Stimmungsmacher Darm: Wie die Verdauung die Psyche beeinflusst
LINZ. Die Bedeutung des Mikrobioms für die körperliche Gesundheit wird immer deutlicher. Doch auch psychische Erkrankungen können ihre Wurzeln im Bauch haben. Wie und warum, erklärt Neurologe Markus Hutterer.
Ob Depressionen, Angstzustände, Autismus, Demenz, Parkinson oder ALS: viele neurologische Erkrankungen könnten ihre Ursache im Darm haben. Studien an Mäusen – und erste Arbeiten an Menschen – deuten darauf hin, dass die Darmflora diese Erkrankungen auslösen oder deren Verlauf beeinflussen kann.
„Es gibt verschiedene psychiatrische und neurologische Erkrankungen von denen man annimmt, dass sie vom Mikrobiom verursacht werden oder dass dieses deren Verlauf beeinflusst. Ein Ungleichgewicht in der Zusammensetzung der Darmflora und ihrer Botenstoffe kann zu Fehlfunktionen des Darms, des Immunsystems und damit verschiedener Organe führen“, so Markus Hutterer, Psychoonkologe und stellvertretender ärztlicher Direktor bei den Barmherzigen Brüdern Linz, und erklärt: „Das Mikrobiom und die Psyche beeinflussen sich dabei gegenseitig („Mikrobiota-Darm-Hirn-Achse“). So zeigen etwa Forschungen an Mäusen: Füttert man die Tiere mit bestimmten Bakterien oder Botenstoffen kann man depressives oder ängstliches Verhalten auslösen. Das gilt auch für Menschen. Alleine durch die veränderte Zusammensetzung des Mikrobioms, etwa falsche Ernährung, Medikamente, Nikotin, Alkohol, zu wenig Bewegung, kann es zu Verhaltensänderungen kommen. Die Betroffenen werden antriebslos, ziehen sich zurück, haben keine Interessen mehr. Es geht aber auch umgekehrt: ein Trauma, eine Depression oder Stress können das Mikrobiom ändern. Beides beeinflusst sich gegenseitig“, so .
Bakterien im Darm beeinflussen Stimmung
Bedeutet das, dass psychische Störungen durch eine Änderung des Mikrobioms geheilt werden können? „Ganz so einfach ist es leider nicht. Betroffene benötigen zunächst Medikamente und eine Gesprächstherapie, aber durch eine Änderung des Lebensstils verbessert sich auch das Mikrobiom. So kommt man eventuell schneller aus einer depressiven Phase oder hat schwächere Symptome“, so Hutterer.
Denn: 95 Prozent unseres Serotonins - dem Glückshormon bzw. Anti-Depressions-Hormon im Gehirn - werden im Darm produziert. Sind hier schlechte Bakterien in der Überzahl hat dies einen Einfluss auf die Darmzellen, die Hormone und Botenstoffe produzieren.
Gesunder Darm braucht Diversität
Je mehr unterschiedliche Bakterien im Darm vorkommen („Diversität“), die wichtige Moleküle produzieren, desto besser ist es um Gesundheit und Psyche bestellt.
Die Gesamtheit aller Darmbakterien ist vergleichbar mit dem komplexen Ökosystem eines Regenwalds. Kommt es zu einer Störung, gerät das Ökosystem durcheinander. Für einen gesunden Darm ist diese Diversität entscheidend: „Umso mehr Arten von Bakterien wir haben, umso besser ist es. Schlechte Darmbakterien, wie die Fäulnisbakterien (Coli-Bakterien), erzeugen beim Abbau von Proteinen eine Reihe von toxischen Substanzen. Natürliche Gegenspieler sind Lakto- und Bifidobakterien - diese halten das Darmmilieu im Gleichgewicht. Je gesünder man also lebt, umso besser ist es für das Mikrobiom“, so Hutterer.
Was sollte man essen, damit das Mikrobiom von vornherein so divers wie möglich bleibt? „Untersuchungen bei den Hadza, einem Stamm in Tansania, haben gezeigt, dass diese sich durch ein abwechslungsreiches Mikrobiom auszeichnen. Das liegt vor allem an der hohen Konzentration an Ballaststoffen in der Nahrung.“ Auch Versuche an Mäusen belegen: je ballaststoffreicher die Ernährung, umso gesünder der Darm.
Ausgewogene Ernährung und Sport fördern „gute“ Bakterien
Was Ballaststoffe so wichtig macht, sind die enthaltenen Präbiotika: Die nicht verdaulichen Bestandteile, die etwa in Zwiebeln, Chicorée oder Artischocken vorkommen, dienen Bakterien der Gattungen Lactobacillus und Bifidobacterium als Nahrung. Damit fördern Präbiotika Wachstum und Aktivität der guten Bakterien im Darm – und so die Gesundheit.
„Wichtiger als alle Prä-, Pro- oder Postbiotika sind daher eine ausgewogene Ernährung und regelmäßige Bewegung bzw. Sport, ausreichend Schlaf sowie die Reduktion von Stress. So bleibt der Darm und somit auch der Mensch gesund“, betont Hutterer.
Kommentare sind nur für eingeloggte User verfügbar.
Jetzt anmelden