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Sabine Stieger bringt die "Magie des Non-Bullshits" ins Musiktheater Linz

Karin Seyringer, 25.02.2020 15:43

LINZ. Sabine Stieger gibt mit ihrem neuen Album „I“ besonders intime Einblicke in ihr Leben. Am Mittwoch, 18. März, 20 Uhr, feiert sie damit im Musiktheater Oberösterreich-Premiere, ein Heimspiel. Tips hat sich mit der vielseitigen Musikerin getroffen.

Sabine Stieger "lässt die Hosen runter", mit neuem Album und Konzert in Linz. Foto: Aaron Jiang
  1 / 3   Sabine Stieger "lässt die Hosen runter", mit neuem Album und Konzert in Linz. Foto: Aaron Jiang

Tips: Du warst bisher in vielen Genres unterwegs – die Global Kryner, englischsprachig als Samy Jones, jetzt als Sabine Stieger der sogenannte Austro Chanson …

Stieger: Genau, man braucht ja immer eine Schublade (lacht). Den Begriff hab ich mir selbst ausgedacht, 2014 ist der erste Song, 2015 das erste Album mit meinen Dialektsachen rausgekommen. Das Jahr davor habe ich das entwickelt, da habe ich in Hamburg gelebt und dort im Dialekt zu schreiben begonnen. Das kann man sich jetzt, fünf Jahre später, gar nicht mehr vorstellen, weil es total ungewöhnlich war, als Frau Dialekt zu singen. Da hat es bis auf die Birgit Denk, oder Marianne Mendt, Maria Bill – die quasi schon zum musikalischen Tafelsilber gehören –  kaum Frauen gegeben, die das im Dialekt gemacht haben. Frau und Dialekt – ich habe wirklich damals viele Fragezeichen gekriegt. Es ist kein Pop, ich habe mich beim Schreiben ganz stark von französischen Songwritern inspirieren lassen, und den österreichischen Dialekt - um Dinge auszudrücken, die man im Hochdeutsch so nicht sagen könnte. Ich bin mit der Schublade sehr zufrieden.

Tips: Du fühlst dich angekommen, bei dem was du jetzt machst?

Stieger: Ich fühle mich im Moment mit dem aktuellen Album total angekommen. Das hat ganz lange in mir gebrütet. Ich habe gewusst es ist total unkommerziell und total unaufgeregt. Ein Album nur mit Klavier und Stimme – das ist jetzt nichts wo die Leute sagen: „Wow, that's new“, aber das ist mir egal, ich bin kein Newcomer. Ich habe schon eine lange Geschichte hinter mir. Im Dialekt, in der Musik und in dem, was ich momentan alles mache, bin ich sehr angekommen, ja.

Tips: Mit Deinem neuen Album „I“ gibst du sehr intime Einblicke ...

Stieger: Ja, da ist schon wirklich weit reingegraben worden. Ich war schnell an dem Punkt das ich mir überlegt habe – das ist mein zwölftes Album – was bin ich mir schuldig? Und so gibt es wirklich eine Themenbreite von „ich kann mich manchmal selbst nicht aufraffen, weil ich so grantig bin“ bis hin zum schlimmsten Moment meines Lebens, als meine Mutter gestorben ist. Es geht um den Moment des Loslassens und des Gehens, es geht um das ins Nichts fallen, wenn man trauert, es geht darum, dass ich ganz viele Jahre mit Essstörung gekämpft habe, sich immer am anderen messen und im Grunde das 'nicht bei sich zu sein'. Und natürlich, der Titel des Albums sagt ja auch schon 'I'. Es ist wirklich eine Innenansicht und ich habe mich natürlich gefragt - interessiert das jemanden, ist das extrem narzisstisch? (lacht) Es geht eigentlich die ganze Zeit um Liebe - auch ein wenig um das klassische Beziehungsthema, da ich aber in diesem Bereich total segle und glücklich bin und das ganze Drama gerade bei mir nicht akut ist (lacht), sind andere Themen auf diesem Album stärker. Deswegen bin ich auch total froh und war neugierig, wie es dann rausgekommen ist, welche Reaktionen auf die stärksten Themen kommen. Bei der Premiere in Wien gab es Momente, wo kollektiv der ganz Raum den Kampf gegen die Tränen verloren hat (lacht). Das ist die Magie des Non-Bullshits, wenn du die Hosen runterlässt. Ich mache mein Herz auf, ich lasse alle rein schauen. Das ist es, was ich mir erhofft habe von dem Album: Das es relevant ist. Unser Anspruch war, nur Songs zu schreiben, wo wir Gänsehaut spüren, weinen oder einen Lachkrampf kriegen. Es geht eigentlich die ganze Zeit um Liebe, auch ein wenig um das klassische Beziehungsthema, da ich aber in diesem Bereich total segle und glücklich bin und das ganze Drama gerade bei mir nicht akut ist (lacht und klopft auf Tisch), sind andere Themen auf diesem Album stärker.

Tips: Und wegen dieser starken Themen wirst du dich bewusst entschieden haben: Nur Stimme, nur Klavier?

Stieger: Genau, es ist ein Miteinander entstanden. Es gibt beim recorden von Alben wahnsinnig viel technischen Aufwand, irgendwann am Schluss singst du nochmal drüber. Ich hatte immer wieder das Gefühl, das sind die Lieder, die ich geschrieben habe, aber ich war gar nicht dabei, wenn die Musik passiert. Ich – und auch mein Duettpartner Willi Resetartis haben das so definiert: Musik macht man miteinander. Und so haben wir das gemacht – und weil wir es auf die Spitze getrieben haben, haben wir den Ton und das Video alles gleichzeitig in einem Raum zur selben Zeit aufgenommen. Eine Momentaufnahme von vier Minuten. Wir hatten mit Steinway einen tollen Partner – für mich war da einfach dieses Gefühl, dabei zu sein, wenn die Musik passiert. Das Projekt hat ja zwei Jahre gedauert in der Vorbereitung – aufgenommen war es in zwei Tagen. (lacht)

Tips: Willi Resetarits – wie es es dazu gekommen?

Stieger: Ich habe ihn schlicht und ergreifend gefragt (lacht). Wenn ich etwas gelernt habe bei diesem Projekt ist es: wenn du etwas willst, frage einfach. Unsere Wege haben sich schon hin und wieder mal gekreuzt, mein Vater ist ein riesen Ostbahn Kurti-Fan, und ich bin mit seiner Stimme aufgewachsen. Willy ist ein Herz von einem Musiker und Menschen. Ich war so selig, weil das so ein inniger Moment der Musik war.

Tips: Am 18. März gibt“s die Oberösterreich-Premiere von „I“ ...

Stieger: Für mich natürlich etwas Besonders. Erstens mag ich das Musiktheater sehr gerne, zweitens ist es für mich ein Heimspiel. Ich bin hier in die Schule gegangen, habe hier studiert, ein Teil meiner Familie, viele Freunde wohnen hier. Es ist kein trauriger Abend, es ist ein kollektives Lachen und kollektives Fühlen. Wir spielen alle Lieder vom Album und auch für Klavier und Stimme adaptierte Stieger-Songs. Dazwischen gibt's Schwanks von der Stiegerin, vom Leben auf der Putenfarm in Ernsthofen bis hin zu den großen Themen.

Tips: Bist Du in Linz, beim „Heimspiel“ nervöser?

Stieger: Es ist schon etwas anderes, als irgendwo zu sein, man schaut in viele bekannte Gesichter. Sagen wir mal so: Die der Premiere von 'I' in Wien war es das erste Mal überhaupt, dass ich wirklich nervös war, glaube ich, in meinem ganzen Leben. Weil ich nicht gewusst, ob ich gewissen Songs stemmen werde. Im geschützten Rahmen der Aufnahmen und bei den Proben hab ich ständig geweint. Man kann zusammenfassend sagen: Das ganz Album bis hin auf die Bühne zu bringen – und in Linz wird es wieder spannend – ist eine Selbstherausforderung an mich künstlerisch und emotional. Die Sachen sind auch gesanglich sehr anspruchsvoll. Da war schon ein wenig Ehrgeiz von mir dahinter. Auch um für mich einfach den nächsten Step als Künstlerin zu machen. Das bestärkt mich jetzt auch nochmal darin, warum ich das schon so lange mache und ich schon zum alten Eisen gehöre (lacht). Außerdem möchte ich den vielen jungen Künstlerinnen zeigen, dass es als Künstlerin ein Leben nach 20, ein Leben nach jung und sexy und ein Leben nach Newcomer gibt. Dass man erwachsen sein kann, dass es eine Weiblichkeit mit Poesie gibt.

Tips: Wieder die Relevanz...

Stieger: Die Branche ist echt zach, und es ist auch so, dass die Frau in der Musikbranche noch lange nicht dort ist, wo sie hingehört. Der erste Schritt, den ich miterlebe, ist, dass Frauensolidarität entsteht. Das sich Frauen gegenseitig unterstützen. Das ist ein richtiger Kraftakt der musikschaffenden Frauen in Österreich, der wirklich zu bewundern ist.  Das ist ein Thema, wo ich echt gespannt bin, was die nächste Generation macht, die mit einem ganz anderen Selbstverständnis reingeht in die Branche. Wir sind sehr relevant!

Tips: Hast du Angst, mit deinen intimen Themen Angriffsfläche zu bieten?

Stieger: Musik ist sowieso Geschmackssache. Ich habe nicht den Anspruch, dass das jedem gefällt. Mich wundert es ja, dass ich sowenige Hater habe (lacht), man sagt immer, man wird erst relevant, wenn man Hater hat. Ich zähle bei den Youtube-Videos immer die dislikes (lacht) und freu mich dann, wenn irgendjemand es so Scheisse findet, dass er das schreiben muss. Dann weis man, dass man aus seiner Blase heraußen ist, dass man mehr Leute erreicht, als die, denen man sowieso gefällt. 

Sabine Stieger „I“

Mittwoch, 18. März, 20 Uhr, Musiktheater, Black Box Lounge

mit Pianist Bernhard Eder

Karten: www.landestheater-linz.at


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