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„Die Landwirtschaft wird alleine nicht die Klimaneutralität Europas sichern können“

Online Redaktion, 07.07.2020 17:30

LINZ/OÖ. Vor einem Jahr trat Michaela Langer-Weninger ihr Amt als Präsidentin der Landwirtschaftskammer (LK) Oberösterreich an. Im Tips-Interview berichtet sie über die Herausforderungen der Corona-Krise, über das Wandern auf Almen und über die Arbeit in einem männlich geprägten Umfeld.

Michaela Langer-Weninger, Präsidentin der Landwirtschaftskammer Oberösterreich. Foto: Weihbold
Michaela Langer-Weninger, Präsidentin der Landwirtschaftskammer Oberösterreich. Foto: Weihbold

von JOSEF GRUBER

Tips: Welche Herausforderungen hat die Corona-Krise für die Landwirtschaft gebracht?

Langer-Weninger: Die ganze Situation mit Corona hat uns insofern beschäftigt, da der Holzmarkt in einer ganz dramatischen Situation war. 2019 waren 62 Prozent der Holzernte Schadholz, jetzt kam die Situation dazu, dass die Grenzen zu waren, somit der Export nach Italien, einem sehr wesentlichen Markt für uns, eigentlich weggebrochen ist. Im Bereich Rindfleisch, wo wir sehr stark auf Export setzen, hatten wir eine ähnliche Situation. Auch hier sind uns die Märkte, vor allem Italien, Spanien und Frankreich, weggebrochen. Zusätzlich ist im Rindfleischbereich die Gastronomie weggebrochen. Das hat natürlich sehr stark die Märkte belastet.

Tips: Jetzt denkt man aber die Leute essen ja gleich viel, ob jetzt zu Hause oder in der Gastronomie. Das heißt der Gesamtkonsum sollte sich nicht verändern.

Langer-Weninger: Er verändert sich schon insgesamt, weil ja der Tourismus weggebrochen ist. Wenn man sieht wie viele Menschen damals - also die ganzen Autoschlangen, die man immer gesehen hat, die abgereist sind, gerade aus dem Westen in Österreich aus den Schigebieten - dann waren natürlich zusätzlich Konsumenten im Land, die auch Lebensmittel konsumiert haben. Andererseits hat sich bei diejenigen die dann zu Hause waren, also Österreicher die zuhause waren, Home Office gemacht haben, teilweise nicht in die Schule, den Kindergarten usw. also nicht in der Gemeinschaftsverpflegung verpflegt wurden, das Konsumverhalten verändert. Also da wird relativ einfach gekocht oder einfacher gekocht als sonst vielleicht in der Gastronomie. Weniger Rindfleisch, weniger Schweinefleisch viel mehr Nudeln, Reis, Kartoffeln, einfache Gerichte einfach gemacht und das verändert natürlich das Kaufverhalten und damit auch die Märkte.

Tips: Was empfinden Sie, wenn sie Bilder vom Schlachtbetrieb Tönnies in Nordrheinwestfalen (Deutschland) sehen und den dort herrschenden Zuständen?

Langer-Weninger: Das sind natürlich Bilder die verstörend sind und das zeigt uns auch auf, dass wir in Österreich am richtigen Weg sind. In Deutschland haben sie andere Situationen. Da ist es schwierig wettbewerbsrechtlich, wie auch preislich mithalten zu können. Man hat jetzt gesehen was solche Strukturen in dieser Größe und in dieser Dimension auch bewirken können und was da herauskommen kann.

Tips: Da ist somit die EU gefordert, wenn man Rahmenbedingungen schaffen will, bei denen überall Fairnessgleichheit herrscht?

Langer-Weninger: Richtig. Es kann nur europaweit geregelt werden, denn wir in Österreich haben darauf geachtet, dass wir die Inlandsproduktion mit hohen Standards belegen, aber wenn solche Verfehlungen - möchte ich schon fast sagen - aufkommen, dann muss auch die EU eingreifen. Dann müssen die Rahmenbedingungen gemeinsam festgelegt werden.

Tips: Fürchten Sie, dass das ganze Konsumverhalten dadurch geändert wird, durch diese Bilder? Dass die Leute vielleicht sagen, da esse ich weniger Fleisch, wenn ich sehe wie es dort zugeht? Oder ist es zugleich eine Chance für die österreichische Landwirtschaft?

Langer-Weninger: Auf längere Sicht glaube ich, dass es in Summe grundsätzlich nicht viel verändern wird, aber wir müssen insgesamt die Chance nutzen, die derzeit in der Bevölkerung grundsätzlich da ist, nämlich das Bewusstsein, dass man regionale Lebensmittel, heimische Versorgung mehr schätzt. Das Bewusstsein ist ja auch durch Corona gekommen und es liegt an uns das wirklich auch zu festigen in Österreich. Die Bundesregierung ist ja da grundsätzlich ein ganz starker Unterstützer der Landwirtschaft, auch mit dem Bekenntnis regional und saisonal einzukaufen, auch in den vor- und nachgelagerten Bereichen der öffentlichen Hand und auch mit der Herkunftskennzeichnung, wo wirklich auch deklariert werden soll in der Gemeinschaftsverpflegung, wo kommen Milch, Fleisch, Eier usw. her.

Tips: Thema EU Green Deal: man hat ja mitbekommen, dass sie verärgert sind. Warum?

Langer-Weninger: Natürlich ist dieser Green Deal grundsätzlich nicht verwerflich, wenn man sagt bis 2050 will Europa klimaneutral werden. Was uns irritiert ist, dass die Maßnahmen die darin festgelegt sind, derzeit so gut wie ausschließlich die Landwirtschaft treffen. Aber die Landwirtschaft wird nicht die Klimaneutralität für Europa sichern können. Wir sind in der Landwirtschaft für zehn Prozent des CO2-Ausstoßes verantwortlich. 90 Prozent kommen woanders her und auch diese 90 Prozent müssen ihren Beitrag leisten. Dazu kommt, dass es Maßnahmen sind, die direkte Auflagen für die Landwirtschaft bedeuten und da muss jemand fragen, wie bezahlt man diesen Mehraufwand? Und dazu sind derzeit zu wenig Informationen auf dem Tisch, im Gegenteil. Auch wenn das Budget für die gemeinsame Agrarpolitik derzeit etwas aufgestockt worden ist, so sind wir noch nicht bei dem, was wir in der letzten Periode hatten, aber die Auflagen werden mehr und dieses Verhältnis passt für uns nicht zusammen.

Tips: Stark diskutiert sind derzeit auch Themen wie Wanderer, Mountainbiker und gesperrte Wanderwege. Wie könnte hier eine Lösung aussehen?

Langer-Weninger: Es sind mehrer Faktoren die da mitspielen. Versicherungsrechtlich haben wir mittlerweile eigentlich einen sehr guten Schutz. Aber natürlich will keiner von uns Bauern, dass irgendjemand durch unser Vieh zu Schaden kommt. Aufgrund von Corona erleben wir heuer wirklich verstärkt, dass sich viele auf den Almen bewegen und dass sehr viele einfach grundsätzlich nicht wissen, wie man sich mit Tieren verhält und auf was zu achten ist. Dazu kommen momentan wirklich verstörende Bilder im Internet, wo es „Herausforderungen“ gibt, dass man auf die Weide gehen und bewusst Kühe schrecken soll. Also das sind wirklich Situationen, die natürlich Angst machen bei den Bäuerinnen und Bauern und darum kann ich in einer gewissen Weise auch verstehen, wenn Wege oder Almen gesperrt werden. Man muss halt immer darauf achten, sind es Wege wo auch ein öffentliches Recht besteht für Wanderwege, dann muss man natürlich darauf achten, ob man das sperren kann. Aber wenn das im alleinigen Besitz, im Privatbesitz des jeweiligen Landwirt ist, hat der natürlich auch das Recht, da zuzumachen.

Tips: Welche Themen abseits von Corona sind noch Agenda bei Ihnen?

Langer-Weninger: Derzeit ist natürlich für uns wichtig und es ist gut, dass die Bundesregierung das nun auch auf den Weg gebracht hat – die steuerliche Entlastung für die Bäuerinnen und Bauern. Das ist ein wesentlicher Schritt, gerade die Entlastung auch in der Sozialversicherung. Wir sehen da gerade in den kleineren Strukturen, dass es schon sehr schwierig wird, die Sozialversicherungsbeiträge noch erwirtschaften zu können, darum ist diese Entlastung ein ganz wesentlicher Schritt für uns in der Landwirtschaft und ich bin froh, wenn das jetzt so schnell wie möglich auch in ein Gesetz gegossen wird, damit dieses rückwirksam mit 1.1.2020 auch wirklich in Kraft treten kann. Auf der anderen Seite ist es für uns ganz wesentlich, und da bin ich froh dass auf Bundesebene den Österreichpakt auch mit dem Bundeskanzler, mit der Wirtschaft, mit dem Handel usw. gegeben hat, in Richtung österreichische Produkte wirklich den Vorzug zu geben, denn wir wissen ja dass in Summe, wenn wir mehr heimisch einkaufen, damit auch Arbeitsplätze sichern können und zusätzliche Arbeitsplätze generieren können. Und das ist in Summe ein wesentlicher Mehrwert für ganz Österreich, gerade in einer Situation, wo viele Leute arbeitslos sind, wo viele Leute in Kurzarbeit sind, da müssen wir auch die Wertschöpfung im Land halten und die Landwirtschaft kann dazu einen wesentlichen Beitrag leisten. Ich bin froh, dass das auch auf Landesebene entsprechend umgesetzt wird, auch unser Landeshauptmann Thomas Stelzer hat ja schon gesagt, er wird auch ein Budget mit +10% bereitstellen für öffentliche Beschaffung von regionalen und saisonalen Lebensmitteln, also das ist wirklich ein guter und wichtiger Punkt auch für die Landwirtschaft, um hier mit unseren Produkten punkten zu können.

Tips: Stichwort Regionalität: Glauben Sie, dass dieser Trend jetzt durch Corona nachhaltig sein wird, oder ist das momentan ein Aufflackern?

Langer-Weninger: Es ist natürlich momentan ein Aufflackern und es liegt auch an uns, diesen Trend auch nachhaltig zu festigen. Wir müssen hier jetzt wirklich diesen Punkt setzen, um das auch zu bekommen, damit es sich auch nachhaltig setzen kann, aber auch die Lebensmittelkennzeichnung bei der Herkunftskennzeichnung, das sind wesentliche Punkte, damit auch der Konsument wirklich erkennen kann, welche Produkte nehme ich denn da zu mir und eine wirkliche Wahlfreiheit bekommt.

Tips: Und glauben Sie, dass langfristig der Konsument doch zum entsprechend qualitativen Produkt greift und doch nicht zum günstigsten oder billigsten Preis?

Langer-Weninger: Die Situation das es gewisse Gesellschaftsschichten gibt, die vielleicht weniger Geld haben und Produkte brauchen, die günstiger sind, die werden wir immer haben. Nur in Summe wird es uns allen im Land gut tun, wenn wir regional Produzieren können mit der Landwirtschaft und auch mit der verarbeitenden Industrie und dann mit dem Handel und regional die Wertschöpfung im Land halten können. Das wird uns in Summe auch Arbeitsplätze schaffen und sichern und damit auch insgesamt den Wohlstand erhalten.

Tips: Sie sind jetzt seit einem Jahr im Amt. Generell ist Österreich ja ein Land in dem in Funktionärskreisen die Männer dominieren. Wie ist es ihnen bisher in dieser Welt gegangen?

Langer-Weninger: Das ist spannend, denn ich habe noch nie einen Unterschied gesehen ob Frau oder Mann. In all meinen Funktionen die ich bisher hatte war es mein Ansinnen, für die Sache zu arbeiten und mich für die Sache einzubringen, dann macht es eigentlich überhaupt keinen Unterschied ob Mann oder Frau, oder ob jung oder alt.

Tips: Wenn Sie zurückblicken, vor einem Jahr, was sie sich vorgenommen haben, was ist gut gelungen?

Langer-Weninger: Ich glaube es ist grundsätzlich gut gelungen, dass wir den Kontakt hin zu den Bäuerinnen und Bauern gut geschafft haben. Ich habe im Sommer vor einem Jahr, also Ende Juni, hier die Kammer übernehmen dürfen und wir sind dann im Herbst gleich hinausgefahren zu Bezirkstouren, haben alle Bäuerinnen und Bauern angeschrieben und eingeladen mit uns ins Gespräch zu kommen, haben die Themen dort abgeholt. Das waren vorwiegend natürlich Themen in Richtung Entlastung, auch in der Sozialversicherung, wo wir jetzt Einiges auf den Weg gebracht haben. Das war vorwiegend auch das Thema Klimaschutz und Klimawandel in der  Landwirtschaft wo wir natürlich dieses Thema auch besetzen müssen und schauen müssen, wie können wir da unseren Beitrag leisten, aber auch die Anderen. Wir sind ja nicht Teil des Problems, sondern ein Teil der Lösung als Landwirtschaft. Und der andere Punkt ist hin in Richtung Bewusstseinsbildung zum Konsumenten. Das waren so die drei großen Themen die auch im Herbst für uns sichtbar geworden sind mit den Bäuerinnen und Bauern und alle drei Themen können wir jetzt eigentlich sehr gut begleiten weil auch auf Grund von Corona manches viel deutlicher geworden ist und dieses Bewusstsein hin zum Konsumenten ist auch etwas was mit Corona wirklich noch um ein Stückchen mehr deutlicher geworden ist.

Tips: Wo haben Sie sich schwer getan, oder wo gibt es noch große Herausforderungen?

Langer-Weninger: Also die große Herausforderung auch in Zukunft wird natürlich sein das Verständnis zu schaffen in der Bevölkerung auch für Landwirtschaft, wie Landwirtschaft funktioniert. Da sehen wir ja auch mit dieser Herausforderung, wie Sie angesprochen haben, auf den Almen mit den Besuchern. Es sind einfach sehr sehr viele und das ist überhaupt kein Vorwurf, sondern das ist einfach Tatsache, die nicht mehr von der Landwirtschaft kommen, die auch nicht mehr wissen, wie Landwirtschaft funktioniert, die nicht mehr wissen, warum man nicht in eine Wiese hineingehen soll wenn das Gras lang ist, warum man nicht in ein Kornfeld hineinsteigt, weil man damit eigentlich selbst auf den Lebensmitteln herumtrampelt, die man später am Teller liegen haben will. Und da müssen wir auch stärker werden, nicht weil wir Bauern das grundsätzlich nicht wollen, sondern weil wir ja Lebensmittel produzieren für die gesamte Gesellschaft. Und dieses Bewusstsein muss man auch in Zukunft noch stärker bringen, da müssen wir noch stärker und aktiver hineingehen, auch in die Schulen, in die Kindergärten um wirklich hier von klein auf Verständnis schaffen zu können.

Tips: Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, was wären die?

Langer-Weninger: (Lacht) Das wir auf alle Fälle auch weiterhin eine flächendeckende nachhaltige Landwirtschaft betreiben können. Das es den Bäuerinnen und Bauern möglich ist, Landwirtschaft betreiben zu können mit einem entsprechenden Einkommen dahinter. Und das wir die hohen Standards, die wir in Österreich haben, die ja auch für die Konsumentinnen und Konsumenten ein wesentlicher Vorteil sind, auch in Zukunft so halten können mit den entsprechenden finanziellen Abgeltungen im Hintergrund damit Landwirtschaft auch Zukunft hat.


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