
LINZ. Wilhelmine von Hillerns berühmtester Roman erzählt von einer früh emanzipierten Frau in einer durch und durch patriarchal geprägten Welt: Walburga Stromminger, genannt die „Geierwally“. Eine Neuinszenierung, nach Felix Mitterers Bühnenadaption, feiert am Freitag, 28. Jänner, um 19.30 Uhr im Landestheater Premiere und zeigt unter der Regie von Sara Ostertag eine Frau, die zu sich gefunden hat.
Walburga Stromminger, Tochter des reichsten Bauern der Gegend, tut etwas, für das kein Mann im Ort den Mut aufbringt: Sie hebt ein Adlernest aus und nimmt das Jungtier an sich. Fortan hat sie eine treue Begleiterin und einen neuen Spitznamen: Geierwally. Nach ihrem Erfolg hält Vinzenz Gellner, der Nachbar, um ihre Hand an. Doch Wally will den Bären-Josef – eine Beziehung, die ihr Vater, der Höchstbauer, jedoch verbietet. Als sie sich seinem Gebot, Vinzenz zu heiraten und damit den familiären Besitz zu vergrößern, widersetzt, verprügelt er sie und verbannt sie in die Berge. Dort wird sie in der Gemeinschaft der Tiere aufgenommen. Erst als der Vater stirbt, kehrt sie ins Dorf zurück. Als Höchstbäuerin und reichste Frau der Gegend sollte sie nun endlich frei sein. Doch die traditionellen Strukturen ihrer Umgebung wirken weiter.
Feministischer Stoff, der keiner ist
1873 veröffentlichte Wilhelmine von Hillern „Die Geier-Wally“ als Fortsetzungsroman. Es wird der größte Erfolg der Schriftstellerin. Der Roman wurde in viele Sprachen übersetzt und von ihr selbst für die Oper “La Wally“ von Alfredo Catalini dramatisiert. Ausgangspunkt der Erzählung war die Begegnung der Autorin mit der Tirolerin Anna Stainer-Knittel, einer bildenden Künstlerin und Adlerjägerin, einer früh emanzipierten Frau im patriarchalen 19. Jahrhundert. Felix Mitterers Bühnenadaption wird seit 1993 bei den Geierwally-Freilichtspielen in Elbigenalp aufgeführt und gibt der Geierwally das Unbeugsame der historischen Vorlage zurück.
„Es ist eines dieser Stücke, die zwar als feministischer Stoff verkauft werden, aber es eigentlich nicht sind“, erzählt Regisseurin Sara Ostertag, „denn die Frauenfiguren definieren sich nur über die Männer, über ihre Zuneigung oder Ablehnung zu den Männer. Dadurch sind sie aber eigentlich nur ein Verhandlungsgegenstand und keine eigenständigen Narrative. Es geht zwar um die starke Geierwally, aber in Wahrheit reden zwei Drittel des Stücks nur Männer. Eigentlich ist es ein Stoff über die Unzulänglichkeit der Männer.“
Eine Frau, die zu sich findet
Ostertag zeigt die Geierwally letztlich als Frau, die zu sich gefunden hat. Die versucht, alles was die Männer machen, am Ende zu potenzieren und eigentlich in eine komplette Groteske und Skurrilität zu überführen. „Sie nimmt ihnen die Waffen weg, aber mit Witz“, so Ostertag. „Wally fungiert als Spiegel für die anderen Frauenschicksale im Stück, die übrigens alle von Männern gespielt werden. Es sind Frauen, die gebrochen werden und untergehen, die von den patriarchalen Strukturen gefressen werden. Die Männer spielen also die Opfer selbst“, ergänzt Dramaturgin Wiebke Melle.
Am Ende bleibt Wally nicht mit den Menschen übrig, sondern mit ihren Tieren und sie ist zufrieden. „Wir versuchen an einen Punkt zu kommen, wo sie sagt, ich möchte das alles nicht mehr, das einzige was ich möchte, ist für mich sein, aber nicht als gebrochene Frau, sondern ich bin allein und es ist gut so“, so Ostertag abschließend.
Premiere: Freitag, 28. Jänner, 19.30 Uhr, Kammerspiele, Landestheater Linz
Weitere Vorstellungstermine: 4., 16., 27. Februar, 12., 15., 23., 26., 30. März 2022