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"Mit schwarzer Milch und schwerem Wermutwein"

Anna Fessler, 01.09.2022 14:41

LINZ. Im Botanischen Garten erinnert künftig eine Keramikskulptur der Künstlerin Timna Brauer an die Opfer des Nationalsozialismus: an die Zwangsarbeiter, die den Luftschutzstollen im Nebenlager Linz II bauen mussten und an die Frauen, die im Lager Mauthausen zur Prostitution gezwungen wurden.

Künstlerin Timna Brauer bei der von ihr gestalteten Keramikfigur. (Foto: Stadt Linz/Dworschak)
  1 / 2   Künstlerin Timna Brauer bei der von ihr gestalteten Keramikfigur. (Foto: Stadt Linz/Dworschak)

Die Idee zur Büste entstand nach einem Konzert von Timna Brauer im Botanischen Garten im Sommer 2020. Ursprünglich wollte der Vater Arik Brauer das Mahnmal gestalten, aufgrund seines überraschenden Todes konnte diese Idee nicht umgesetzt werden. Als zweite Generation von Holocaustopfern war es der Künstlerin ein großes Anliegen, die Erinnerungsskulptur zu erschaffen.

Ein Mahnmal in Form eines Frauenkörpers

Die Keramikskulptur, die in Zusammenarbeit mit der Keramikkünstlerin Sabine Berchtold entstand, stellt einen Frauenkörper dar. Die zerrissen erscheinende Bekleidung aus Mosaik besteht aus Feuersteinen, welche die Künstlerin Brauer über Jahre in den Karmelhügeln in Israel gesammelt hat. Inspiriert wurde das Werk durch ein Gedicht der als Kind einer jüdischen Familie geborenen Lyrikerin Rose Ausländer. Ungewöhnlich für ein Holocaust-Mahnmal: Das oft tabuisierte Thema Zwangsprostitution während des Nationalsozialismus wird sichtbar gemacht, der kopflose Frauenkörper weist auf die anonymisierten, auf ihre Körper reduzierten Frauen hin. Auch die zerrissene Kleidung und der schwangere Bauch der Skulptur verweisen darauf. Frauenstadträtin Eva Schobesberger freut es, dass auf das Thema aufmerksam gemacht wird. Das Lager Mauthausen sei das erste Lager gewesen, in dem die Zwangsprostitution institutionalisiert worden wäre.

Büste schafft mehr Sichtbarkeit für Gedenkstätte

Auch an die im Steinbruch von Mauthausen und beim Bau des Luftschutzstollens im Nebenlager Linz II verrichtete Zwangsarbeit wird mit dem Mahnmal erinnert. Das Nebenlager des Konzentrationslagers Mauthausen wurde auf persönlichen Befehl von Adolf Hitler errichtet. Die Büste von Timna Brauer steht inmitten einer bestehenden Gedenkstätte im Botanischen Garten. Darunter befinden sich die im Nationalsozialismus zu Luftschutzstollen ausgebauten Kelleranlagen. Das Werk der Künstlerin schafft auch für die Gedenkstätte mehr Sichtbarkeit.

Stadt Linz betont Relevanz der Aufarbeitung des historischen Erbes

Bürgermeister Luger weist auf die Mitwirkung der Stadt an der Erinnerungskultur hin: „Die Stadt Linz beschäftigt sich seit Jahren auf vielfältige Weise mit ihrem historischen Erbe. Seit Mitte Mai dieses Jahres werden an verschiedenen Standorten Erinnerungsstelen für jüdische Opfer des Nationalsozialismus aufgestellt. Mit der ‚Büste der Ohnmacht‘ wird ein weiterer wichtiger Beitrag zur Aufarbeitung geleistet“, so der Bürgermeister.

Folgendes Gedicht von Rose Ausländer diente als Inspiration für das Mahnmal:

Ins Leben
Nur aus der Trauer Mutterinnigkeit
strömt mir das Vollmaß des Erlebens ein.
Sie speist mich eine lange, trübe Zeit
mit schwarzer Milch und schwerem Wermutwein.

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