Kriminalpsychologe ist überzeugt: „Jeder kann zum Mörder werden“
KREMS. Der renommierte Kriminalpsychologe und Autor Thomas Müller war zu Gast in Krems. Bei einem Vortrag in der Stadtbücherei gab er einen Einblick in seine Arbeit mit Schwerverbrechern.
„Wer noch nie darüber nachgedacht hat, einen anderen Menschen umzubringen, ist mir suspekt“, sagt Thomas Müller. Der erfahrene Kriminalpsychologe ist davon überzeugt, dass unter widrigen Umständen jeder Mensch zum Mörder werden kann. Vom Gedanken bis zur Umsetzung sei es jedoch ein weiter Weg. „Zum Glück gehen ihn nicht viele“, erklärt Müller.
Entscheidungen eines Täters feststellen
Müllers Aufgabe ist es, Gericht und Staatsanwaltschaft darüber aufzuklären, was das Verhalten eines Täters bedeutet. „Die Kriminalpsychologie kann niemals einen Fall lösen. Sie ist immer nur ein zusätzliches Hilfsmittel“, betont der 52-jährige Tiroler. Im Zuge der Ermittlungen obliege es den Kriminalpsychologen, Entscheidungen des noch unbekannten Täters festzustellen. Denn durch diese lasse sich etwas über eine Person und ihre Bedürfnisse aussagen. Je mehr Tatorte es beispielsweise gebe, desto komplexer sei das Verbrechen und desto intelligenter der Täter.
Kriminelle als „Lehrmeister“
Müllers Aufgabe ist es daher, nach Entscheidungen des unbekannten Täters zu suchen. Dann heiße es Vergleiche mit ähnlichen Fällen zu ziehen. „Unsere Lehrmeister sitzen im Gefängnis“, informiert Müller. „Wir müssen von den Menschen lernen, die außergewöhnliche Verbrechen begangen haben“. Besonders in früheren Berufsjahren sei er daher in den Justizanstalten ein- und ausgegangen, um im persönlichen Gespräch die Denkweise von verurteilten Straftätern zu verstehen.
Krisen am Arbeitsplatz
Seit 2005 beschäftigt sich der Psychologe, der seine Berufslaufbahn als Polizist in Innsbruck begonnen hat, zunehmend mit Kriminalität am Arbeitsplatz. „Ich bin davon überzeugt, dass jeder von uns in eine Situation hineinkommen kann, wo er sagt, ich kann nicht mehr“. Entscheidend sei, wie der Einzelne mit einer solchen Krisensituation umgeht: „Manche zerbrechen an einer außergewöhnlichen Belastungssituation und andere wachsen über sich hinaus.“
Appell: Miteinander reden
Der Psychologe appelliert an die Gesellschaft, generell nicht auf die persönliche, wertschätzende Kommunikation zu verzichten: „Die elektronische Form der Kommunikation hat mittlerweile das Suchtverhalten von Heroin erreicht. Ich kenne Leute, die nicht mal mehr staubsaugen können, weil sie ständig online sein müssen“. Eine Mail oder SMS sei lediglich eine Informationsübertragung, könne jedoch niemals das persönliche Gespräch ersetzen.
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