, die operativ aufgedehnt wurden. 2017 entschloss sich der Peuerbacher erneut zu einer OP. Diese ging in die Hose. „Ich hatte Wundheilungsstörungen, konnte nicht mehr schlafen, hatte ständig Durchfall, denn mein Verdauungssystem funktionierte nicht mehr“, erzählt der 39-Jährige. Und wieder ging es für ihn ins Krankenhaus. „Ich bin um eine chirurgische Sanierung nicht herumgekommen“, erzählt Mühlböck. „Das war eine schwierige Phase für mich“. Durch die ständigen Operationen und Entfernungen beim Darm hatten sich bereits Ecken gebildet. „Naja und ein Gartenschlauch funktioniert natürlich auch nicht, wenn er abgeknickt ist“, meint der Peuerbacher.

So brüchig wie Pergament

Immer wieder wurden ihm Stücke des chronisch entzündeten Darms entfernt. 2018 folgte dann die letzte Operation. Drei Wochen verbrachte der 39-Jährige wieder im Krankenhaus. Seine Darmschleimhaut war mittlerweile so brüchig wie Pergament Papier. Zu guter Letzt nistete sich noch ein Keim in seiner Wunde ein und ließ die OP-Narbe wieder aufgehen. „Dann habe ich gesagt: Operiert wird nicht mehr“. Wenn er Essen zu sich nahm, war sein erster Weg zur Toilette. Heute lebt der Peuerbacher mit 1,20 Meter Dünndarm und 30 Zentimeter Dickdarm. Normal wären sechs Meter Dünndarm und zirka ein Meter Dickdarm.

Glaube und Hoffnung

Und es geht auch wieder bergauf. Seine nicht enden wollende Krankheitsgeschichte schlug sich unweigerlich auf seine Psyche, doch ans Aufgeben dachte Mühlböck nie. „Ich habe den Glauben und die Hoffnung auf ein normales Leben nie aufgegeben. Aber man muss auch an sich selber arbeiten, nicht nur medizinisch, sondern auch psychisch. Ich hatte trotzdem immer wieder Phasen, wo ich Einbrüche hatte, wo der Hebel ins Negative kippt. Das geht ganz schnell“. Heute fährt der 39-Jährige wieder Motorrad, geht Bergsteigen und genießt sein Leben.

Vereinsarbeit

Zusammen mit anderen Menschen mit besonderen Krankheitsgeschichten engagiert sich Mühlböck in einem Verein. Seine und die Geschichten anderer Erkrankter können unter www.chronisch.at nachgesehen werden.


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