Neue Verordnung für Tattoofarben: Tätowiererinnen sehen schwarz
PUPPING/GRIESKIRCHEN. Sobald sie einmal unter der Haut sind, sollen sie Allergien, Infektionen oder gar Krebs auslösen können – aus diesem Grund wurden sie nun verboten: Tattoofarben. Martina Lanzerstorfer vom Nadel Stadl in Grieskirchen und Doris Baumann von den Puppinger Body Artists erzählen von den Herausforderungen der neuen EU-Verordnung.
Bereits jeder vierte Österreicher ist tätowiert. Eine rote Rose, ein Herz mit Mamas Initialen oder das Wappen des Lieblingsfußballclubs: Bunte Tattoos sind beliebt – und werden in ihrer jetzigen Art künftig verboten sein. Sie enthalten Pigmente und Konservierungsmittel, die in einer europaweiten Chemikalienverordnung auf der roten Liste stehen. Was zuletzt jedoch dazu führte, dass Farben verboten wurden, sind die unbekannten Einzelsubstanzen, die eigentlich für Autolacke oder Druckerpatronen vorgesehen sind, aber ihren Weg in der chemischen Großindustrie auch in Tattoofarben finden. Welche Substanz vorhanden ist, lässt sich jedoch kaum nachprüfen.
Tätowierer sehen schwarz
Seit Beginn des Jahres gibt es daher eine europaweite Verordnung, die den Einsatz von rund 400 Farben streng limitiert. Lediglich schwarz, grau und weiß erfüllen derzeit die erforderlichen Kriterien. Zwei Pigmente werden 2023 gar komplett verboten: blau und grün, denn beide stehen im Verdacht, krebserregend zu sein. Zwei Farben, die für den Großteil bunter Tattoos gebraucht werden. Für die Tätowiererinnen Doris Baumann und Martina Lanzerstorfer kommt das Farben-Verbot zur Unzeit. Die Branche habe in der Corona-Pandemie schon viele Aufträge verloren oder aufschieben müssen und wird nun durch ein Farbverbot neuerdings auf eine harte Probe gestellt.
Kunden werden vertröstet
Bisher benutzte Baumann hochwertige Farben aus Deutschland. Durch die neue Verordnung darf sie derzeit jedoch nur mehr schwarz, weiß und grau tätowieren. In Österreich gibt es jedoch nur einen Hersteller, der konforme Schwarzpigmente herstellen kann. „Meine Kunden muss ich derzeit vertrösten, wenn sie Farbwünsche haben“, erzählt die 45-jährige Tätowiererin, die ihren Kunden im Puppinger Tattoo- und Piercingstudio „Body Artists“ seit zwei Jahrzehnten unter die Haut geht. Durststrecken in ihren Auftragsbüchern erwartet sie jedoch keine: „Wenn wir mit besseren Mitteln arbeiten, profitieren am Ende ja auch die Kunden.“
Nährboden für Illegalität
Lanzerstorfer sieht in den neuen Regelungen jedoch vor allem Nachteile: „Mit der Verordnung schaffen wir einen Nährboden für die Illegalität. Keiner weiß, wie es weitergeht oder ob und durch wen die Einhaltung der Verordnung überprüft wird.“ Ebenso befürchtet die Grieskirchner Tattookünstlerin, dass Kunden künftig ins Ausland fahren werden, um sich bunte Tätowierungen stechen zu lassen. „Schon durch den Lockdown haben wir viele Einbußen und offene Baustellen. Bunte Tattoos, mit denen wir begonnen haben, können wir nun nicht weiterverfolgen. Man fühlt sich so hilflos und hängt in der Luft. Meine ungeöffneten Farben muss ich wegwerfen“, erzählt Lanzerstorfer, die nun auch eine Farbpalette im Wert von mehr als tausend Euro entsorgen muss, da sie sich beim Verwenden strafbar machen würde. Eine Entschädigung seitens der Regierung gibt es jedoch keine. „Für mich ist das Verbot einfach nur willkürlich“, so die Inhaberin des Nadel Stadls.
Tattoos werden teurer
Beide Tätowiererinnen glauben zwar nicht durch die Verordnung künftig einen Großteil der Aufträge zu verlieren, rechnen aber mit einer Verteuerung für Kunden. „Tattoos könnten aufgrund neuer Farben nur mehr für die gehobene Klasse machbar sein. Ich kann zwar nicht in die Zukunft blicken, rechne aber mit einem Kostenanstieg für die Farben von 200 bis 300 Prozent“, sagt Lanzerstorfer.
Die Industrie protestiert
Auch wenn in Tätowiermitteln krebsauslösende Stoffe gefunden werden, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass daraus auch Krebs entsteht. Bisher fehlen noch ausgereifte toxikologische Daten. Unter „Save the pigments“ gibt es daher eine europaweite Petition mit knapp 100.000 Unterstützern. Die Initiatoren fordern eine längere Übergangsfrist für Farben. Was im Jahr 2023 passiert, wenn auch die Farben grün und blau vom Markt verschwinden, wissen beide Tätowiererinnen noch nicht. Und so bleibt ihnen nur das Warten auf ein Happy End sowie mehr Transparenz und Unterstützung seitens der Regierung.
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