Raus aus der Tabuzone: Wie die Wechseljahre die Arbeitswelt beeinflussen
LINZ. Während Themen wie Schwangerschaft und Elternzeit inzwischen gut in Unternehmen integriert sind, bleiben die Wechseljahre oft unsichtbar. Dabei sind sie keine Option, sondern ein natürlicher Abschnitt im Leben jeder Frau. Als Journalistin Daniela Ullrich 2023 mit ihrem Podcast „Menomio“ startete, wollte sie vor allem Aufklärung schaffen. Mittlerweile weiß sie, die Wechseljahre sind auch ein zentrales Thema in der Arbeitswelt.
Die Wechseljahre sind für viele Frauen eine Zeit großer körperlicher und emotionaler Veränderungen. Doch während Themen wie Work-Life-Balance, Diversity oder mentale Gesundheit längst auf der Agenda moderner Unternehmen stehen, sind die Wechseljahre oft noch ein Tabu. Dabei sind sie nicht nur ein persönliches Thema, sondern auch ein wirtschaftliches. Denn wer Wechseljahre am Arbeitsplatz ignoriert, riskiert Fachkräfte zu verlieren und verschenkt Erfahrung und Loyalität.
Stundenreduktion statt Beförderung
Im Herbst 2024 wurde der erste MenoSupportAustria veröffentlicht, eine österreichweite Befragung zum Thema Wechseljahre am Arbeitsplatz: 97 Prozent aller Befragten haben sich aufgrund von Wechseljahressymptomen schon einmal krankschreiben lassen oder sich unbezahlten Urlaub genommen. 22 Prozent der Frauen über 55 Jahre geben an, darüber nachzudenken, Stunden zu reduzieren, knapp 15 Prozent überlegen, früher in den Ruhestand zu gehen. „Dabei wäre das eigentlich das Alter, wo die Kinder außer Haus sind, wo man von Teil- auf Vollzeit wechseln könnte, wo man sich für eine Beförderung oder einen Leitungsposten bewerben könnte, aber viele trauen sich aufgrund der Wechseljahressymptome nicht“, so Journalistin und Podcasterin Daniela Ullrich.
In Österreich sind 50 Prozent der weiblichen Beschäftigten über 45 Jahre alte – Tendenz steigend. „Weil gerne behauptet wird, die Wechseljahre seien ein Nischenthema: In Österreich sind wir rund eine Million betroffene Frauen“, so die 50-jährige Linzerin.
Der Umgang am Arbeitsplatz
49 Prozent der befragten Frauen sagen laut MenoSupportAustria, dass die Wechseljahre an ihrem Arbeitsplatz ein Tabuthema sind, dabei wünschen sich 52 Prozent Unterstützungsangebote vom Arbeitgeber.
In Deutschland – dort entstehen laut einer aktuellen Studie jährlich mehr als 1,6 Milliarden Euro an Produktivitätsverlusten durch Wechseljahresbeschwerden – gibt es dazu schon Programme, das möchte Daniela Ullrich mit ihrem menophänalen Gütesiegel auch in Österreich ins Rollen bringen. Sie wurde dafür heuer als Kompass-Preisträgerin gefeiert – der oö. Landespreis „Starke Frauen. Starkes Land“ wird alle zwei Jahre vom Kompetenzzentrum für Karenz & Karriere vergeben. „Mein Ziel ist es, die Awareness in Unternehmen dafür zu bekommen. Nicht nur von den Frauen, auch von männlichen Führungskräften und Kollegen“, so die 50-Jährige, und weiter: „Mein Mann hat da einen tollen Satz kreiert: phänomenale Chance durch menophänales Wissen.“
Denn darum geht’s, ums Bescheidwissen, und gemeinsam zu schauen, was es braucht. „Dass Kolleginnen, die von Hitzewallungen betroffen sind, beispielsweise näher am Fenster sitzen oder einen Ventilator bekommen. Vielleicht kann man auch Bücher zum Thema auflegen“, so Ullrich. Sie weiß: „Es gibt ganz viele Frauen, die humorvoll damit umgehen, aber es gibt auch viele, die wirklich Angst davor haben, eine Hitzewallung vor versammelter Mannschaft zu bekommen. Aber ich glaube, wenn du in einem Unternehmen bist, wo man Bescheid weiß, bekommst du im Optimalfall einfach ein Glas Wasser gereicht.“
Interessierte am menophänalen Gütesiegel gibt es viele, an der tatsächlichen Durchführung hapert’s. „Ich höre ganz oft, dass es jetzt gerade schwierig ist, weil anderes wichtiger ist. Und das geht uns Frauen oft so, dass unsere Themen die ersten sind, die gestrichen werden“, so Ullrich.
An die 70 Symptome
Das Thema Wechseljahre ist übrigens größer als viele denken. Fragt man nach den vermeintlich klassischen Symptomen, kommen meist besagte Hitzewallung, Erschöpfung, Schlafstörung und Stimmungsschwankung. „Tatsächlich sind es aber an die 70 Symptome. Das heißt jetzt aber nicht, dass jede Frau die volle Breitseite abbekommt“, so Daniela Ullrich. Viele würden auch gar nicht wissen, dass sie schon in den Wechseljahren sind und können demnach die Symptome nicht zuordnen. „Burnout und depressive Verstimmungen sind die zwei größten Fehldiagnosen“, so die Linzerin, die für sich selbst Brain Fog (auf Deutsch Gehirnnebel) als einen ihrer größten Endgegner bezeichnet: „Ich habe Tage, da kann ich mein Kind nicht beim Namen nennen, weil er mir nicht einfällt, oder Wortfindungsstörungen. Das ist richtig schlecht, wenn man gerade auf der Bühne steht.“
Die Linzerin hofft auch, dass das Stigma, dass man ab den Wechseljahren nichts mehr wert ist, weil man alt ist, bald abgeschüttelt wird. „Ich selbst empfinde es, und das weiß ich auch von anderen Frauen, als eine sehr kraftvolle Phase, weil man sich mit sich selbst beschäftigt.“
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