Traditionshaus schließt nach 90 Jahren: "Ich durfte vierzig Jahre lang meinen Traum leben"
LINZ. Charlotte Binder-Küll führt derzeit noch in der dritten Generation das Pelzatelier Neundlinger an der Linzer Promenade. Das Geschäft kann auf eine 90-jährige Tradition zurückblicken. Da Binder-Küll ihre Pension antritt und es keine Nachfolge gibt, wird nach einer Auslaufphase eine Ära zu Ende gehen.
Ab dem siebten Lebensjahr wusste Charlotte Binder-Küll, dass sie Kürschnerin werden will. Im Jahr 1988 legte sie ihre Meisterprüfung ab, sieben Jahre später übernahm sie das Haus Neundlinger von ihren Eltern. Im selben Jahr, 1995, errang das Pelzatelier eine Goldmedaille bei einem internationalen Designwettbewerb, neben sieben weiteren Goldmedaillen folgten zahlreiche Preise. „Mir war immer wichtig zu zeigen, dass Pelz auch etwas für junge Frauen ist“, sagt Binder-Küll im Gespräch mit Tips.
Pelzbranche hat sich verändert
Beim Besuch im Geschäft an der Promenade wird klar, was sie damit meint: die Pelze in teilweise bunten Farben und modernen Schnitten unterscheiden sich stark von den klassischen, schweren Pelzmänteln der Vergangenheit. Binder-Küll wollte zeigen, das Pelz auch anders sein kann, ihre Strategie ging auf – auch wenn sie ihre Eltern erst davon überzeugen musste. Die Branche sei aber ohnehin vielen Veränderungen unterworfen gewesen, etwa durch Kritik von Tierschützern. Sie habe aber schon immer auf höchste Qualität und die Herkunft der Ware geachtet, sagt Binder-Küll.
90-jährige Tradition
Gegründet wurde die Pelzwerkstätte durch Binder-Külls Großtante, Maria Neundlinger, im Jahre 1933. „Sie war eine mutige Frau“, sagt ihre Großnichte über die Unternehmensgründerin. In den fünfziger Jahren nahm Maria Neundlinger ihre Nichte Christine als Kürschnerlehrling auf. Diese heiratete einen Kürschnermeister, der ebenfalls ins Unternehmen eintrat. Gemeinsam übernahmen die beiden 1968 den Betrieb von Maria Neundlinger, und übergaben das Zepter 1995 an ihre erstgeborene Tochter Charlotte.
„Was man verspricht, hält man“
Mit der Pensionierung von Charlotte Binder-Küll endet die 90-jährige Firmengeschichte. Sie habe ihrem Mann schon vor längerer Zeit versprochen, dass sie mit 60 Jahren in Pension gehe, um mehr Zeit für gemeinsame Unternehmungen zu haben. Und Binder-Küll steht zu ihrem Wort: „Was man verspricht, hält man“, sagt sie zu Tips. Sie gehe mit hoch erhobenem Haupt und in bester Gesundheit. „Ich durfte vierzig Jahre lang meinen Traum leben. Ich habe es gerne gemacht und es hat Freude gebracht.“, auch dafür sei sie dankbar.
Derzeit besteht noch die Möglichkeit, von Binder-Külls Erfahrung zu profitieren, sie nimmt noch Aufträge an. Allzu lange wird es das Pelzatelier Neundlinger aber nicht mehr geben, nach dem Abverkauf und einer Auslaufphase schließt das Geschäft und auch die Werkstatt.
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