Richard Wall: „Demokratie ist nicht einfach gegeben, man muss sich einmischen“
STREITH. Da ganz hinten, ganz am Ende des kleinen Ortes Streith, wo man nichts mehr vermutet außer hügelige Waldviertler Landschaft, hat er sein kleines Häuschen - Schriftsteller und Künstler Richard Wall. Ein Gespräch über die „laute“ Mühlkreisautobahn, das mühsame Handwerk des Schreibens und über unbequeme Texte.
„der bach und die sträucher die sumpfdotterblume und die blaumeise wurden in graue betonrohre versenkt: So werden wir schneller ans ziel kommen.“ (Aus: „Bau der Mühlkreisautobahn“) „Nach dem Autobahnvollanschluss ist das Leben in Engerwitzdorf unerträglich geworden. Wir haben dort Schwerverkehr Ende nie“, thematisiert Wall den Bau der Mühlkreisautobahn und die dadurch entstehende Lärmbelästigung.
Gerne erinnert er sich an ruhigere Zeiten zurück, als beispielsweise der Nachbar Anfang der 80er den Dachstuhl noch auf der Straße errichtet hätte. Der stetige Lärm - das war auch für ihn der Auslöser, sich einen zweiten, ruhigen Rückzugsort zu suchen. 2008 erwarb er gemeinsam mit seiner Frau ein Steinhaus am Fuße des Stierbergs, das er bis heute nach und nach akribisch wie auch liebevoll renoviert. Etwa ein Drittel seiner Zeit verbringt der pensionierte Hochschullehrer für Bildende Kunst hier in Streith, am liebsten schreibend oder lesend, gerne auch langlaufend oder schwimmend. “Der Stierhübelteich oder der Frauenwieserteich - das ist unsere Riviera“, lacht der 64-Jährige.
Sprachreduzierte Kindheit
Wall ist in einem bäuerlichen Milieu aufgewachsen und scheint diesem nach wie vor sehr verbunden zu sein. Bis heute schätzt er Bodenständiges, Regionales, beobachtet aufmerksam wie auch kritisch die Umgebung und ihre Entwicklung. Und obwohl sein Aufwachsen durch - so Wall - eine sehr sprachreduzierte Umgebung geprägt war, entfachte die Sprache nachhaltig seine Begeisterung.
In der Schulzeit kam er das erste Mal mit Literatur in Berührung, gerne erinnert er sich an die damaligen Buchausstellungen vor Weihnachten zurück, wo er zu seinen ersten Exemplaren kam. Noch vor dem Schreiben widmete er sich aber mit Freude und Talent der Bildenden Kunst. „Ich habe mich in meiner Hauptschulzeit schon immer mit einem Freund getroffen und gezeichnet.“
Das Gedachte auch leben
Bald aber entdeckte er, dass man künstlerisch nicht alles ausdrücken kann und wandte sich dem Schreiben zu, erste Lesungen und Veröffentlichungen von Gedichten folgten. Lyrik, Prosa oder Essays sind das Seine, dann und wann auch Reiseberichte.
Oft sind es politische, gesellschaftskritische oder sozial engagierte Texte - rund um die damals stattfindende Anti-Akw-Bewegung beispielsweise. Auch will er ein Sprachrohr für die sein, „für die eigentlich niemand spricht“, etwa für Natur und Tiere.
Die geschriebene Kursrichtung versucht er auch privat, im Alltag, umzusetzen: „Das was man denkt, sollte man versuchen zu leben, ich glaube an dem scheitert es heute vielfach. Man weiß zwar, was richtig wäre, aber man ist zu beqem und handelt nicht danach.“ Politisch möchte er sich nicht festlegen, auch wenn er sich eher als linksgerichtet beschreibt - viel wichtiger ist ihm im Sinne der Französischen Revolution „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit und auch vor allem gesellschaftliche Gerechtigkeit.“
„Ich finde, Demokratie ist nicht einfach gegeben, sondern man muss sich dauernd einmischen.“
Ausgeprägte hierarchische Verhältnisse sind ihm ein Dorn im Auge. „Zu Obrigkeiten habe ich ein gestörtes Verhältnis“, nicht zuletzt deswegen habe er immer viele Leserbriefe geschrieben. Auch mal versuchen, gegen den Strom zu schwimmen, erachtet Richard Wall als wichtig. Mischt man sich zuviel ein, werde man seiner Ansicht nach oft leider gleich als Nestbeschmutzer abgestempelt.
Mühsames Handwerk
Wall hat rund 200 Rezensionen über Bücher geschrieben und seit 1980 bereits 27 Buchpublikationen herausgebracht, die nächsten sind bereits im Entstehen. Am Ende aber ist es ein ziemlich mühsames Handwerk, müsste man davon leben, bestätigt Wall. „Man müsste Romane schreiben, um reüssieren zu können“, schmunzelt er, nur habe ihn das nie interessiert. In seinem Beruf als Lehrer nahm er sich immer wieder mal unbezahlten Urlaub, um seinen Projekten nachgehen zu können. „Deswegen habe ich jetzt auch keine anständige Pension, aber das ist mir nicht wichtig. Das Leben war mir wichtiger.“
Schon als Student hat Wall am Bau, als Briefträger oder als Dachdecker gearbeitet, um Erfahrungen zu machen, sich weiterzuentwickeln und die Welt kennenzulernen. Damit verbunden ist die Abenteuerlust, die er in sich birgt, das Interesse an Bergtouren entdeckte er im Gymnasium. Zwischen dem 15. und 25. Lebensjahr war er viel in den Bergen unterwegs, bestieg die Westalpen, das Matterhorn oder den Mont Blanc mit primitiver Ausrüstung und wenig Geld - gemäß dem Motto „was kostet die Welt“. Per Autostopp entdeckte er andere Winkel dieser Erde.
Eine Reise, die ihn nachhaltig prägen sollte, war jene nach Irland 1975. Gemeinsam mit einem Freund und einem ausgeborgten Auto machten sie sich auf und lernten fünf Wochen lang Land, Leute und Geschichte kennen. Bis heute lässt ihn die „grüne Insel“ nicht mehr los, er eignete sich die alte keltische Sprache „Gälisch“ an und ist heute noch gemeinsam mit seiner Frau regelmäßig in Irland anzutreffen.
Und auch wenn er nun nicht mehr die höchsten Gipfel erklimmt - sich weiterzuentwickeln und mal abseits der Pfade zu forschen, das ist auch heute noch sein Bestreben.
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