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Zwei Jahre nach der Flucht: Traum von einem normalen Leben

Katharina Bocksleitner, 04.01.2024 08:00

POLLHAM. Oksana Kravchuk (41) lebt mit ihren beiden Kindern Anastasiia (18) und Maxim (12) seit fast zwei Jahren in Pollham. Die Sorgen und Bedürfnisse der Ukrainerin haben sich seit ihrer Ankunft stark verändert.

Familie Kravchuk aus der Ukraine hat sich in Pollham gut eingelebt. (Foto: Bocksleitner)
Familie Kravchuk aus der Ukraine hat sich in Pollham gut eingelebt. (Foto: Bocksleitner)

Durch den Krieg in der Ukraine war für Oksana Kravchuks Familie von einem Moment auf den anderen alles anders. Die heimatliche Wohnung, der gern ausgeübte Beruf, die Zukunftsperspektiven für die Kinder, ein gutes Leben – alles war plötzlich weg und sie standen mit nichts mehr da. Die geschiedene Oksana Kravchuk flüchtete gemeinsam mit ihren Kindern Anastasiia und Maxim sowie mit ihrer Mutter, Schwester und ihrem Neffen aus Zhytomyr in der Ukraine zuerst nach Polen, wo ihr Schwager arbeitete. Doch dort lebten sie zu sechst in einem Hostel-Zimmer und sie fand keine Arbeit. Als ihr ein ehemaliger Studienkollege, der inzwischen in Wien lebte, Hilfe anbot, entschied sich die 41-Jährige trotz aller Angst und Unsicherheiten dazu, nach Österreich weiterzuziehen. So landeten sie schließlich in Pollham bei der Familie Trattner.

Die neue Sprache erschwert die Ausbildung

Tochter Anastasiia hatte sich in der Ukraine bereits auf das Studium vorbereitet. In Österreich musste sie erneut die Schule besuchen. Während sie im Gymnasium Dachsberg den österreichischen Schulalltag auf Deutsch absolvierte, hatte sie parallel dazu auch online Unterricht auf Ukrainisch. Im Juli hat sie die ukrainische Matura in München abgeschlossen. Doch um in Linz studieren zu können, muss sie noch ein paar Berechtigungsprüfungen absolvieren. Die österreichische Matura kann sie wegen der dabei verpflichtenden Deutschprüfung nicht machen. Außerdem benötigt sie für das englischsprachige Studium einen Sprachnachweis für Englisch Level C1. Wenn die 18-Jährige das geschafft hat, kann sie an der Technisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Johannes Kepler Universität studieren. Ihr Bruder Maxim besucht seit September 2022 das Gymnasium Dachsberg. Er hat sich dort gut eingelebt und möchte auf keinen Fall von dort weg.

Die Träume einer Mutter

Als sie mit ihrer Familie nach Österreich kam, zählte für Oksana Kravchuk nur eines: sich und ihre Kinder zu ernähren. In der Ukraine hatte die 41-Jährige 17 Jahre lang als Biologie- und Chemie-Lehrerin für gehörlose Kinder gearbeitet und sich in den letzten beiden Jahren außerdem um die Schulbildungsmöglichkeiten für autistische Kinder gekümmert. Diesen Tätigkeiten konnte sie aufgrund der Sprachbarrieren in ihrer neuen Heimat nicht nachgehen. Für den Unterricht an einer Gehörlosen-Schule hätte sie die deutsche Sprache sowohl gesprochen als auch in Gebärden können müssen. Zu Beginn konnte sie sich mit ihren Mitmenschen mit Müh und Not auf Englisch verständigen. Also begann sie, als Reinigungskraft zu arbeiten. Dieser Tätigkeit geht sie derzeit im Krankenhaus in Grieskirchen nach. Inzwischen spricht sie Deutsch, aber die Möglichkeit, ihren eigentlichen Beruf auszuüben, liegt immer noch in weiter Ferne. Außer in ihren ursprünglichen Beruf zurückzukehren, hat die Ukrainerin auch noch andere Ideen für ihre Zukunft. Sie fotografiert sehr gern und macht das inzwischen auch bei den Pollhamer Veranstaltungen. Diese Tätigkeit könnte sie sich auch als Beruf vorstellen. Außerdem träumt die 41-Jährige davon, einen Spezialitätenladen mit ukrainischen Gerichten aufzumachen. In ihrer Anfangszeit in Österreich hat sie gemeinsam mit ihrer Mutter, die inzwischen bei Oksana Kravchuks Schwester in Deutschland lebt, bei einem Fest ihre ukrainischen Teigtaschen präsentiert. Da das viel Anklang fand, könnte sie sich vorstellen, den Österreichern mehr aus ihrer heimischen Küche näherzubringen. „Auch in der Ukraine gibt es solche Spezialitätenläden. Dort kann man den Köchinnen durch das Schaufenster bei der Arbeit zusehen. Das würde bei den Österreichern bestimmt auch gut ankommen. Lustig ist, dass mich das damals zu Hause nicht interessiert hätte. Ich habe nur sehr selten gekocht, aber jetzt würde mir das Spaß machen. Dazu bräuchte ich natürlich ein paar gleichgesinnte Ukrainerinnen, die mitmachen wollen“, lacht Oksana Kravchuk.

Wie die Realität aussieht

Die ukrainische Familie fühlt sich in Pollham inzwischen sehr wohl. Oksana Kravchuk hat eine Vollzeitanstellung und das Verhältnis zu den Trattners ist sehr gut. Aber wenn Tochter Anastasiia alle Prüfungen schafft und tatsächlich ab März in Linz studieren kann, wird sich die 41-Jährige wahrscheinlich eine Wohnung und einen Arbeitsplatz in Linz suchen, da die Verbindung mit den öffentlichen Verkehrsmitteln von Pollham nach Linz schwierig ist. Sie hofft, dass sie in Linz wieder in ihrem ursprünglichen Berufsfeld oder zumindest einem ähnlichen arbeiten kann. Die finanzielle Sicherheit ihrer Familie steht für sie jedoch an erster Stelle, also wird sie jede Arbeit nehmen, die das gewährleistet. Doch Familie Trattner und ihre neuen Freunde, die sie in Pollham unterstützen, würden ihr bestimmt fehlen.


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