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Gemeinde streicht Finanzierung für die offene Jugendarbeit in St. Marien

Laura Voggeneder, 08.01.2019 16:00

ST. MARIEN. Jahrelang wurde die Jugendarbeit in St. Marien als Vorzeigemodell gelobt. Mit 2019 stellt die Gemeinde die Finanzierung für die offene Jugendarbeit ein. Sascha Reischl, Geschäftsführer von Zukunft Jugend appelliert an die Politik, die Jugendlichen nicht ohne Betreuung dastehen zu lassen.

Das Jugendzentrum Jump am Bahnhof Nöstlbach musste geschlossen werden. Foto: Sascha Reischl
  1 / 4   Das Jugendzentrum Jump am Bahnhof Nöstlbach musste geschlossen werden. Foto: Sascha Reischl

Am 16. November wurde St. Marien vom Land OÖ zum siebten Mal als Junge Gemeinde ausgezeichnet. Ausschlaggebend war einmal mehr die offene Jugendarbeit von Zukunft Jugend rund um den St. Mariener Sascha Reischl. Bei der Preisverleihung für die Jungen Gemeinden im Linzer Landhaus war heuer kein Gemeindevertreter dabei. Der Hintergrund: St. Marien streicht mit dem Budget 2019 die Finanzierung der offenen Jugendarbeit.

Die Gemeindefinanzierung Neu, die seit Jänner 2018 gilt, bringt St. Marien in Bedrängnis. Die Gemeinde muss 25 Kriterien erfüllen, die das Land OÖ vorgibt, und dafür freiwillige Leistungen streichen: Die Unterstützung für die Badefahrten der Volksschulkinder wurde gestrichen, die Randöffnungszeiten bei der Kinderbetreuung wurden reduziert und das Budget der Gesunden Gemeinde wurde um mehr als die Hälfte reduziert. Nur so bekommt die Gemeinde 2019 Mittel aus dem Härteausgleichsfonds. Diese Strukturfondsmittel sollen die Gemeinde befähigen, ihre Infrastruktur zu erhalten, etwa das Straßennetz.

Gleiches Recht für alle

Diese Kriterien gelten für alle Gemeinden Oberösterreichs, betont der zuständige Landesrat Max Hiegelsberger in einer schriftlichen Erklärung an die Tips-Redaktion. Er betont, dass die Gemeinden die Entscheidungen zur Erreichung der Kriterien des Härteausgleichsfonds selbst treffen und nicht das Land Oberösterreich. „Dass es dabei zu Veränderungen und Einsparungen kommen kann, ist möglich“, so Hiegelsberger.

Der Budgetvoranschlag St. Mariens für 2019 wurde im Dezember ohne die Stimmen der SPÖ-Gemeindefraktion beschlossen. Das fertige Budget soll Ende Jänner im Gemeinderat verabschiedet werden.

Auf Sparflamme

In dieser Gemeinderatssitzung wird auch der Notbetrieb für die Jugendarbeit beschlossen. Mit einem Budget von 10.000 Euro will die Gemeinde die Jugendarbeit notdürftig weiterführen. Sascha Reischl soll damit mit seinem Team ein paar wenige Stunden in der Gemeinde tätig sein. Dass das ein Tropfen aus dem heißen Stein ist, sei Bürgermeister Templ bewusst. Er rechnet damit, dass Jugendliche, die sich von Vereinen nicht angesprochen fühlen, sich im öffentlichen Raum aufhalten werden. So wie vor mehr als zehn Jahren rechnet er auch jetzt damit, dass es zu Vandalismus kommt.

Bisher hat die Gemeinde rund 58.000 Euro für die offene Jugendarbeit ausgegeben. Der genaue zukünftige Vertrag mit Reischl muss noch verhandelt werden.

Das Jugendzentrum in Nöstlbach wurde bereits geräumt und ist komplett geschlossen. In Weichstetten wird der Jugendcontainer nun ehrenamtlich geführt. Im Ortsteil St. Marien wurde das Jugendzentrum ebenfalls geschlossen. Reischl ist bereit, Infrastruktur wie ein mobiles Jugendzentrum in Nöstlbach kostenlos zur Verfügung zu stellen. Im Ortsteil St. Marien soll eventuell auch ein kleines mobiles Jugendzentrum von Zukunft Jugend aufgestellt werden

Jugendliche nicht im Stich lassen

Beim Weihnachtsmarkt Anfang Dezember in St. Marien hat Zukunft Jugend ein paar hundert Euro eingenommen. Damit könne man die nötigsten Dinge für den nun ehrenamtlich geführten Jugendcontainer Weichstetten vielleicht ein paar Monate finanzieren, sagt Reischl. Er werde sich auch ehrenamtlich und über Querfinanzierungen in der Gemeinde engagieren. „Wir lassen die Jugendlichen auf jeden Fall nicht im Stich. Meine Kollegen und ich  habe noch viele offene Beratungen und laufende Betreuungen.“

2019 wäre das 13. Jahr der offenen Jugendarbeit in St. Marien gewesen. Sascha Reischl bedauert die Entwicklung: „Struktur und Image der Jugendarbeit später wieder aufzubauen, wird sehr mühsam sein. Der Einsatz von Polizei und Streetworkern wird den Steuerzahler viel teurer kommen.“

St. Mariens Bürgermeister Helmut Templ bedauert das auch, fühlt sich aber zu dem Schritt gezwungen: „Ich bin schon für Sparen, aber das ist nicht der richtige Weg.“

Die Krux der Eigenmittel

St. Marien erhält im Jahr 2019 261.385 Euro aus dem Strukturfonds. „Die Gemeinde St. Marien wurde in den letzten Jahren überdurchschnittlich gut mit Bedarfszuweisungsmitteln unterstützt und auch intensiv begleitet. Sofern die Gemeinde St. Marien die benötigten Eigenmittel nachweisen kann - dies ist ebenfalls eine Bedingung des neuen Finanzierungssystems - wird sich daran auch nichts ändern“, lässt Max Hieglsberger wissen.

Gerade bei den Eigenmitteln sieht St. Mariens Amtsdirektor Adolf Schöngruber große Probleme, wie er in der aktuellen Gemeindezeitung von Dezember 2018 erklärt. Die gesamten Ansparmittel aus dem Härteausgleichsfonds 2019 und 2020 werden in St. Marien für das neue Zeughaus der FF Weichstetten benötigt. Sonst hat St. Marien keine großen Vorhaben bis 2021 geplant. „Landeszuschüsse aus Bereichen wie Sport, Bildung, Verkehrssicherheit, etc. können nicht beantragt werden, weil die Gemeinden keine Eigenmittel nachweisen kann. Gemeindeautonomie sieht anders aus“, schreibt Schöngruber in der Gemeindezeitung.

Transparentes System

„Die Erfahrungswerte haben uns gezeigt, dass die Gemeindefinanzierung Neu gut funktioniert. St. Marien wird wie jede andere Gemeinde in Oberösterreich auch, transparent, fair und objektiv bei der Realisierung ihrer Projekte unterstützt“, sagt Hieglsberger.

Der Landesrat hebt die Transparenz des Systems hervor: Die Höhe der Unterstützung richte sich nach der Finanzkraft der Gemeinde und nicht nach dem Verhandlungsgeschick der beteiligten Personen. Die Gemeinden wissen schon bald, mit welchen Zuschüssen vom Land sie rechnen können. Das sei ein großer Vorteil des neuen Finanzierungssystems.

Hiegelsberger bittet hier im Interesse aller um Verständnis: „Finanziell aufwendige Investitionen werden weiterhin nacheinander und nicht parallel abzuwickeln sein. Die langfristige Finanzierung der Gemeinden steht bei der Gemeindefinanzierung Neu im Vordergrund.“

„St. Marien hat kein Prestigeobjekt und nimmt kaum Kommunalsteuern ein. Wir sind eine Wohngemeinde und haben zahlreiche Bewohner, die auspendeln und dort Steuern erwirtschaften. Von der Struktur her geht es ohne die Hilfe des Landes nicht“, sagt Templ.  Die Maßnahmen, die der Gemeinderat Ende Jänner beschließt, würden ins Leben einer Gemeindestruktur schneiden, kritisiert Templ. Er hofft auf das Einsehen vonseiten des Landes.


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