Annett Louisan: "Nach Tiefs kommen wieder Hochs, die machen einen stärker. Das ist die Mathematik des Lebens"

Tips: Für dich gabs, hochschwanger beim letzten Brucknerhaus-Konzert keinen „Prosecco“, wie sieht das dieses Jahr aus, feierst du wieder?

Annett Louisan: Wenn ich mir die Tourroute anschaue, habe ich schon meiner Band angekündigt, dass ich Pausen einlegen werde, weil meine Tochter ist mit dabei, ich muss relativ früh wieder fit sein, ich kann ja am nächsten Tag nicht bis 1 in der Koje liegen. Aber ich lass es mir nicht nehmen, wenn mal ein Konzert außergewöhnlich schön war und das euphorische Gefühl anhält, dann werde ich schon wieder einmal mit anstoßen. Das war übrigens eine ganz besondere Tournee. Trotz der Schwangerschafts-Strapazen haben mir diese Auftritt mit der kleinen im Bauch als Künstlerin, als Sängerin, als Mensch unheimlich viel gebracht und ich hab eine Ruhe verspürt, die ich vielleicht vorher nicht hatte. 

Tips: Du bringts zum Konzert am 3. April im Brucknerhaus dein neues Doppelalbum „Kleine Grosse Liebe“ mit...

Annett Louisan: ...und ich brenne schon darauf, die Lieder auf die Bühne zu bringen. Es sind zwei unterschiedliche, musikalische Hälften Einerseits mache ich damit die Chansonwelt auf, andererseits wird es aber auch wieder poppiger, am Ende ist alles vereint. Ich bringe natürlich auch die Klassiker mit. Aber ich konzentriere mich schon auf die „Kleine, Große Liebe“, dass sind die neuen Herausforderungen hab. Ich hab eine ganz wunderbare Band mit in Linz. In so einem Tourblock gibt es immer Veränderungen, kein Abend ist wie der andere. Wenn ich Lust habe an einem Abend einmal etwas anderes zu spielen, dann mach ich das, da bin ich nicht so festgefahren. Natürlich geht es um Musik, um die Lieder, um die Geschichten. Es ist auch wirklich egal wo ich bin, wenn das Licht aus ist, dann bin ich dran, dann möchte ich die Leute berühren. Das österreichische Publikum liebe ich übrigens ganz besonders, ihr seid hier ganz als in Deutschland und ich fühle mich bei euch immer sehr glücklich.

Tips: Das neue Album klingt gereift, auch erwachsener...

Annett Louisan: Ich habe so viel dazu gelernt über mein Publikum und über mich. Das denke ich steckt da drin, auch Lebenserfahrung. Aber ich habe auch das Gefühl, dass „Kleine Grosse Liebe“ mit meinem ersten Album verwandt ist. Damals lag in der Leichtigkeit die Kunst, ganz viel Bauchgefühl.

Tips: Du erzählst im neuen Album auch viel von dir, es klingt autobiografischer...

Annett Louisan: Die Mutterliebe ist eine kreative Macht gewesen, die mich beeinflusst hat. Aber eigentlich geht es um die vielen verschiedenen Arten von Liebe, auch die Selbstliebe, die auch für die Mutterliebe so wichtig ist. Wie gehe ich mit Fehlern um, mit Rückschlägen, all das sind die Themen. Ich denke, dass mir das Album am nächsten kommt. Ich bin mit 40, zum ersten Mal Mutter geworden. Die Frage was hab ich die letzten 20 Jahre gemacht, und wo will ich in den nächsten 20 Jahren hin.

Tips: Wie geht es dir als im Berufsleben zurückgekehrte Mutter?

Annett Louisan: Ich arbeite erst wieder seit einem halben Jahr. Seit damals geht meine Tochter in die Kita. Ich spüre die Zerrissenheit, mittlerweile ein bisschen weniger. Ich finde aber auch, dass darf jede Frau für sich entscheiden. Zu einem anderen Zeitpunkt in meinem Leben hätte ich vielleicht viel schneller wieder das Bedürfnis gehabt zu arbeiten, das finde ich auch bei jemand anderem in Ordnung. Aber an diesem Punkt in meinem Leben habe ich diese Symbiose, das nur Muttersein so genossen. Das fiel mir am Anfang schon sehr schwer, wieder auf die Bühne zu gehen und uneitel sein zu müssen. Ich war wirklich froh, saubere Klamotten anziehen zu können, und wenn ich an das Schlafdefizit denke, du meine Güte. Aber ich peppel mich gerade langsam auf, ich finde Wege mit Stress umzugehen das tut mir gut. Bestimmte Dinge sind total wichtig. Ich war noch nie so beansprucht wie jetzt. Es ging immer nur alles nur um mich, und jetzt kommt so viel mehr dazu. Ich muss zwangsweise viel viel besser auf mich aufpassen, aber ich bin auf einem guten Weg. Und wenn es nur um Vitaminpräparate geht. (lacht)

Tips: Wie schaffst du es nebenbei auch noch eine glückliche Beziehung zu leben?

Annett Louisan: Mein Mann und ich sind jetzt 5 Jahre verheiratet, kennen uns 10 Jahre. Ich hoffe wir feiern das hoffentlich auch bald mal wieder. Wir sind da so Pappnasen und vergessen auf den Hochzeitstag. Aber wir können mit sehr viel Humor durch diese Stressphasen gehen,  momentan haben wir wirklich nicht viel Zeit für einander, aber man muss trotzdem ein Auge darauf haben, sonst verliert man sich. Ich bin da total glücklich,dass er der Vater meiner Tochter ist.

Tips: Berührend ist der neue Song „Die schönsten Wege sind aus Holz“ - Könnte man zusammenfassen, egal welche Enttäuschungen man erlebt, sie bringen einen weiter?

Annett Louisan: Genauso ist es. Auch wenn es sich im Moment nicht so anfühlt, aber das Wissen, dass nach schwierigen Phasen, es immer wieder Hochs gibt, das ist die Mathematik des Lebens. Die ganze Scheiße, die in meinem Leben passiert ist, hat mich in meiner Stärke unterstützt. Und mich haben solche Phasen, auch wenn sie total schlimm waren - auch Trennungen, die sind ja wie so kleine Todesfälle - die haben mich stärker gemacht, haben sie mich wirklich.

Tips: Mit „ich will doch nur spielen“ hat alles begonnen...

Annett Louisan: Und auch wenn man nur diese Zeile nimmt und in einem anderen Kontext interpretiert, würde ich sagen, dass Spielen unfassbar wichtig ist im Leben. Und das einzige was mich am Älterwerden manchmal ein bisschen fertig macht, kann ich ganz ehrlich sagen: Sind nicht die Falten, die Figur, es ist die Unbeschwertheit die weniger wird, das belastet mich manchmal. Spielerisch durch den Tag zu gehen, das wünsche ich mich manchmal mehr. Drum ist das Spielen so wichtig, auch im Beruf. Ich versuche einfach Spass zu haben. In der Fotosession, und manchmal auch, so wie jetzt im Interview mit dir. Wenn man sich nahe kommt, versucht auszutauschen, das ist unheimlich wichtig. 

Tips: Die Kinder holen einen zum Glück immer wieder zurück in diese Welt der Unbeschwertheit...

Annett Louisan: Genau, das ist der schöne Lauf der Natur, dass man die zweiten, ersten Male der Kinder mitbekommt, auch die Bücher und die Kinderlieder wieder entdeckt.

Tips: Hast du darüber nachgedacht, Kinderlieder aufzunehmen?

Annett Louisan: Darüber denke ich ganz ernsthaft nach, seit ich Mutter bin. Es gibt so viele Ideen, es wäre spannende eine eigene Figur, eine eigene Welt zu kreiieren, dafür braucht man Zeit und Muße, und das muss auch gut werden. Aber vielleicht fange ich einfach einmal an meine liebsten Kinderlieder heraus zu suchen, orchestral und auf besondere Art und Weise aufzunehmen. Das wäre der erste Schritt der für mich in Zukunft machbar wäre.