"Das stille Vergnügen": Nordico schafft Denkräume zur Sammlung Justus Schmidt
LINZ. Meisterzeichnungen aus der „Sammlung S“ zeigt das Linzer Stadtmuseum Nordico in der neuen Ausstellung „Das stille Vergnügen“. Die wertvolle Sammlung beinhaltet unter anderem Zeichnungen von Rubens über Gauguin bis Klimt. Neben den Arbeiten selbst thematisiert die Ausstellung vor allem Schmidts Regimetreue zur NS-Zeit.
1971 bekam das Nordico einen Koffer mit fast 700 Grafiken - die private Sammlung des bedeutenden Kunsthistorikers Justus Schmidt – geschenkt. Wertvolle Zeichnungen von Rubens, Gauguin, Toulouse-Lautrec, Klimt, Kokoschka und vielen anderen Künstlern finden sich in seiner Sammlung.
Belastete Werke
Schmidt war während der NS-Zeit ein hoher Beamter der Gauverwaltung. Er war Abteilungsleiter im Gaumusuem (OÖ. Landesmuseum) und Kulturbeauftragter des Gaus Oberdonau. Schmidt war unmittelbar an der Anschaffung und Verwaltung von „arisierter“ und enteigneter Kunst beteiligt.
Ab den 80er-Jahren haben Nordico und die Wiener Albertina die Sammlung aufgearbeitet und erforscht. Im Rahmen der Provenienzforschung wurde bisher eine Rückgabe verzeichnet: Eine dem Künstler Jan Weenix zugeschriebene Zeichnung aus dem Jahr 1679.
Sammlung wird durch Fotografien kommentiert
In der Ausstellung zu sehen sind rund 180 Zeichnungen sowie 500 Fotografien, die in fünf Räumen chronologisch gezeigt werden, vom 16. bis ins 20. Jahrhundert. Die Ausstellungsarchitektur wurde dabei sehr reduziert und sachlich gehalten. Nur wenige Werke zieren die Wände, der Großteil liegt in Grafikschränken bereit. Jedes gezeigte Bild aus der Sammlung Schmidts wird dabei von einem Dokument oder Foto begleitet, das den Zeitraum des „Anschlusses“ Österreichs umfasst und die Arbeiten kommentieren und in Verbindung setzen.
„Selbst Denkfelder eröffnen“
„Diese Gestaltung lädt ein, selbst zu entdecken und sich ein eigenes Bild über die Werke und die Geschichte zu machen, die Schau soll zur kritischen Betrachtung unserer Vergangenheit dienen“, lädt Kulturstadträtin Doris Lang-Mayerhofer ein.
„Die meisten Werke sind 'versteckt', der Besucher geht auf Entdeckungsreise, die Gestaltung bietet die Freiheit, selbst Denkfelder zu eröffnen“, erklärt auch Ausstellungsgestalter Simon Wachsmuth. Er hat als Medien- und Konzeptkünstler auch eine fast unheimliche Audioinstallation zur Ausstellung geschaffen, die durch die Räume hallt. Die Installation drücke die Frage aus: „War er ein Nazi oder nicht“, der Besucher solle das selbst beantworten.
„Schmidt als Person war komplex, er war involviert und belastet, man kann ihn aber nicht klassifizieren“, so Kuratorin Brigitte Reutner. „Es stellt sich in der Ausstellung die Frage: Wer war Justus Schmidt? Er war verdienstvoll in der Kultur der Stadt Linz, aber er hätte im 2. Weltkrieg einen anderen Weg einschlagen, sich distanzieren können“.
Ebenso beteiligt an der Schau war Künstlerin Maria Bussmann, die zu einzelnen Motiven der Sammlung kommentierende Arbeiten geschaffen hat.
Ding- und Denkarchiv
Teil der Ausstellung und Kunstvermittlung ist das „Ding- & Denkarchiv“, dass den Besucher ebenfalls einlädt, Fragen zu stellen und sich Gedanken zu machen. Beim Format „Wir öffnen die Box“ an fünf Donnerstagen werden Gäste und Teilnehmer gemeinsam über diese Fragen und Gedanken sprechen.
Der vorläufig letzte Stand der Forschung zu Justus Schmidt wird in der zur Ausstellung erschienen Katalogpublikation präsentiert.
„Diese Ausstellung eröffnet einen wichtigen Reigen der Linzer Museen, in der wir uns mit den eigenen Sammlungen beschäftigten“, so Nordico-Leiterin Andrea Bina. So wird am 4. Oktober im Lentos Kunstmuseum die Ausstellung „Wolfgang Gurlitt. Zauberprinz“ eröffnet.
Zum Besuch beider Ausstellungen gibt es ein Kompletticket.
Podiumsdiskussion
Am Sonntag, 22. September, 11 Uhr findet im Nordico das Podiumsgespräch „Wer war Justus Schmidt?“ statt, Experten sprechen über den Sammler und Kunsthistoriker.
Zu sehen ist die Ausstellung bis 5. Jänner 2020.
Alle Infos zur Ausstellung und Termine: www.nordico.at
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