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Ohne Maulkorb: Eytan Reif (Liste Pilz) kämpft für die Trennung von Staat und Religion

Leserartikel Martin Grob, 02.10.2017 19:00

HARDEGG. Eytan Reif hat eine erfolgreiche Karriere in der Finanzwelt aufgegeben, um in Hardegg im Waldviertel (Bezirk Hollabrunn) eine Buschenschank zu betreiben. Nun tritt der Sprecher der Initiative „Religion ist Privatsache“ als Nummer eins im Wahlkreis Waldviertel für die neu gegründete Liste Pilz an. Im Tips-Interview erzählt der in Israel geborene Neu-Politiker, warum er gegen das „Kreuz im Klassenzimmer“ ist und weshalb seine beiden Kinder keine „Zuagrasten“ mehr sind. Die mangelnde Trennung von Staat und Religion in Österreich sieht er als „Schönheitsfehler der Demokratie“. Als Kandidat der Liste Pilz freut er sich bereits auf einen neuen Stil im Parlament, sollte der Einzug in den Nationalrat am 15. Oktober tatsächlich gelingen.

Eytan Reif setzt sich seit Jahren für eine strikte Trennung von Religion und Staat ein. Foto: Initiative Religion ist Privatsache

Tips: Herr Reif, Sie sind die Nummer eins im Wahlkreis Waldviertel der Liste Pilz. Bitte erzählen Sie uns ein bisschen von sich.

Eytan Reif: Ich bin im Jahr 1971 in Israel als Sohn eines geflüchteten Wieners und einer zugewanderten Deutschen – beide Ärzte –  geboren und wuchs in einem bürgerlichen Haus auf. Im Jahr 1994 zog ich nach Wien, um Medizin zu studieren. Promoviert habe ich aber in internationaler Betriebswirtschaftslehre und später auch in Kunstgeschichte. Meine erste Bekanntschaft mit dem Waldviertel machte ich irgendwann Ende der 1990er, als ich Material für einen Bildband über die Karpfenzucht im Waldviertel sammelte. Im Jahr 2003, also drei Jahre nachdem ich die Arbeit an dem Bildband abgeschlossen hatte, kaufte ich einen alten Bauernhof in der Gemeinde Hardegg, womit das Waldviertel zu meiner Heimat wurde. Seither wohne ich am Rande des Thayatal-Nationalparks mit meiner aus Kärnten stammenden Lebensgefährtin. Unsere zwei Kinder sind wiederum keine Zuagrasten mehr.

Tips: Sie haben Ihre Karriere als Senior Investment Manager bei einer Fondsgesellschaft  aufgegeben, um Winzer und Gastronom zu werden. Warum?

Reif: Im Jahr 2000 begann ich meinen beruflichen Werdegang in der Finanzwelt als Fondsmanager. Im Laufe der Zeit habe ich zunehmend erkannt, dass ein Verbleib im Bankensektor mit meinen Wertvorstellungen langfristig nicht vereinbar sein wird. Es mangelte mir insbesondere an dem Gefühl, produktiv tätig zu sein. Im Jahr 2009 erwarb ich meinen ersten Weingarten, dem über die Jahre weitere Weingärten sowie ein Wald folgten. Im Jahr 2015 eröffnete ich eine Buschenschank und seit 2016, dem Jahr meines endgültigen Ausstieges aus der Finanzwelt, betreibe ich zusätzlich einen Gastronomiebetrieb. Den relativ schnell eingetretenen Erfolg betrachte ich nicht ohne Freude als Bestätigung dafür, dass man mit nachhaltigem Wirtschaften einerseits und kompromissloser Qualität anderseits dem „Geiz ist geil“-Teufelskreis entkommen kann.

Tips: Sie sind vielen als Sprecher des der Initiative „Religion ist Privatsache“ bekannt. Wie ist es dazu gekommen, dass Sie sich für die Entflechtung von Staat und Religion einsetzen?

Reif: Einen genauen Zeitpunkt kann ich nicht nennen. Nach der Geburt meines ersten Kindes vor zehn Jahren begann ich mich zunehmend mit Fragen der Sozialisation und Erziehung auseinanderzusetzen und musste feststellen, dass religiöse Weltanschauungen – und insbesondere katholisch geprägte – zu einem hohen Grad von der Republik gefördert werden. Je länger ich mich mit dieser Thematik befasst habe, desto mehr Facetten dieses demokratiepolitischen Mankos traten für mich in Erscheinung. Und es ist mir nach wie vor ein wichtiges Anliegen, diese „Schönheitsfehler der österreichischen Demokratie“ zu beheben.

Tips: Trotz Ihres umfassenden Engagements für die Trennung von Staat und Kirche sind Sie bisher parteipolitisch noch nicht in Erscheinung getreten. Wieso treten Sie nun für die Liste Pilz an?

Reif: Bisher hat leider keine österreichische Partei die Bereitschaft gezeigt, sich für den Laizismus ohne Wenn und Aber einzusetzen - geschweige denn, einen Konflikt mit den Religionsgemeinschaften zu riskieren. Exponierte Positionen werden nach wie vor als Bedrohung betrachtet und daher mittels einer „Parteilinie“ beziehungsweise dem „Klubzwang“ unterdrückt. Vor diesem Hintergrund konnte ich mich bislang auch für keine bestimmte Partei verpflichten. Ferner strebte ich auch immer an, möglichst viele politische Akteure für Aktionen der „Initiative Religion ist Privatsache“ zu gewinnen. Eine parteipolitische Positionierung meinerseits wäre in dieser Hinsicht nachteilig. Mit der Liste Pilz dürfte aber erstmals eine politische Kraft entstanden sein, die, infolge ihrer Unabhängigkeit und der Unabhängigkeit ihrer Kandidaten, für einen neuen Stil im Parlament steht. Als Kandidat der Liste Pilz kann ich mich auch entsprechend meiner Weltanschauung entfalten und – ohne Maulkorb – meine Ziele verfolgen. Wie dem auch sei: die Trennung von Staat und Religion genießt bei mir eine Vorrangstellung; parteipolitische Interessen werden nachgereiht.

Tips: Weshalb sind Sie für die Entfernung von religiösen Symbolen aus öffentlichen Schulen?

Reif: Das Anbringen von Kreuzen in einer öffentlichen Schule ist aus mehreren Gründen bedenklich: zum einen stellt es einen Verstoß gegen die negative Religionsfreiheit, also dem Recht, frei von religiöser Bevormundung zu leben, dar. Nichtchristliche Eltern werden nämlich gezwungen, ihr Kind „unter dem Kreuz“ erziehen beziehungsweise sozialisieren zu lassen. Eng damit verwandt ist das Recht auf eine nicht diskriminierende Behandlung seitens des Staates und dieses Recht wird sicher nicht verwirklicht durch das Anbringen des wichtigsten Symbols einer bestimmten Religionsgemeinschaft in öffentlichen Schulen.


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w.prothmann@aon.at
w.prothmann@aon.at
06.04.2019 20:27

Ethikunterricht für alle

Sehr geehrter Herr Reif, das ist ein sehr wichtiges und fortschrittliches Anliegen, für dessen Initiative wir Ihnen herzlich danken. Wir möchten Sie gern nach Kräften bei diesem Volksbegehren unterstützen. Gern schicken wir Ihnen unsere kürzlich erschienenen Kommentare (Standard, Kurier, Profil) zum Thema Trennung von Kirche(n) und Staat. Herzliche gute Wünsche, Dr. Leo & Waltraud Prothmann