Graffiti-Künstler bringen Farbe ins Rotkreuz-Notquartier in Linz
LINZ. Aus der Ukraine geflüchtete Menschen finden im vom OÖ. Roten Kreuz errichteten Notquartier im ehemaligen Postverteilerzentrum in Linz eine Zufluchtsstätte, in der sie bestmöglich Kraft tanken können, bis sie in eine private Unterkunft vermittelt werden. Um Farbe in die grauen Hallen zu bringen, verwandelten neun international renommierte Streetart-Künstler bei einer gemeinsamen freiwilligen Sprayaktion die Betonwand vor dem Eingang in bunte Kunstwerke.
Schlagende Worte, wie Hoffnung und Zusammenhalt, natürlich auf ukrainisch, prangen in Form von bunten Kunstwerken auf der Betonwand vor dem Eingang zum Notquartier. „Mein Ziel war es, den Menschen Farbe ins Leben zu bringen. Sie flüchten vor einem Krieg, das ist düster genug für die Menschen“, erzählt Reinhard Hadler, Einsatzleiter für Notunterkünfte in Linz. Anfangs war er nur mit den Graffiti-Künstlern Spliff_one aus Kiel und SizeTwo aus Graz in Kontakt, am Ende waren es neun international renommierte Künstler, die alle kostenlos ihr Können für zwei Tage zur Verfügung stellten. Fahrkosten, Farben und sogar die Unterkunft, das Hotel Bayrischer Hof in Wels stellte acht Zimmer kostenlos bereit, wurden dank zahlreicher Spenden gedeckt.
Sichere Zufluchtsstätte
Aktuell haben 90 Flüchtlinge im Notquartier eine Zuflucht gefunden. 90 Prozent davon sind Frauen und Kinder. „Erst gestern kam ein Bus mit 46 Personen“, so Hadler. Nach einer Begrüßung samt Dolmetscher erfolgt die Aufnahme samt Ersterfassung durch die Polizei, um den Vertriebenen-Status zu erlangen. Insgesamt 18 Zimmer für zwischen vier bis 15 Personen stehen bereit. „Wir schauen natürlich, dass die Familienverbände zusammenbleiben und dass die Räume nicht zu groß werden“, weiß Paul Reinthaler, Rotkreuz-Bezirksgeschäftsleiter Linz Stadt-Land.
Die Menschen werden mit allem versorgt, was es für den Aufenthalt braucht. Hygieneartikel, drei mal täglich eine warme Mahlzeit bzw. eine Jause und für die Kinder gibt es Spielräume und Malsachen. „Die Kinder haben hier genug Platz und können richtig herumfetzen, mit ihren kleinen Gokarts durch die Gänge sausen oder in der Halle Fußball spielen“, so Reinthaler. Die Menschen können auch jederzeit in die Stadt gehen. „Wir möchten auch noch Ausflüge organisieren, vielleicht auf den Pöstlingberg. Und wir bringen sie auch in unsere Rotkreuz-Boutique, wo sie sich mit Kleidung, vor allem Unterwäsche, neu ausstatten können“, so Reinthaler.
Vermittlung in private Unterkünfte
Ansonsten heißt es für sie Warten, bis sie in ein privates Quartier in ganz Oberösterreich vermittelt werden können. „Wir haben ein derart großes Wohnungsangebot durch Menschen, die sagen, sie können jemanden aufnehmen, dass wir täglich Menschen in private Quartiere vermitteln können. Zum heutigen Tag konnten wir über 2.060 Personen aus Rotkreuz-Notquartieren in private Unterkünfte vermitteln“, freut sich der Bezirksgeschäftsleiter. Durchschnittlich dauert die Wartezeit im Notquartier etwa drei Tage. „Gestern kam eine Frau mit neun Kindern an. Das Kleinste war kein Jahr alt. Für sie konnten wir noch am selben Tag einen Platz finden“, sagt Hadler.
Privatpersonen können eine Wohnmöglichkeit über das Land OÖ bekannt geben. Caritas und Volkshilfe klären dann nochmal Größe, Möblierung, ob Haustiere erlaubt sind etc. ab. Ist das Clearing abgeschlossen, wird die Wohnmöglichkeit auf einer Onlineplattform eingemeldet, auf der Hadler dann anhand der Daten schaut, ob er ein sogenanntes „Match“ findet. „Privatpersonen können sich bei Fragen natürlich auch ans Rote Kreuz wenden. Wir vermitteln sie dann an die richtige Stelle“, ergänzt Reinthaler.
Seelische Narben erkennbar
Die Gefühlslage der Menschen, wenn sie im Notquartier ankommen, ist unterschiedlich. „Es kommt natürlich darauf an, aus welchem Gebiet sie kommen. Es gibt Menschen, die der Krieg noch nicht erreicht hat, es gibt aber auch jene, die direkt aus dem Kriegsgebiet kommen. Die dir Fotos zeigen von ihrem Haus, wo dreiviertel vom Haus weg ist. Die Frau mit den neun Kindern habe ich zum Beispiel bewundert, ihr Gesicht war gezeichnet von dem was sie durchgemacht hat“, erzählt Hadler. „Meine Beobachtung ist, dass die Menschen sehr gefasst ankommen, in guter Kleidung, mit Koffer, manche mit Haustieren und vielen vielen Kindern. Fast wie Touristen, aber natürlich merkt man im Quartier die seelischen Narben. Die Familien bleiben unter sich, die Kinder reden nicht und man hört kaum lachen. Das ändert sich aber meist nach zwei, drei Tagen“, weiß Reinthaler.
Dankbarkeit gibt Kraft
„Für mich ist das Wichtigste, den Menschen zu helfen“, so Hadler, um sich selbst zu schützen, verzichtet er aber gänzlich auf Berichterstattung rund um den Ukraine-Krieg. „Ich sehe bei meiner Arbeit Elend und Leid, weil die Menschen zum Teil tagelang im Bunker gesessen sind, bevor sie bei uns ankommen, dann muss ich mir das nicht auch noch anschauen. Das ist mein persönlicher Schutz.“ Seine Kraft schöpft er aus der Dankbarkeit der Menschen. „Wenn sie abgeholt werden, sind sie so dankbar und umarmen dich, die Kinder hüpfen dich an, das gibt einem selbst so viel Kraft, dass man weitermacht. Ich bekomme auch Whatsapp mit Fotos und Nachrichten, wie es ihnen in den Familien geht. Eine Frau hat mir sogar mit Google-Translater auf Deutsch geschrieben“, erzählt Hadler. Auch wenn der Teil der Abholung bei manchen dann doch nochmal für Unsicherheit sorgt. „Ich sage den Quartiergebern dann immer, dass sie ihnen ein bis zwei Tage Zeit geben sollen, zum Ankommen, weil uns würde es nicht anders gehen. Zuerst ist man auf der Flucht, dann kommt man in eine Notunterkunft, fühlt sich sicher, freundet sich an und dann kommt wieder wer, den man nicht kennt, aber von dem man abhängig ist, weil man selber nichts hat.“
Unter der Leitung von Reinhard Hadler helfen etwa 40 Angestellte sowie zahlreiche Freiwillige vom Roten Kreuz und vom Team Österreich zusammen, damit es den Menschen im Notquartier gut geht. „Ich bin so unendlich stolz auf alle, die mithelfen. Etwa auf die 50 Dolmetscher, die von Montag bis Sonntag von 8.30 bis 21 Uhr durchgehend freiwillig im Einsatz sind“, so Hadler. Sollte der Flüchtlingsstrom größer werden, hat das Rote Kreuz noch ein weiteres Notquartier in Bindermichl, das sofort geöffnet werden könnte.
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