Dietmar Kerschbaum: "Mein Start in Linz war keine schöne Zeit"
Linz. Mehr Bruckner, mehr Europa und mehr Qualität, eine Öffnung des Hauses und eine Belebung der Donaulände will Dietmar Kerschbaum, der neue künstlerische Leiter des Brucknerhauses, erreichen. Für Tips blickte der 47-jährige Burgenländer aber auch auf seine eigene Karriere als international gefeierter Tenor zurück und erzählt, warum er Linz der Welt vorzieht und was er auch persönlich von seinen nicht gerade einfachen Anfängen im neuen Amt gelernt hat.
Tips: Sie waren international erfolgreich als Tenor unterwegs, warum haben Sie sich fürs Linzer Brucknerhaus entschieden?
Kerschbaum: Ich bin ein Österreicher und egal wo ich war, ich hatte Heimweh. Ich war fast ein Jahr lang in New York mit Produktionen beschäftigt. Ich hätte mich bewusst dort niederlassen können, es gab ein konkretes Angebot, auch für Paris. Ich habe das immer abgelehnt. Ich konnte es nicht, ich liebe mein Land. Immer nach einer gewissen Zeit wusste ich, dass ich nach Hause muss. Natürlich ist auch die Familie ein ganz wichtiger Punkt, der mich nach Hause zieht. Ich habe zwei Töchter im Alter von 8 und 12 Jahren. Irgendwann habe ich mir nur mehr Hans Moser Filme angeschaut und einen Wein dazu getrunken, dann habe ich die Berge wieder gesehen, dann wusste ich, ich muss kündigen (lacht). Heute blicke ich völlig zufrieden von meiner Terrasse aus auf den Pöstlingberg, das ist mein neuer Kraftort, hier tanke ich auf.
Tips: Sie standen selbst auf den weltweit größten Bühnen, vermissen Sie diese nicht?
Kerschbaum: Die Bühne ist jetzt für mich mein Brucknerhaus. Ehrlicherweise muss ich aber sagen, ich überlege schon, ob ich nicht später einmal im Brucknerhaus auftrete, wo sonst (lacht). Aber das muss mit Bedacht sein. Zuerst ist die Arbeit in der Programmatik und Umstrukturierung zu erledigen. In eineinhalb oder zwei Jahren gibt es dann sicher hier einen Auftritt des Kerschbaum im Brucknerhaus. Vielleicht ein Zyklus, ein Themenabend mit Musik und Texten und unbedingt mit Einbindung des Publikums. Da freu ich mich wahnsinnig darauf.
Tips: Was nehmen Sie mit aus Ihrer aktiven Bühnenzeit?
Kerschbaum: Ich habe 1800 Vorstellungen gemacht, über 100 Partien gesungen. Von der Metropolitan Opera in New York bis Tokio war ich weltweit unterwegs und habe im Jahr meine 100 Abende gehabt. Bevor ich mich hier beworben habe, wusste ich, ich habe in meinem Leben so viel erreicht, dass ich jetzt die Möglichkeit habe all meine Erfahrungen und all diese Netzwerke und Freundschaften, die in den 25 Jahren entstanden sind, in meine neue Rolle einfließen zu lassen. Ich spürte, dass es an der Zeit ist, etwas zu verändern. Ich fühlte mich zu etwas anderem berufen und ich kann rückblickend mit Stolz sagen, dass ich auf allen großen Opernbühnen der Welt gesungen habe.
Tips: Wie unterscheiden Sie sich inhaltlich von Ihrem Brucknerhaus-Vorgänger?
Kerschbaum: Wir wollen die Internationalität zeigen und eine Flexibilität Richtung Europa. Das ist einer der zentralen Unterschiede zu meinem Vorgänger. Ich zeige, was in Europa passiert, was aktuell in Paris gut ankommt, was in Wien, in der Elbphilharmonie geboten wird. Und ich möchte in den Brucknerfesten zurück kommen zu den Wurzeln und Bruckner in den Fokus stellen.
Tips: Wie soll das geschehen?
Kerschbaum: Nicht nur Bruckner wird gespielt, sondern auch alles, was ihn beeinflusst hat. Und womit er sich befasst hat und wir wollen auch zeigen, wer er selbst war. Wolfgang Böck wird Bruckner seine Stimme leihen, er wird seine Briefe lesen. Vielleicht ist es von mir vermessen, aber ich will Bruckner ermessen. Ich möchte der Welt zeigen, wie er wirklich war. Wir sollen wieder stolz sein können auf das Brucknerhaus, es hat diesen Stellenwert verdient. Und: Ich will die Donaulände beleben – für mich hat sie Urlaubsfeeling und ist Medizin gleichermaßen. Ich will auch die jungen Menschen wieder ins Brucknerhaus holen. Formate wie die „Bruckner Beats“ sind gerade in der Ausarbeitung, gemeinsam mit der JKU – Themen, die Bruckner betreffen, sollen mit DJs und Konzertcharakter aufgearbeitet werden.
Tips: Ihr Anfang in Linz war kein leichter, es gab starke kritische Berichterstattungen zu Ihrer Person und Ihrem Führungsstil. Wie ging es Ihnen dabei?
Kerschbaum: Es waren nicht so schöne Zeiten, ich habe es nicht verstanden, warum das passiert. Ich bin ganz anders, als ich dargestellt wurde. Ich bin ein Herzensmensch und ich nehme mir vieles zu Herzen. So etwas schmerzt mich und es kränkt mich. Aber ich habe durchgehalten. Wahrscheinlich gibt es unglaublich viele Neider in so einer Position. In diesen Situationen lernt man vieles dazu. Ich war noch nie in meinem ganzen Leben mit so etwas konfrontiert. Man sollte einfach mit Gerüchten erstmal die Person selbst ansprechen, bevor man diese veröffentlicht. Vielleicht muss man manchmal auch selbst etwas vorsichtiger sein. Ich denke, wir haben aber alles überwunden. Ich denke, heute kann sich niemand mehr beschweren. Alle Punkte, die ich angesprochen habe, wurden positiv von mir umgesetzt: Es ist ein Brucknerfest da, es ist ein Zustrom der Personen da und ich habe meine Erfüllung mit meinem Sponsoring gemacht. Jetzt heißt es die Wertschätzung ausbauen und den Öffentlichkeitsauftritt in der Stadt ausbauen. Die Leute sollen wissen, wer Bruckner war.
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