LINZ. Die Kunstuniversität Linz mobilisiert 16 Tage lang gegen Gewalt an Frauen mit aufrüttelnden Ausstellungen und Aktionen.
Vom Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen am 25. November bis 10. Dezember, dem Tag der Menschenrechte, erleuchten weltweit viele öffentliche Gebäude in Orange, um ein Zeichen zu setzen – auch der Transzendenzlift auf der Kunstuniversität Linz wird wieder 16 Tage lang mit der Signalfarbe beleuchtet.
Dazu mobilisiert die Kunstuni Linz mit einem besonderen Kulturprogramm 16 Tage lang gegen Gewalt an Frauen.
Durchlöcherte Frauendarstellungen
So zeigt die Ausstellung „Frauen*Zimmerschiessen name it | count it | end it“ von Elisa Andessner im splace, wie Frauen einst als Motiv für Schießscheiben herhalten mussten.
Im Mittelpunkt steht die in der österreichischen Identität tief verwurzelte Tradition des Schießens sowie deren Verflechtungen mit romantischen und patriarchalen Erzählformen. Historische Schützenscheiben und Schützenfestpostkarten zeigen von Patronen durchlöcherte Frauendarstellungen und illustrieren auf irritierende Weise das Werben um Frauen mit dem Akt des Schießens.
„Frauen*Zimmerschiessen“ umfasst eine Fotoserie von beschossenen Schießscheiben aus Museumsarchiven, zudem präsentiert die Rauminstallation „Mahnwache der Ahninnen“ lebensgroße Frauenfiguren. Ebenso werden originale Schützenfestpostkarten aus dem späten 19. Jahrhundert zu sehen sein – sowie eine Schützenscheibe mit Andessners eigenem Konterfei. Diese ist Objekt der performativen Videoarbeit „Treff ich dich ins Herz“, in der die Künstlerin mit der Waffe schließlich auf sich selbst zielt.
„Mir geht es um eine Inbildsetzung“, erklärt die Linzerin Künstlerin, „die das Töten in einem deutlichen Gegensatz zur kulturellen Überlieferung einer Liebelei veranschaulicht“.
Aus dem akribisch gesammelten Material entstanden in Kooperation mit der Fotokünstlerin Violetta Wakolbinger, dem Filmteam Alenka Maly und Roland Freinschlag, dem Designer Tobias Zucali und der Schützenscheibenmalerin Romana Hörzing künstlerische Arbeiten, die gegen die tödliche Gewalt an Frauen eindrückliche Anklage erheben.
Ein Wohnzimmer als Aktionsraum
Die Initiative „StoP – Stadt ohne Partnergewalt Linz“ bespielt die Ausstellung mit Veranstaltungen gegen häusliche Gewalt und für Zivilcourage. Ziel ist es auf das Tabuthema Partnergewalt aufmerksam zu machen und Information zu Hilfs- und Beratungsmöglichkeiten sowie Zivilcourage zu verbreiten.
Dafür ist StoP Linz durch ein im Ausstellungsraum installiertes Wohnzimmer präsent. Diese Art der Raumgestaltung wurde bewusst gewählt, da Gewalt gegen Frauen größtenteils in den eigenen vier Wänden geschieht, dort, wo eigentlich Schutz und Sicherheit gegeben sein sollten.
Das Wohnzimmer ist aber nicht nur Rauminstallation, sondern auch Aktionsraum: Während der Ausstellungsdauer finden darin Workshops, Nachbarschaftstische, gemeinsame Führungen und weitere Formate statt.
Ramona Holzschuh von StoP – Stadt ohne Partnergewalt Linz: „Mit der Beteiligung an der Ausstellung möchten wir noch mehr Menschen für das Thema Gewalt gegen Frauen* sensibilisieren und zum Handeln anregen. Besucher*innen sollen die Ausstellung nicht nur nachdenklich, sondern auch gestärkt verlassen: Ausgestattet mit Wissen, Mut und einem Handlungskoffer für mehr Zivilcourage im Alltag.“
Autonomes Frauenzentrum zeigt Ausstellung „(Un)sichtbar“
Das autonome Frauenzentrum Linz, das heuer sein 45-jähriges Bestehen feiert, ist mit der Ausstellung „(Un)sichtbar“ im westlichen Brückenkopfgebäude der Kunstuni Linz, Hauptplatz 8, vertreten, in der die Geschichte von Gewalt, Widerstand und Anerkennung gezeigt wird.
Die Künstlerin und Lehramt-Studierende Kerstin Ullmann hat mit Mitarbeitern des autonomen Frauenzentrums im Zuge eines Papierschöpf-Workshops aus Erzählungen Betroffener, geschredderten Anzeigen und Akten Werke erarbeitet, die präsentiert werden. Eine Klientin stellt zudem ihre Gedichte, die sie über ihre Gewalterfahrung geschrieben hat, auf neugeschöpftem Papier zur Verfügung – diese sind in einer „Holzbox“ (mit Triggerwarnung) zu lesen. Die Besucher bekommen kleine Taschenlampen, damit sie auch versteckte Texte in den Papieren besser beleuchten können, denn – wie generell bei diesem Thema – muss die Gesellschaft genauer hinsehen.
Andrea Ilsinger vom autonomen Frauenzentrum: „Es gibt nach 45 Jahren noch immer keine gewaltfreie, gleichberechtigte Gesellschaft. Viele Frauen und Mädchen müssen aufgrund ihres Geschlechts die unerträglichsten Erfahrungen machen – Chancengleichheit gibt es nicht! Unsere Gesellschaft will diese Realität noch immer nicht wahrhaben oder diese verdrängen! Aber die Kooperation mit Elisa Andessner, mit StoP – Stadt ohne Partnergewalt Linz und allen anderen Mitwirkenden zeigt gelebte Frauen*solidarität, welche wieder motiviert für die nächsten 45 Jahre!“
Rektorin Brigitte Hütter: „Die Kunstuniversität Linz thematisiert 16 Tage lang, dass Gewalt an Frauen alle sozialen Schichten in Österreich und weltweit betrifft – und auch, wie ihr mit Zivilcourage entgegengetreten werden kann. Denn noch immer sind patriarchale Strukturen und damit verbundene Männergewalt eine reale Lebensbedrohung für Frauen, auch darauf weisen wir hin, mit aufrüttelnden Ausstellungen von Künstler*innen sowie mit Werken von gewaltbetroffenen Frauen und Mitarbeiterinnen des autonomen Frauenzentrums.“
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