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Barackenlager in Haid fasste bis zu 6000 Vertriebene und Heimatlose

Thomas Lettner, 05.05.2015 20:00

Mit der Unterzeichnung der bedingungslosen Kapitulation der Deutschen Wehrmacht trat am 8. Mai der Waffenstillstand in Kraft, der den Zweiten Weltkrieg in Europa beendete. Ehemalige Barackenlager der Nazis wurden die neue Heimat für Kriegsgefangene und Vertriebene. So auch das Lager „D.P. Siedlung 121 Haid“.
 

Alte Fotografie des Hauptzugangs zum Barackenlager. Foto: Stadtgemeinde Ansfelden
  1 / 2   Alte Fotografie des Hauptzugangs zum Barackenlager. Foto: Stadtgemeinde Ansfelden
„D.P.“ steht für „displaced persons“, auf Deutsch „vertriebene Personen“. Vor dem Krieg befanden sich auf dem rund einen Quadratkilometer großen Areal nur Wiesen und Äcker. Die Bauern, denen der Grund gehörte, wurden 1938 enteignet. Es sollte eine Autobahn gebaut werden, wofür auch ein Barackenlager notwendig war. 1941 wurde schließlich mit dem Bau des Lagers im Ortsteil Haid begonnen. Dieses umfasste über 160 Baracken, in denen etwa 6000 italienische und französische Kriegsgefangene untergebracht waren. Streng bewacht von SS-Personal wurden sie großteils für den Bau der „Reichsautobahn“ eingesetzt. Im März 1942 wurde das Vorhaben auf unbestimmte Zeit eingestellt und die Kriegsgefangenen kamen nach Linz in Fabriken. Im Sommer 1943 wurden rund 500 Flüchtlinge aus dem zerbombten Ruhrpott ins Barackenlager Haid gebracht.Heimat für HeimatloseMit Ende des Krieges wurden die ehemaligen Bewacher selbst zu Insassen des Lagers Haid. Bewacht von französischen und amerikanischen Soldaten wurden tausende Wehrmachtsoldaten inhaftiert. Ihnen folgten Auswanderer aus Russland, später 3000 vertriebene Juden aus Polen. Ab Dezember 1946 kamen großteils deutschsprachige Flüchtlinge und Heimatlose aus Ländern wie Jugoslawien, Rumänien, dem Sudetenland, Polen oder der Ukraine in die verwahrlosten Baracken, in denen Wasserleitungen und Toiletten zugefroren waren und in denen nachts die Wanzen über die Insassen herfielen. Um Konflikte zwischen den Volksgruppen zu vermeiden, wurden die Baracken in Viertel eingeteilt. Das Lager, das bald als Siedlung bezeichnet wurde, unterstand der Abteilung „Amt für Umsiedlung“ der oberösterreichischen Landesregierung. Behördenangelegenheiten für die Insassen wie Meldeamt und Standesamt übernahm das Gemeindeamt Ansfelden. Ein großes Problem waren die vielen Neuzugänge, denn die Siedlung beherbergte bis zu 6000 Menschen. Schon bald aber fing die Siedlung 121 an zu blühen. Die arbeitsfähigen Bewohner fanden Arbeit als Bau- oder Hilfsarbeiter oder in Betrieben des Lagers. Mit Lebensmittelkarten konnten sie in den Geschäften der Umgebung einkaufen. Auch im Lager selbst entstanden erste Geschäfte, ein Kiosk und ein Kino. Für junge Menschen, die heirateten, gab es eine Brautkleid-Schneiderin. Auch das kulturelle Leben blühte auf. Es gab Theatervorführungen und man schwang bei Bällen das Tanzbein. Sportvereine wurden gegründet wie die Fußballmannschaft „KJ Union Haid“ im Jahr 1953. Wiedersehen nach JahrenNach etwas mehr als 20 Jahren wurde im Jahr 1964 schließlich die letzte Baracke des Lagers Haid 121 abgerissen. Neue, moderne Wohnungen und Häuser traten an seine Stelle. Viele der ehemaligen Lagerbewohner sind ins Ausland ausgewandert. Andere wiederum blieben, bezogen die neu erbauten Wohnungen in Haid oder bauten ein Eigenheim. In verschiedenen Zeitabständen fanden jedoch immer im August die sogenannten „Haider Treffen“ statt, wie beispielsweise im Jahr 1999, als sich 500 ehemalige Lagerbewohner aus den USA, Venezuela, Kanada, Holland, Deutschland und Australien in Haid nach langer Zeit wiedersahen (Quelle: Maria Weiss. D.P. Siedlung 121 Haid. Historisch-biographische Fotodokumentation. 2. Auflage. 2007).

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