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Gastronomie im Wandel: Wer rettet die Wirtshauskultur im Bezirk Kirchdorf?

Susanne Winter, MA, 20.02.2024 19:02

BEZIRK KIRCHDORF. Immer mehr Wirtshäuser im Bezirk sperren zu und gehen als Treffpunkt verloren. Hauptgrund: Der Wirt geht in Pension und findet keinen Nachfolger. Auf der Suche sind derzeit Traditionsgasthäuser wie Rettenbacher in Kirchdorf, Schröcker in Schlierbach und Steinbichler in Molln. Warum es so schwierig ist, Nachfolger zu finden, wo es Übernehmer gibt und welche Ideen die Jungen haben? Tips hat sich umgehört.

  1 / 2   Katrin Neumair hat die Inzersdorfer Dorfstub'n vor zwei Jahren von ihren Eltern übernommen und wird noch tatkräftig von ihrem Vater Josef unterstützt. (Foto: Winter)

Die Zahl der Gastronomiebetriebe im Bezirk Kirchdorf ist gestiegen: Von 301 im Jahr 2000 auf 364 im Jahr 2023. Dazu zählen auch Catering-Betriebe, Imbiss-Stände, Bars und Cafes. Bei den traditionellen Wirtshäusern sieht es hingegen anders aus. Es gibt 40 Gasthäuser, 11 Gasthöfe und 12 Restaurants im Bezirk, also insgesamt 63 Betriebe, die regelmäßig mittags oder zumindest abends warme Speisen anbieten. „Klassische Wirtshäuser, die auch eine gesellschaftliche Funktion übernehmen, sind massiv weniger geworden“, sagt WKO-Bezirksstellenleiter Siegfried Pramhas. Die größte Dichte an klassischen Gastronomiebetrieben findet sich noch in der Pyhrn-Priel Region, allen voran Hinterstoder. Je weiter nördlich man blickt, desto rarer werden diese. In manchen Gemeinden, wie etwa Micheldorf, haben sich die Wirtshäuser innerhalb der vergangenen 15 Jahre halbiert. Die Gründe für die Schließungen sind unterschiedlich.

Finanzielle Situation oft schwierig

„Mit Corona hat eine Abwärtsspirale angefangen. Viele waren auf wirtschaftliche Hilfen angewiesen. Einen Großteil davon musste man wieder zurückzahlen, dadurch sind finanzielle Schwierigkeiten entstanden. Die Teuerung und der dadurch entstandene Kostendruck wirken sich ebenfalls aus“, erklärt Stephan Sams, Wirt im Gasthaus zum Schwarzen Grafen in Micheldorf.

Nachfolger gesucht

„Jetzt haben wir grad die Situation, dass viele Wirte altersbedingt aufhören. Natürlich ist die Betriebsnachfolge immer eine individuelle Situation. Es gibt kein Allheilmittel dafür“, weiß Stephan Sams. Zwar ist er in seinem Familienbetrieb noch nicht in dieser Situation, kennt aber die Anliegen seiner Wirte-Kollegen: „Man hofft, dass jemand aus der Familie den Betrieb übernimmt. Aber zwingen kann man niemanden.“

Franz Rettenbacher vom Stadtgasthof Rettenbacher in Kirchdorf kennt die Situation: „Es ist nicht mehr so wie früher, dass die Kinder den selben Beruf wie die Eltern erlernen. Man will das auch nicht von ihnen verlangen.“ Rettenbacher bietet derzeit eine Übergangslösung an. „Damit der Bereich nicht gleich ganz wegbricht, haben wir weiterhin für die Vereine ein offenes Ohr. Auch bei einem Begräbnis ist es wichtig, dass man nicht lange suchen muss“, ist Franz Rettenbacher auch weiterhin für die Kirchdorfer da und optimistisch: „Für einen zukünftigen Pächter, der längerfristig weitermachen möchte, ist es so auch einfacher, weil der Kundenkontakt von unserer Seite noch aufrecht ist.“

Weniger Lehrlinge und Fachkräfte

Warum ist die Nachfolger-Suche so schwierig? „Um die Qualität auf den Teller zu bringen, die der Gast erwartet, muss man die Arbeit beherrschen. Bei einem größeren Betrieb braucht man Fachkräfte“, weiß Franz Rettenbacher. Die Anzahl der Lehrlinge im Bereich der Gastro ist von insgesamt 105 Lehrlinge im Jahr 2001 auf 45 Lehrlinge im Jahr 2022 (jeweils Jahresende) gesunken. „Werden weniger Lehrlinge ausgebildet, fehlen später diese Fachkräfte“, sagt Siegfried Pramhas, aber: „Der Gastronomie-Job wird wieder interessanter. Es gibt eine Tendenz zur Rückkehr derjenigen, die sich während der Pandemie einen anderen Job gesucht haben. Sie schätzen den Kontakt zu den Gästen.“ Auch veränderte Öffnungszeiten tragen zu einer Attraktivierung des Jobs bei. Gab es früher nur einen Schließtag in der Woche, so sind heute die Vier-Tage-Woche oder das Wochenende zu schließen eine Option.

Personal durch Vier-Tage-Woche gefunden

„Eine große Hürde für heutige Nachfolger ist das Personal“, weiß Stefanie Postl vom Gasthaus Hüthmayr in Kremsmünster. 2018 im Alter von 22 Jahren hat sie das Gasthaus in Pacht genommen. Zuvor war der Betrieb ein halbes Jahr geschlossen. „Ich habe sicher zwei Monate lang überlegt und eine Pro- und Contraliste geschrieben“, erzählt die gelernte Koch-Kellnerin: „Ein Vorteil war: Ich hatte das Personal schon, bevor ich zugesagt habe.“

Seit November hat sie ihren Betrieb mit sechs Mitarbeitern, zwei davon Vollzeit, auf die Vier-Tage-Woche umgestellt und Samstag bis Dienstag geöffnet. „Wir haben deshalb auch zwei neue Mitarbeiter gefunden. Aber das muss jeder für sich selbst entscheiden“, sagt Stefanie Postl, die mittlerweile das Gasthaus Hüthmayr gekauft hat, und potentiellen Nachfolgern rät, „mit einem kleinen Betrieb anzufangen“.

Bereitschaft zur Arbeit

„Es ist schwierig, Personal zu finden, das den Beruf auch länger ausübt“, sagt Franz Rettenbacher, der in seinem Gasthof in Kirchdorf 40 Jahre lang Lehrlinge ausgebildet hat: „Alle waren sehr gut in ihrem Job, letztendlich sind aber wenige davon übrig geblieben. Sie haben sich einen Beruf gesucht, der mit der Familie einfacher zu vereinbaren war.“

Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist eine Herausforderung

Gleichzeitig Wirtin und Mutter zu sein, das kennt Katrin Neumair vom Gasthaus Dorfstub'n in Inzersdorf. 2022 hat sie den Betrieb von ihren Eltern übernommen. „Es funktioniert nur, weil bei uns die Familie immer zusammengeholfen hat. Obwohl man sich schon immer wieder Tage herausnimmt, um Zeit mit der Familie zu verbringen, kommt diese oft zu kurz“, sagt die 31-Jährige zweifache Mutter. Deshalb bleibt das Gasthaus ab Juni jedes letzte Wochenende im Monat geschlossen. Davon profitieren auch die derzeit 14 Mitarbeiter. „Wir müssen als Arbeitgeber attraktiv sein, die Work-Life-Balance wird immer wichtiger“, weiß Katrin Neumair. Sie hat die dreijährige Hotelfachschule in Bad Leonfelden besucht, ging auf Saisonen und stieg mit 26 Jahren als Köchin in den Familienbetrieb ein.

Der Betriebsurlaub in der Dorfstub'n bleibt im März und August. Mitarbeiter, die 40 Stunden angestellt sind, haben in Zukunft sechs Wochen Urlaub. „Unser ,Work-Life-Weekend' ist ein Zuckerl fürs Personal“, sagt Katrins Vater Josef Neumair, der auf die Reaktionen der Gäste gespannt ist: „Wir wollten nicht einfach zusperren, sondern eine Lösung finden, mit der wir und auch die Gäste gut leben können“.

Umdenken beim Gast

Letztendlich liegt es nicht nur am Wirt, sondern auch am Gast, ob ein Betrieb wirtschaftlich ist. „Oft fehlt das Bewusstsein, wie viel ein Wirt in einer Gemeinde Wert ist. Der Wert als Treffpunkt soll wieder mehr ins Bewusstsein bei Vereinen, Familien und der Gemeinde als Institution rücken. Aber auch andere Branchen wie Industrie- und Handwerksbetriebe brauchen den Wirt“, betont Siegfried Pramhas. „Während der Pandemie haben sich die Leute vermehrt zu Hause getroffen, bei manchen ist das geblieben“, erklärt Stephan Sams und hofft auf Verständnis bei den Gästen: „Sperrtage und Betriebsurlaube dürfen auch sein.“ Die Gastronomie wird sich weiterhin verändern. Mit dem Besuch im Wirtshaus kann jeder Gast zur Rettung der traditionellen Wirtshauskultur beitragen.


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