
OÖ/LEONDING. In Deutschland ist es bereits Realität, in Österreich wird der EU-Vorschlag noch diskutiert: Das Lieferkettengesetz soll die Sorgfaltspflichten großer Unternehmen gesetzlich verankern. Für Peter Hildebrand, Geschäftsführer des Heimtextilien-Herstellers Betten Reiter, eine Notwendigkeit, um Konsumenten eine bewusste Kaufentscheidung zu ermöglichen.
Besonders in der Textilbranche, die sich in den letzten Jahren aufgrund billigerer Produktionsbedingungen in den globalen Süden verschoben hat, ist es schwer nachzuvollziehen, woher die Baumwolle für das T-Shirt wirklich kommt und noch schwieriger, wie die globale Lieferkette dahinter aussieht. Dazu kommen noch Missstände in der Produktion, auf die mittlerweile ein Großteil der heimischen Konsumenten achten und mit ihrem Kaufverhalten entgegenwirken möchten. „Wenn wir im Supermarkt-Regal oder im Kleidergeschäft zugreifen, sehen wir nicht, wenn ein Kleinbauer in Südamerika kaum das Nötigste zum Leben erwirtschaftet, eine Textilarbeiterin in Indien unter giftigen Chemikalien leidet oder Tiere gequält werden. Es ist eine sehr gute Nachricht, dass es in naher Zukunft ein wirksames EU-Lieferkettengesetz geben soll. Die globale Wirtschaft darf nicht auf Kosten von sozialen, menschenrechtlichen und ökologischen Standards profitieren“, so Umwelt- und Klima-Landesrat Stefan Kaineder.
„Meilenstein“ für Konsumenten
Auf diese wichtigen Fragen liefern neben dem Landesrat auch Veronika Bohrn Mena, Vorsitzende der Gemeinwohlstiftung COMÚN und Sprecherin der Bürger/innen-Initiative für ein Lieferkettengesetz sowie Peter Hildebrand, Geschäftsführer von Betten Reiter, Antworten. Kaineder begrüßt den im Februar von der EU-Kommission präsentierten Vorschlag für ein EU-weites Lieferkettengesetz und spricht von einem „Meilenstein“ für Konsumenten. Von einem europaweiten Lieferkettengesetz profitieren nicht nur die Produzenten auf der ganzen Welt, sondern auch die Konsumenten sowie jene Unternehmen, die ihre Lieferketten schon jetzt überprüfen und letztendlich auch das Klima.
Der Lieferkettenatlas der Gemeinwohlstiftung COMÚN klärt über die internationale Baumwoll- und Textilindustrie auf und zeigt, worauf beim Kauf von Baumwollwaren aller Art zu achten ist. Er dient als Informationsquelle für Konsumenten, um bewusste und nachhaltige Kaufentscheidungen treffen zu können. Im Kapitel „Baumwolle“ des Lieferkettenatlas, werden der Anbau von Baumwolle und die Produktionsbedingungen in der Textilindustrie exemplarisch anhand von Länderbeispielen und der detaillierten Lieferkette der Ganzjahresdecke „Malaika“ von Betten Reiter aufbereitet.
Positive Beispiele hervorheben
Als positives Beispiel dient Kirgistan, neben Bhutan handelt es sich dabei um das zweite Land weltweit, das so konsequent auf eine flächendeckende ökologische Produktion hinarbeitet. Da der Großteil der globalen Baumwollerträge aus China und Indien stammt, wo die Baumwollindustrie zum großen Leid der Menschen vor allem durch Kinderarbeit, giftige Pestizide und Zwangsarbeit geprägt ist, werden die Zustände auf den Baumwollplantagen in diesen beiden Ländern unter die Lupe genommen.
Die Unterstützung des Lieferkettenatlas war Peter Hildebrand, Geschäftsführer des Heimtextilien-Spezialisten Betten Reiter, ein Anliegen, da er in einem starken Lieferkettengesetz eine Notwendigkeit sieht, um Konsumenten eine bewusste Kaufentscheidung zu ermöglichen. Denn Nachhaltigkeit hat viele Facetten und dazu zählen insbesondere die Herkunft und Produktionsbedingungen einer Ware. Hildebrand erklärt dazu: „Wir fühlen uns schon heute unseren Kunden verpflichtet und legen daher in Kooperation mit der Bürger/inneninitiative die Lieferkette am Beispiel der Ganzjahresdecke MALAIKA offen.“
Von Dschalalabat nach Leonding: Produktion in der hauseigenen Manufaktur
Die Anforderungen an faire Arbeitsbedingungen und Entlohnung sind bei den Partnern ebenso hoch wie in der hauseigenen Betten Reiter Manufaktur in Leonding. Dort arbeiten 15 Näherinnen, die ordentlich angestellt und sozial abgesichert sind. Jede einzelne von ihnen ist schon seit Jahrzehnten im Unternehmen tätig und ihre Arbeitsverhältnisse unterliegen einem Kollektivvertrag, der alle ihre Rechte sicherstellt. Ihre wöchentliche Arbeitszeit beträgt 38,5 Stunden, sie erhalten zusätzliche Sozialleistungen und werden mit einem höheren Gehalt entlohnt, als es der österreichische Kollektivvertrag für die Textilindustrie vorsieht. Betten Reiter beweist, dass auch in Oberösterreich nachhaltig, sozial und vor allem wirtschaftlich produziert werden kann.
Zusammenarbeit mit Fairtrade seit 2007
Betten Reiter ist der einzige Filialist in Europa, der Decken und Pölster aus 100 Prozent fair gehandelter Baumwolle exklusiv für die eigenen Geschäfte selbst herstellt. Bereits seit 2007 ist das Unternehmen Partner von FAIRTRADE – und das als erster Heimtextil-Erzeuger in Österreich. Das gesamte selbst produzierte Fairtrade Heimtextilien-Sortiment wird zu 100 Prozent aus Fairtrade zertifizierter Baumwolle hergestellt. Das FAIRTRADE Bettwaren-Angebot wird ständig erweitert und umfasst aktuell Decken, Pölster und Unterbetten. Mehr als 90.000 Stück verlassen jedes Jahr die hauseigene Manufaktur, um direkt und auf kürzestem Weg in die Filialen geliefert zu werden.
Durch den Betrieb werden am Standort nicht nur Arbeitsplätze gesichert, auch die Wertschöpfung bleibt in der Region um Leonding und stärkt damit die heimische Wirtschaft. Etwa 25 Prozent aller bei Betten Reiter verkauften Pölster und Decken stammen aus der eigenen Produktion in Leonding, der Rest kommt aus der EU.
Missstände aufzeigen
Auf einem Globus werden zudem auch internationale Konflikte, die durch die Baumwollproduktion entstehen, zur besseren Orientierung aufbereitet. Schließlich werden anhand der mitunter menschenunwürdigen Produktionsbedingungen in Großbritannien und Rumänien aktuelle Trends und Verschiebungen in den Lieferketten der internationalen Textilindustrie behandelt, die zeigen, warum es so wichtig ist, dass die heimische Produktion von Textilwaren wieder gestärkt wird. Abrufbar ist der digitale Atlas unter www.lieferkettenatlas.com.