Anästhesistin Caroline Dobretzberger: „Ich sehe mich als Wächterin, die den Patienten durch die OP begleitet“
LINZ. Eine Operation ist beunruhigend genug. Hinzu kommt noch die Angst vor der Narkose, denn kaum jemand legt gerne das Zepter über den eigenen Willen in fremde Hände. Umso beruhigender, wenn man weiß, dass im OP-Saal eine Anästhesistin wie Caroline Dobretzberger über einen wacht.
„Die Narkose ist für den Patienten ein willenloser Zustand. Er gibt sein Bewusstsein ab und legt sich in unsere Hände. Ich selbst sehe mich deshalb als Wächterin, als Beschützerin, die den Patienten durch die Operation begleitet“, erzählt die Oberärztin im Ordensklinikum Barmherzige Schwestern. Die 41-jährige Mühlviertlerin hat ihr Steckenpferd in der HNO gefunden, wo ausschließlich Vollnarkosen möglich sind.
Unter ständiger Kontrolle
Im OP-Saal dauert es nur wenige Minuten bis der Patient tiefenentspannt entschlummert. Auf Monitoren bewacht die Anästhesistin hoch konzentriert sämtliche Vital-Parameter. „Wir wissen sozusagen alles vom Patienten, bis auf seine eigenen Gedanken.“
Mitunter am wichtigsten ist die Hirnstrom-Überwachung, kurz EEG, mit der sich auch die Narkosetiefe messen lässt. Und die spielt eine entscheidende Rolle, was das Danach betrifft. „Heute weiß man, dass eine zu tiefe Narkose schlecht für den Patienten ist. Das heißt, dass Demenz in einer Form verstärkt werden kann oder dass Verwirrtheitszustände nach einer zu tiefen Narkose häufiger auftreten können.“ Diese Angst, gerade in der älteren Generation, sei mittlerweile unbegründet. „Die Überwachungsmöglichkeiten sind mit denen von früher nicht mehr zu vergleichen. Da hat die Forschung einen Riesenschritt gemacht. Die Anästhesie ist heutzutage wirklich ein sicheres Verfahren.“
Vorausschauendes Arbeiten
Was einen Anästhesisten im OP auszeichnet, ist das vorausschauende Arbeiten. „Ich kenne die Operationstechnik und weiß genau, wann ein Schmerzreiz ausgelöst wird. Das heißt, ich greife ein, bevor eine Antwort vom Patienten kommt, dass ihm das nicht passt. Ganz wichtig ist aber, dass man nicht aus Angst heraus, eben zu tief in die Narkose geht.“
Die Herausforderung liegt aber unter anderem darin, dass jeder Patient einen anderen Schmerzcharakter hat. „Steigt die Herzfrequenz, ist das ein Zeichen, dass der Patient einen – wenn auch vielleicht minimalen – Reiz wahrnimmt. Dann muss ich sofort dagegen arbeiten. Deswegen bin ich auch immer beim Patienten, ich weiß immer, wie es ihm gerade geht und kann entsprechend reagieren.“
Aber was ist dran, an dem, dass ein Patient während der OP aufwachen kann? „Es kann sein, dass eine Schmerzreaktion etwa zu einer Bewegung von einem Arm führt. Bewegungen kommen aber immer vor dem Bewusstsein. Das heißt, es gibt keine bewusste Erinnerung des Patienten daran, das weiß man. Es ist kein bewusstes munter werden.“ Es heißt jedoch, dass der Anästhesist nachjustieren muss.
Eine Pause während der OP will gut eingeteilt sein. „Ein Eingriff dauert so lange er dauert und wenn man voll konzentriert ist, spürt man sich selbst eh kaum. Aber natürliche Grundbedürfnisse decken, wie auf die Toilette zu gehen oder etwas zu trinken, was ganz wichtig ist, um den eigenen Geist wach zu halten, macht man, wenn die Situation stabil ist.“
Caroline Dobretzberger hat ihre Ausbildung 2012 bei den Barmherzigen Brüdern abgeschlossen. Während des Turnus hat sie in die Anästhesie hineingeschnuppert und sofort gewusst, „das ist, was ich tun möchte. Ich möchte für die Patienten diese Wächterin sein.“ Ein besonderer Reiz liegt für die Anästhesistin auch in der Vielfältigkeit ihres Tuns. „Das Fach reicht von der Betreuung von Schwangeren mit ihren Neugeborenen bis hin zur OP eines 98-Jährigen. Man muss auf jeden Patienten individuell eingehen und das ist das Schöne daran.“
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