„Der Abfluss von Arbeitsplätzen außerhalb Europas muss verhindert werden“
LINZ/OÖ. Umfassende Veränderungen stehen in der Energie- und Klimapolitik auf europäischer und nationaler Ebene an. Vertreter der Industriellenvereinigung (IV) OÖ machen darauf aufmerksam, welche Punkte nötig seien, um dadurch auch die Wettbewerbsfähigkeit des heimischen, sehr energieintensiven Industriestandortes Oberösterreich nicht zu gefährden.
„Wir bekennen uns zu einer faktenorientierten, technologieoffenen und global wirksamen Energie- und Klimapolitik, die die Wettbewerbsfähigkeit des heimischen Industriestandortes erhält“, erklärt dazu Axel Greiner, Präsident der Industriellenvereinigung Oberösterreich (IV OÖ). „In jedem Fall muss verhindert werden, dass heimische Produktionen und damit Arbeitsplätze exportiert und gesteigerte CO2-Emissionen aus anderen Weltregionen importiert werden. Auch eine ‚What-ever-it-takes-Mentalität‘ ist standort- und finanzpolitisch für Österreich der falsche Weg.“
Zukünftige Gestaltung der Mobilität ein Bereich
Auf europäischer und nationaler Ebene stehen in den nächsten Wochen und Monaten umfassende Veränderungen in der Energie- und Klimapolitik am Programm. Dies umfasst beispielsweise den European Green Deal mit den Klimazielen bis 2030, das aktuell in Begutachtung befindliche Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG), neue gesetzliche Regelungen für die Bereiche Gas und Energieeffizienz, den notwendigen Ausbau der Stromnetze oder auch die zukünftige Gestaltung der Mobilität.
Carbon-Leakage droht
„Für Oberösterreich als stärkstes Industriebundesland Österreichs mit einem hohen Anteil an energieintensiven Betrieben, beispielsweise in den Bereichen Stahl, Papier, Zement oder Chemie, sowie einer umfassenden Fahrzeug- und Maschinenbau-Industrie steht damit viel auf dem Spiel“, betont Greiner.
„In der aktuellen Debatte fehlt eine Gesamtkostenbetrachtung aus den unterschiedlichen Energie- und Klimathemen völlig – jedes einzelne Thema bringt für sich erhebliche Mehrkosten für die Betriebe. Die Gefahr von Carbon-Leakage, also dem Abfluss von Arbeitsplätzen außerhalb Europas, ist sehr groß und wird dem durch Corona massiv belasteten heimischen Arbeitsmarkt zusätzliche Probleme bereiten.“
Klimaschonende Produktion in OÖ
In kaum einem anderen Land werden CO2-intensive Produkte wie Stahl, Zement oder Papier klimaschonender produziert als in Österreich. Auch bei der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen oder bei der Kreislaufwirtschaft zählt Österreich zu den Spitzenreitern weltweit. „Die oberösterreichische Industrie leistet durch bedeutende Investitionen in den Klima- und Umweltschutz einen zentralen Beitrag hin zu einer treibhausgasneutralen und nachhaltigen Gesellschaft. Sie ist der Motor der heimischen Wirtschaft und Garant für den Wohlstand und Lebensqualität in Oberösterreich,“ sagt Spartenobmann Erich Frommwald.
Darüber hinaus ist die weitgehende Entkopplung des BRP von den energiebedingten Treibhausgas-Emissionen äußerst bemerkenswert. So konnte eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um 13 Prozent zwischen 2005 und 2018 erreicht werden. „Der spezifische Wert, der sich aus den CO2-Emissionen im Verhältnis mit dem realen Bruttoregionalprodukt errechnet, konnte so in diesem Zeitraum um 28 Prozent verbessert werden,“ erläutert Frommwald.
Produktion in Österreich führt zu positiven Effekten auf globale Klimabilanz
„Treibhausgas-Emissionen (THG-Emissionen) machen vor nationalen Grenzen nicht Halt,“ betont der Industriespartenobmann. Das wesentliche Ziel im Kampf gegen den Klimawandel ist daher, Beiträge zur globalen THG-Reduktion zu liefern.
Werden Güter konsumiert, so entstehen Emissionen durch Produktion und Transport oft an ganz anderen Orten dieser Welt. Der so entstehende „CO2-Rucksack“ eines Produkts kann mittlerweile sehr gut berechnet werden – und damit seine globale Gesamtbelastung.
Importgüter mit hohem CO²-Rucksack
Die Studie climAconsum zeigt, dass sich in einer solchen konsumbasierten Betrachtung die österreichische THG-Bilanz massiv verschlechtert, nämlich um +50 Prozent CO2, da viele Importgüter einen hohen CO2-Rucksack mit sich tragen. Ebenso zeigt sich, dass vergleichbare Güter aus österreichischer Herstellung bei der Produktion deutlich weniger THG emittieren – u.a. aufgrund der fortschrittlichen Produktionsmethoden, der hohen Effizienz und des guten Energiemixes.
Eine weiterführende Studie zeigt die positiven Auswirkungen auf die globale Klimabilanz, wenn weniger Zwischenprodukte importiert und diese stattdessen in Österreich hergestellt werden. Dies bedeutet zwar, dass die nationalen Emissionen steigen, aber: 1 Tonne an Mehremissionen in Österreich durch verstärkte Produktion von Zwischenprodukten bringt eine Einsparung von 1,9 Tonnen an THG-Emissionen auf globaler Ebene.
Strom als wichtigste Energieform
Einen wesentlichen Faktor zur Reduktion von energiebedingten Emissionen der Industrie inkl. Energiesektor stellt die Substitution fossiler durch erneuerbare Energieträger dar. Strom ist im Österreich-Mix schon weitgehend erneuerbar und eignet sich kurz- und mittelfristig für die Reduktion von Emissionen: Laut Eurostat hat Österreich in der EU den höchsten Anteil an Strom aus erneuerbaren Energiequellen, der im Jahr 2019 von zuvor rund 73 Prozent (siehe Grafik) auf rund 78 Prozent weiter gesteigert werden konnte.
Aus heutiger Perspektive liegt das Gesamtpotenzial für inländische Stromerzeugung auf Basis von erneuerbaren Energiequellen im Jahr 2050 bei rund 119 TWh. „Die Realisierung dieses Potenzials muss in einer Art und Weise erfolgen, die gewährleistet, dass der Bezug des erneuerbaren Stroms durch die Industrie zu Kosten erfolgen kann, die ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit nicht gefährdet,“ fordert Spartenobmann Frommwald.
Gesetz in Begutachtung
Die Bundesregierung hat sich das hoch ambitionierte Ziel gesetzt, bis 2030 die Stromversorgung zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen umzustellen. Dabei sollen Leistungen zugebaut werden, die eine jährliche Energiemenge von 27 TWh generieren. Den gesetzlichen Rahmen bildet hierbei das Erneuerbare Ausbau Gesetz (EAG), das sich derzeit in Begutachtung befindet und für die Industrie von besonderer Bedeutung ist. „Wir unterstützen den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien auf Basis eines entsprechenden Gesetzes, sehen aber noch wesentlichen Bedarf nachzuschärfen“, informiert Frommwald.
Industrie kommt entscheidende Bedeutung zu
„Der Industrie ist es in den letzten Jahrzehnten gelungen, Wertschöpfung und den dafür notwendigen Energieeinsatz durch umfassende Investitionen in Energiesparmaßnahmen zu entkoppeln“, betont Greiner. Nach dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz ist als nächster Schritt die Novelle des Energieeffizienzgesetzes auf der politischen Tagesordnung. Aus der Sicht der Industrie kommt daher auch diesem Thema eine entscheidende Bedeutung zu. Die Kosteneffizienz der Maßnahmen muss in Hinsicht auf die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes im Mittelpunkt stehen. Auch im neuen Energieeffizienzgesetz sind weitere Kostenbelastungen zu erwarten.
Die Mobilität der Zukunft technologieoffen gestalten
55 Prozent der österreichischen Fahrzeugindustrie sind in Oberösterreich angesiedelt, die damit neben der metalltechnischen Industrie der zentrale Wirtschaftssektor des Bundeslandes ist. Die Transformation der Mobilität und die Gestaltung der gesetzlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen haben damit wesentlichen Einfluss auf Wertschöpfung und Arbeitsplätze in unserem Bundesland.
Basis für eine Transformation des Mobilitätssystems und erste Priorität ist die Steigerung der Effizienz der Mobilität. Eine Gesamtbetrachtung des Energie- und Rohstoffeinsatzes sowie der Emissionen ist erforderlich. Die entsprechenden Rahmenbedingungen müssen so gestaltet werden, dass technologieoffen nach der sinnvollsten Antriebsart für den jeweiligen Mobilitätszweck gesucht und gefördert wird.
Wind- und Sonnenenergie kann auch in synthetischen Kraftstoffen gespeichert und transportiert werden, synthetische Kraftstoffe sind deshalb eine weitere Alternative in der Mobilität der Zukunft. Elektrifizierte Fahrzeuge benötigen nicht nur zusätzliche Mengen an elektrischem Strom, sondern auch eine neue Infrastruktur. Die dafür notwendigen Hochspannungsleitungen und Ladestationen müssen gebaut werden. Synthetische Kraftstoffe haben – produziert aus großen Mengen von grünem Überschussstrom – den Vorteil umfassend vorhandener Lager- und Transportkapazitäten.
Kommentare sind nur für eingeloggte User verfügbar.
Jetzt anmelden