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"Mehr als nur eine Starthilfe": Wie das Start-Stipendium Jugendliche mit Migrationsgeschichte unterstützt

Anna Fessler, 16.04.2024 12:32

LINZ. Bahara Muradi (26) und Estera Calin (19) haben beide das Start-Stipendienprogramm für engagierte Jugendliche mit Migrationsgeschichte absolviert. Tips hat mit beiden über ihre Erfahrung gesprochen.

Bahara Muradi, 26, (links) ist Masterstudentin für Computer Science an der JKU. Estera Calin, 19, (rechts) macht gerade ein Gap-Year und will danach Psychologie studieren. Sie beide haben das Start-Stipendium absolviert, Tips hat mit ihnen über die Erfahrung gesprochen. (Foto: beide Bilder: privat)

Bahara Muradi wurde bei ihrer Ankunft in Österreich nahegelegt, dass sie schnellstmöglich A2- Deutschniveau erreichen und dann als Putzkraft in den Arbeitsmarkt eintreten solle, dafür gäbe es Unterstützung. „Dafür bin ich nicht 11 Jahre lang in Pakistan in die Schule gegangen“, sagte sie sich damals. Heute ist sie Masterstudentin für Computer Science an der JKU. Dass sie diesen Weg gehen konnte, verdanke sie auch dem Start-Stipendium.

Estera Calin wurde von einer Start-Stipendiatin zur Bewerbung motiviert. Sie war erst unentschlossen, heute sagt sie: „Ich bereue nur, dass ich mich nicht früher beworben habe, heute habe ich viel mehr Chancen dadurch.“ Sie will Psychologie studieren und macht nach der Matura gerade ein Gap Year.

Das Start-Stipendienprogramm für Jugendliche mit Migrationsgeschichte

„Start“ ist ein Stipendium für engagierte Jugendliche mit Migrationsgeschichte, es umfasst bis zu drei Jahre finanzielle Unterstützung, Beratung und ein umfangreiches (Weiter-)Bildungsprogramm. Bahara Muradi begann das Förderprogramm mit 18 als Asylsuchende. Weil die Schulzeugnisse aus Pakistan und damit der Nachweis über die bisherige Ausbildung fehlten, musste sie in der Handelsakademie im ersten Jahr einsteigen. „Start“ habe ihr in vielerlei Hinsicht geholfen. So habe sie über das Programm eine Mentorin bekommen, deren Familie ein wesentlicher Faktor beim Erlernen der deutschen Sprache gewesen sei.

Individuelle Förderung

Die Förderung durch das Programm hat sie als maßgeschneidert empfunden, darüber hinaus hätten sich dort Freundschaften entwickelt, die bis heute halten. „Es war mehr als nur eine Starthilfe, es war Familie, Freunde, Leben, Spaß, Lernen, Arbeit – ein ganzes Paket. Ich war in Österreich neu – in der Gruppe kannten auch alle die Herausforderung, in einer Gesellschaft Fuß fassen zu wollen. Wir haben uns über unsere Erfahrungen ausgetauscht, uns gegenseitig unterstützt“, so Bahara Muradi. „Hätte ich Start nicht gehabt, wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin, oder wer ich jetzt bin. Es hat für mich wirklich die Plattform geboten, Österreich so kennenzulernen, wie man ein Land kennenlernen soll.“

„Wenn man über die Schule oder Gemeinsamkeiten im Integrationsprozess reden kann - das hat eine Auswirkung“

Als einen der wichtigsten Punkte hebt auch Estera Calin die Freundschaften, die durch „Start“ entstanden sind und die zwischenmenschliche Unterstützung hervor. Das habe auch ihren Integrationsprozess erleichtert. Estera Calin kam mit 14 von Moldawien mit ihrer Familie nach Österreich, mit 16 bewarb sie sich als BORG Linz-Schülerin bei „Start“ und wurde bis zur Matura begleitet. Es seien oft kleine Dinge wie Ratschläge oder motivierende Gespräche gewesen, die sehr viel geholfen hätten. „Wenn man über die Schule reden kann, über Gemeinsamkeiten im Integrationsprozess – das hat eine Auswirkung“, sagt sie. „Die Programmleitung hat auch immer schnell gemerkt, wenn es uns in der Schule nicht gut geht, wenn wir eine schlechte Note hatten oder wenn jemand gemobbt wurde.“

„Habe viel mehr Chancen“

Durch die Diversität im Programm (Laut Start Österreich haben die Stipendiaten und Absolventen ihre Wurzeln in über 70 verschiedenen Nationen) bilde man sich auch kulturell weiter. „Das war bei uns auch ein sehr wichtiges Thema: dass Diversität eine stärke und kein Tabuthema ist, dass man über seine Kultur sprechen kann.“ Dadurch sei eine Atmosphäre entstanden, bei der man sich trotz der unterschiedlichen Erfahrungen und Hintergründe mit allen verbunden und in einer Gemeinschaft fühle. In akademischer bzw. beruflicher Hinsicht hätte sich Calin ohne das Stipendium vielleicht nicht dieselben Ziele gesteckt: „Ich bin auf einer anderen Ebene, wo ich viel mehr Chancen habe. Ich betrachte es als wichtigen Punkt in meinem Werdegang.“

Ziele neu überdacht

Bahara Muradi hatte ursprünglich das Ziel, nach Abschluss der HAK Bürokauffrau zu werden. „Bei 'Start' meinte dann die Landeskoordinatorin, dass es so viele Möglichkeiten gibt, die man in Betracht ziehen kann.“ Auch ihr Borealis-Praktikum hat dazu beigetragen, dass sie ihre Ziele überdachte: Der Vorgesetzte habe sie beim Essen dazu befragt und gemeint, dass er mehr Potenzial in ihr sehe. Und er gab ihr den Tipp, sich einen technischen Background anzueignen, um schneller voranzukommen. Heute sei sie überzeugt, dass mehr Frauen MINT-Fächer wählen sollten, gerade in diesen Fachrichtungen sei das Berufliche gut mit dem Privatleben vereinbar.

Eigeninitative und Motivation gefragt

Was beide Frauen sagen: Bei „Start“ wird nicht nur gefördert, sondern auch gefordert, was im Bewerbungsprozess auch klar kommunziert werde. Calin beschreibt es so: „Es wird sehr viel angeboten, aber man muss sich auch aktiv einbringen.“ Auch soziales Engagement ist gefragt, Muradi hat etwa Nachhilfe in Unternehmensrechnung, Englisch und Mathematik gegeben und für die Familien im Asyl-Wohnheim übersetzt. „Man bekommt sehr viel, aber man muss auch etwas zurückgeben. Aber ich habe das alles mit Freude gemacht. Die Motivation muss von einem selbst kommen. Wer weiterkommen will, aber vielleicht nicht so viele Möglichkeiten hat, dem würde ich Start empfehlen“, sagt Muradi.

Noch bis 31. Mai 2024 haben Interessierte im Alter von 15 bis 21 Jahren Zeit, sich für das neue Schuljahr um ein Start-Stipendium zu bewerben, alle Infos unter: www.start-stipendium.at


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