"Das bin ich": Nackte Tatsachen und wahre Geschichten
LINZ. Drei Linzerinnen sehen es als ihre Aufgabe, Infos und Bilder über Brustkrebs ins Netz zu bringen, die sowohl für Patienten, als auch für gesunde Menschen wichtig sind. Sie wollen Mut machen, Hoffnung schenken und das allgemeine Bewusstsein für Brustkrebs stärken. Tips hat mit Initiatorin Nadja Kapeller, Fotografin Ines Thomsen und Medienprofi Julia Kurbatfinsky über ihr Projekt „Das bin ich“ gesprochen.
Tips: Wie ist das Projekt „Das bin ich“ entstanden?
Nadja Kapeller: 2018 bin ich im Alter von 35 Jahren an Brustkrebs erkrankt. Die Frage wie ich operieren lassen soll, hat mich während meines Heilungsprozesses sehr beschäftigt, phasenweise auch gequält. Um diese Entscheidung besser treffen zu können, hätte ich mir gewünscht zu sehen, wie unterschiedliche OP-Varianten aussehen können – dazu findet man erstaunlich wenig Informationen. Natürlich erfährt man optimalerweise alles Notwendige von den behandelnden Ärzten, aber aus erster Hand zu erfahren, wie es sich anfühlt, was auf mich zukommt und welche Probleme auftreten können, hätte diesen Prozess für mich um vieles leichter gemacht. Das ist auch der Grund warum ich meine Brust herzeigen will – damit andere Betroffene die Chance haben zu sehen, wie es aussehen könnte. Und deshalb möchte ich so viele Frauen wie möglich dazu animieren es mir gleich zu tun, denn nur viele Beispiele ergeben ein aussagekräftiges Bild.
Ines Thomsen: Ein Fotoshooting im Sommer 2019 war dann der Startschuss, der „Das bin ich“ ins Rollen brachte. Nadja bat mich ein Portrait von sich und ihrer Brust zu machen – unverfälscht, ohne Retusche und ohne fotografische Tricks! Aus der Idee eine Medien-Kampagne zu starten wurde dann in Zusammenarbeit mit Julia ein ganzheitliches Projekt, das als nachhaltige Plattform Betroffenen zeigt, dass sie nicht alleine sind. Neben der Förderung des persönlichen Austauschs, ist die Vorsorge durch Bewegung und die Früherkennung mittels Mammographie und dem monatlichen Selbst-Abtasten ein wesentlicher Bestandteil von „Das bin ich“.
Tips: Was ist das Ziel dahinter bzw. was möchten Sie mit dem Projekt bewirken?
„Das bin ich“-Team: Ziel von ist es, mit Bildern und persönlichen Geschichten Mut zu machen, Hoffnung zu schenken und das allgemeine Bewusstsein für Brustkrebs sowie dessen Enttabuisierung zu fördern. Interviews und Foto-Shootings, bei denen die Betroffenen ganz ehrlich ihre Körper präsentieren, dienen dabei nicht nur zur Aufklärung über die unterschiedlichen Operationen und Behandlungsmethoden, sondern unterstützen auch dabei, das Erlebte zu verarbeiten.
Tips: Welche Rückmeldungen bekommen Sie? Gibt es auch kritische Stimmen von Menschen, die diesen Umgang nicht nachvollziehen können bzw. selbst einen anderen Umgang mit ihrer Krankheit pflegen?
„Das bin ich“-Team: Bisher hat uns ausschließlich positives Feedback erreicht. Auch, wenn es bestimmt viele Menschen gibt, die selbst nicht am Projekt teilnehmen würden und diesen Teil ihres Lebens lieber privat halten, sind sowohl Betroffene als auch Nicht-Betroffene von „Das bin ich“ durchwegs begeistert. Jede Teilnahme ist ein wichtiger Beitrag zur Sichtbarmachung, Aufklärung und Enttabuisierung von Brustkrebs und trägt überdies zur persönlichen Resilienz bei. Wir freuen uns über jeglichen Austausch und hoffen, schon bald ein noch größeres Spektrum an Geschichten und Bildern bereitstellen zu können.
Tips: Wo geht die Reise hin? Wie soll sich das Projekt weiterentwickeln bzw. gibt es noch weitere Pläne?
„Das bin ich“-Team: Wir planen künftig zusätzlich zu den ganz persönlichen Portraits und Geschichten auch eine anonyme Bilddatenbank umzusetzen und diese auf der Website zu installieren. Hierfür werden alle Frauen und Männer, die anonym bleiben und dennoch etwas zur Enttabuisierung von Krankheit und zur Aufklärung über die unterschiedlichen Operationen und Behandlungsmethoden von Brustkrebs beitragen möchten, von Profi-Fotografin Ines Thomsen fotografiert. Dabei wird ausschließlich der Torso mit den von der Krankheit bzw. den Behandlungen betroffenen Stellen abgebildet.
Weiters werden anonyme Informationen zur Diagnose und zum Behandlungsprozess beigefügt. Darüber hinaus planen wir „Look & Feel“-Veranstaltungen (unsere bereits geplante Veranstaltung musste Aufgrund von Corona leider auf unbestimmte Zeit verschoben werden), bei denen sich frisch Betroffene, die Operationen und Behandlungen noch vor sich haben, mit erfahrenen Betroffenen, die OPs und Behandlungen bereits abgeschlossen haben, austauschen können. Hierbei ist es für die frisch Betroffenen auch möglich die Brüste der bereits operierten Betroffenen anzusehen und auch anzufassen. Auf lange Sicht planen wir zudem ein geschlossenes Forum auf der Website bereitzustellen und ein Tool zur Entscheidungshilfe für die Vielzahl an Behandlungsmethoden zu entwickeln.
Tips: Was hat dieses Projekt für Sie selbst gebracht?
Nadja Kapeller: Während des Fotoshootings habe ich mich in Situationen meiner „Krebsreise“ hineingefühlt und ihnen damit ein Bild verliehen. Dadurch konnte ich das Erlebte besser integrieren und ich fühlte mich dadurch runder. Auch die Erfahrung zu machen, dass ich mich trotz unebener Brust, Cellulite, Besenreiser und „schwabbeligem“ Bauch – also den vermeintlichen Schönheitsmakeln – auf den Bildern als schön empfinde, war eine sehr interessante und wohltuende. Neutrale Bilder meiner Brustwarze haben mir des weiteren auch gezeigt, dass die dunklen Haare, die mir seit meiner Hauttransplantation auf dem Warzenvorhof wachsen, von anderen kaum gesehen werden. Ein Abgleich zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung kann also durchaus auch Erleichterung bringen.
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