BEZIRK HORN. Für großes Aufsehen sorgte kürzlich die Aussage von VP-Landeshauptmann Erwin Pröll bezüglich der gesetzlichen Verordnung von barrierefreien Zugängen in öffentlichen Gebäuden. Was sagen Menschen dazu, die unmittelbar von dieser Thematik betroffen sind?
Mit 1. Jänner 2006 trat das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG) in Kraft, das ganz generell in allen Lebensbereichen die Gleichstellung von Personen mit Behinderungen regelt. Dies gilt grundsätzlich auch für öffentlich zugängliche Gebäude, wobei auf Grund einer Übergangsbestimmung die Barrierefreiheit für Gebäude erst nach dem 31.12.2015 zur Gänze erreicht sein muss. Bis dahin gilt die Barrierefreiheit nur für Neubauten. Pröll bezeichnet Barrierefreiheit als „Unfug“ In einem Fernsehinterview des Senders ORF zum Thema „Verwaltungskosten der Länder“ erzürnte sich der Landeshauptmann über diese Vorgaben zur Barrierefreiheit. Originalzitat: „Barrierefreier Zugang muss in Zukunft in jedem Gasthaus, in jedem Landwirtshaus investiert werden. Ja meine Damen und Herren, (......) Wo sind wir denn? Und ich sagen Ihnen, ich habe auch den Auftrag gegeben – jetzt gerade im Zusammenhang mit den Wirten, weil“s die wirklich nicht leicht haben – ich habe den Auftrag gegeben, jetzt einmal zu überprüfen, wo wir diesen Unfug abstellen können beziehungsweise wo wir diesen Normen, die vorgegeben werden, nicht folgen müssen.“ Tips macht aufmerksam und fragt nach Claudia Glaser, Leiterin der Horner Caritas Werkstatt für Menschen mit Behinderungen zeigte sich schockiert: „Ich war wirklich entsetzt über die Aussagen unseres Landeshauptmanns. Anscheinend hat Herr Pröll noch nie etwas von der UN-Konvention gehört, die auch Österreich unterschrieben hat, und die klar besagt, dass alle Menschenrechte und Grundfreiheiten allgemein gültig und unteilbar sind. Und dass auch Menschen mit Behinderung der volle Genuss dieser Rechte und Freiheiten ohne Diskriminierung garantiert werden muss. Wie bitte soll das gehen, wenn schon ein einfacher Kino- oder Kaffeehausbesuch auf Grund der baulichen Hindernisse für einen Rollstuhlfahrer nicht möglich ist?“ Barrierefreiheit steht für Mobilität und Selbständigkeit Glaser weiter: „Eigentlich wäre noch viel mehr notwendig – zum Beispiel, dass alle Gehsteigkanten in den Stadtbereichen abgeschrägt werden, damit Menschen im Rollstuhl sich selbständig frei bewegen können. Außerdem sollte in jedem Lokal und jedem öffentlich zugänglichen Gebäude ein behindertengerechtes WC vorhanden sein.“ Zitat, Claudia Glaser: „Natürlich kostet das alles Geld, aber eine diesbezügliche Förderung vom Land wäre wenigstens sinnvoll eingesetzt.“ Auch der Horner Verein „Ich bin Ich“ nimmt klar Stellung. Die Mitglieder des Vereins setzen sich für die Wahrung der Interessen von Menschen mit besonderen Bedürfnissen im Raum Horn und Umgebung ein. Obfraustellvertreterin Maria Nagl und Andrea Schmidt (Kassierin, beauftragt für Datenschutz) konstatieren: „Sollte Landeshauptmann Pröll das wirklich so gemeint haben, können wir diese Aussage nicht verstehen. Ob jetzt jedes Wirtshaus sofort barrierefrei sein muss, darüber kann man sicher diskutieren. Gehsteige und öffentliche Ämter sollten aber unbedingt barrierefrei gestaltet werden. Selbst in Horn ist etwa die Polizei und das Vermessungsamt nur über Stiegen zu erreichen. Es wäre schön, wenn man als gehbehinderter Mensch spontan Ausflüge machen könnte, ohne lange Überlegungen und Recherchen durchführen zu müssen, ob das WC, Lokal, Museum oder Ähnliches barrierefrei ist.“ Kritik von allen Seiten Auf Landesebene kritisierten SPÖ und Grüne den Landeshauptmann und verwiesen, gemeinsam mit Behindertenorganisationen wie BIZEPS, ÖZIV oder ÖAR auf gesetzliche Bestimmungen sowie die Einhaltung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Viele Menschen brachten ihren Unmut auf diversen Online-Foren zum Ausdruck, schrieben dem Landeshauptmann Briefe oder packten das Thema besonders kreativ an: so etwa der Rollstuhlfahrer Martin Habacher mit seinem satirischen Videobeitrag auf „mabacherTV“. Stellungnahme des Landeshauptmannes Auf Nachfrage einer persönlichen Stellungnahme seitens des Landeshauptmannes erhielt die Tips-Redaktion ein offizielles Schreiben seines Büroleiters Werner Trock. Folgend ein Auszug aus dem Schreiben: „In einigen Fällen ist der Landeshauptmann damit konfrontiert worden, dass Wirte diese bevorstehenden finanziellen Aufwendungen nicht mehr in Angriff nehmen, weil ihnen das wirtschaftliche Risiko zu hoch ist. Unter diesem Eindruck hat er die Barrierefreiheit als einen Punkt von einer neunseitigen Aufstellung angesprochen. Die sicherlich sehr emotionale Aussage von Herrn Landeshauptmann hat sich auf diese Liste von Auflagen und Vorschreibungen bezogen und keineswegs auf den einzelnen Punkt der Barrierefreiheit.“ Das komplette Schreiben aus dem Büro von Landeshauptmann Pröll finden Sie unter folgendem link: http://www.tips.at/news/horn/land-leute/311445-offizielle-stellungnahme-von-landeshauptmann-proell-zu-seiner-aussage-ueber-barrierefreiheit
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