KLEIN-PÖCHLARN. Mitte Mai gastiert ein Humanenergetiker im Festsaal des Gemeindeamtes. Der Arbeitskreis „Gesunde Gemeinde Klein-Pöchlarn“ hat ihn zu einem Vortrag geladen. Physiotherapeuten sehen die Angebote des geladenen Energetikers kritisch.
Als „Amtliche Mitteilung“ erging in Klein-Pöchlarn an alle Haushalte eine Einladung zu einem Vortrag. „Jürgen Krackow – Begründer der Atlas-Energetik in Österreich (als Atlas wird der erste Halswirbel bezeichnet, Anm. d. Red.), lädt zu einem Vortrag ein, der Ihr Leben verändern wird“, heißt es auf dem von der Gemeinde bezahlten Flugblatt. Unumstritten scheinen dessen Therapieangebote jedenfalls nicht. Der Bundesverband der Physiotherapeuten mahnt zur Vorsicht. Auf Tips-Anfrage schreibt der Verband: „Der Bundesverband der PhysiotherapeutInnen Physio Austria ist immer wieder mit unterschiedlichen Meldungen von rechtswidrigen Angeboten befasst, welche Krankenbehandlungen durch dazu nicht berechtigte Personen beziehungsweise Berufsgruppen betreffen. So werden beispielsweise Maßnahmen mit Bezeichnungen wie Atlastherapie, Atlasenergetik oder Atlaslogie von Humanenergetiker stark beworben. Dabei soll mit vermeintlich energetischen Impulsen eine Korrektur des Atlas – das ist der oberste Halswirbel – herbeigeführt werden. Versprochen wird eine positive Wirkung zum Beispiel auf Kreuz-, Rücken- und Kopfschmerzen, Erkrankungen der inneren Organe aber auch diverse psychosomatische Beschwerden. Es ist erforderlich, Medien, Behörden und die Öffentlichkeit für die steigende Anzahl derartiger Angebote zu sensibilisieren, da hier auch eine zunehmende Zahl von geschädigten Personen zu verzeichnen ist.“
Freies Gewerbe
Humanenergetik ist in Österreich ein freies Gewerbe, eine spezielle Ausbildung, sei es etwa im medizinischen Bereich, braucht es dafür nicht – jeder kann dafür einen Gewerbeschein lösen. Krankenbehandlungen dürfen Energetiker deshalb nicht vornehmen. Der Bundesverband der Physiotherapeuten schreibt dazu weiter: „Neben der Gefährdung des gesundheitlichen Wohlergehens der Bürger und der zumeist irreführenden Informationsvermittlung, welche insbesondere bei Hilfesuchenden Unsicherheit schafft, sieht Physio Austria hier zudem die gesetzlichen Regelungen zu den Gesundheitsberufen verletzt. Derartige Angebote im Rahmen des sensiblen Bereiches der Gesundheitsversorgung und Krankenbehandlung stellen Eingriffe in die Vorbehaltstätigkeiten von Physiotherapeuten lt. MTD-Gesetz aber auch der Ärzte lt. Ärztegesetz dar. Den gesetzlich geregelten Gesundheitsberufen liegt eine umfassende Ausbildung zugrunde. Daneben existieren auch Gewerbe, die einen Gesundheitsbezug aufweisen, wie etwa die Humanenergetik. Diesen Gewerben ist die Diagnose und Behandlung von Krankheiten oder krankheitswertigen Störungen untersagt. Ihre gesetzliche Grundlage ist die Gewerbeordnung. Die Ausübung der Heilkunde ist darin nicht enthalten.“
„Haben im guten Glauben gehandelt“
Da der Atlas-Energetiker vom Arbeitskreis Gesunde Gemeinde geladen wurde, stellt die Gemeinde den Festsaal im Gemeindeamt als Veranstaltungsort und die Werbemittel zur Verfügung. Die „Gesunde Gemeinde“ ist ein Programm des Landes Niederösterreich, das in vielen Gemeinden des Bezirkes umgesetzt wird. Ziel ist es, die teilnehmenden Gemeinden bei der Durchführung von Gesundheitsförderung und Prävention zu unterstützen. Dazu werden in den Gemeinden Arbeitskreise gebildet, um sich besser zu organisieren. Mitmachen darf jeder. Ob das Therapieangebot des in Klein-Pöchlarn gastierenden Energetikers zur Gesundheitsförderung beiträgt, ist in Frage zu stellen. Herbert Wojta-Stremayr, Programmleiter der „Gesunden Gemeinde“ in Niederösterreich, meinte auf Tips-Anfrage: „Die Entscheidung wer eingeladen wird, liegt im Verantwortungsbereich der jeweiligen Gemeinden und Arbeitskreise. Wir haben hier relativ wenig Handhabe. Es gibt keine wissenschaftliche Begründung (für die Wirkung energetischer Arbeit Anm. d. Redaktion). Wenn aber in der Gemeinde der Wunsch nach so etwas da ist, werden wir nicht nein sagen. Wir bitten die Gemeinden aber, bei derartigen Angeboten aufzupassen.“ SP-Bürgermeister Johannes Weiß sah die Einladung eines Energetikers und dessen Bewerbung auf Gemeindekosten zunächst „stressbefreit“. „Es gab den Wunsch einen solchen Vortrag zu organisieren und wir als Gesunde Gemeinde bieten hier eine Plattform“. Nach Sichtung der von Physiotherapeuten geäußerten Warnungen zeigte sich Klein-Pöchlarns Bürgermeister kritischer: „Wir, die Gemeindevertreter, haben im guten Glauben gehandelt und hier zu wenig hinterfragt. Wir werden uns in der Gemeinde in Zukunft die Vorträge genauer ansehen.“ Absagen will Weiß den Vortrag aber nicht.
Kommentare sind nur für eingeloggte User verfügbar.
Jetzt anmelden