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Cybermobbing: Knapp jeder fünfte Jugendliche betroffen

Kern Kerstin, 27.03.2023 17:46

LINZ. Jüngere Kinder haben vermehrt Zugriff zu sozialen Netzwerken, fast jeder fünfte 11 bis 17-jährige wurde schon Opfer von Cybermobbing. Das Land OÖ präsentiert einen Dreisäulenplan, um gegen Hass im Netz vorzugehen. Die Plattform saferinternet.at sowie ein Experte des Universitätsklinikums geben präventive Ratschläge.

Cybermobbing zieht schwere psychische Belastungen für die Opfer mit sich, aus Scham wagen es viele nicht, darüber zu sprechen. (Foto: Ievgen Chabanov)

Cybermobbing ist nichts Neues, jedoch ein verhältnismäßig junges Phänomen – so jung wie seine Zielgruppe. Die Opfer, aber auch die Täter werden immer jünger, viele Kinder im Volksschulalter verfügen heute über Internetzugriff und sind demnach den Gefahren im Netz ausgesetzt. Anders als in der realen Welt ist das Internet ein Raum, in dem oftmals nicht definiert ist, was im Umgang mit anderen okay ist und wo genau Gewalt anfängt.

„Kinder können schnell Dinge von Erwachsenen anlernen. Wir als Erwachsene müssen vorleben, dass Eingreifen etwas bringt, dass Zivilcourage immer sinnvoll ist“, so Barbara Buchegger. Die Leiterin der Plattform Saferinternet.at ruft Eltern dazu auf, sich offen mit ihrem Kind über Onlinenutzung auszutauschen. „Wichtig ist aktives Nachfragen, dazu gehört nicht nur ein „Wie geht’s dir, passt alles“ – es ist hilfreich, das Thema konkret anzusprechen, indem man fragt, was auf Instagram passiert oder welche TikTok-Phänomene gerade im Umlauf sind.“ Durch ein Naheverhältnis zu Bezugspersonen würden sich Kinder im Falle von Hass im Netz eher an Erwachsene wenden, wenn dazu regelmäßig offen kommuniziert wird.

Fast jeder fünfte Jugendliche betroffen

Eine 2021 mit 400 Jugendlichen durchgeführte Studie von saferinternet.at zeigte auf, dass 17 Prozent aller 11- bis 17-Jährigen bereits von Cybermobbing betroffen waren. Eine Studie des Frauenreferates zeigte auf, dass die Häufigkeit bei Mädchen auf 49 Prozent geschätzt wird, teilweise verbergen sich hinter diesen Cyberkriminalitäten auch sexuelle Motive.Das Mobbing im Netz nimmt unterschiedlichste Ausprägungen an, von verbreiteten Lügen und Gerüchten in sozialen Netzwerken über gezielte Beleidigungen auf Messenger-Diensten bis hin zu Ausgrenzung im Online-Unterricht. Knapp die Hälfte der Befragten gibt an, dass die Online-Schikanen während der Pandemie mehr geworden sind.

Haberlander erläutert mit Buchegger und Psychiatrie-Experten Kurosch Yazdi-Zorn vom Kepler Universitätsklinikum, wie der Kampf gegen Cybermobbing in OÖ ablaufen soll. Das Konzept beruht auf drei Säulen: der rechtlichen Durchsetzung, der Bewusstseinsbildung un Prävention sowie der Unterstüztung von Opfern.

1. Rechtliche Durchsetzung und Strafen

Am 1. Jänner 2021 trat das Maßnahmenpaket „Hass im Netz“ in Kraft, damit sollte verdeutlicht werden, dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist. Es beinhaltet Regeln zum Persönlichkeitsrecht und ein Gesetz, das Hasspostings im Internet verbietet, denn  „jeder Angriff im Netz ist einer zu viel“, so Landeshauptmann-Stellvertreterin Christine Haberlander, das Thema sei ernst zu nehmen.

„Diese Neuerungen bedürfen einer Evaluierung, damit die praktische Umsetzung der Bestimmungen konkret betrachtet werden. Es fehlt eine gewisse Transparenz, welche Behörde mit welchen Aufgaben beschäftigt ist“, so Haberlander.

2. Bewusstseinsbildung und Prävention

Haberlander appelliert an die Zivilcourage der Oberösterreicher und fordert auf, Hasspostings zu melden. Die Kampagne des Frauenreferates des Landes OÖ gegen Hass im Netz wird erweitert und auch 2023 im Netz ausgespielt. Die neue Welle der Kampagne will das Sujet umkehren, die schwarzweißen Portraits der Kampagne verwandeln sich in bunte Blumenmotive und Daumen nach oben, die dazu aufrufen, Hass im Netz zu stoppen.

Um besonders die Zielgruppe der Social Media User zu erreichen, werden die Plakate von der Bildungsdirektion an die Schulen ausgeteilt und nach den Osterferien aufgehängt. Broschüren bieten auch an, das Thema Cybermobbing und Prävention in den Lehrplan zu integrieren. „Der gute Ruf einer Schule leidet nicht dadurch, dass Cybermobbing vorgekommen ist, sondern dadurch, dass es nicht ernst genommen wird“, so Barbara Buchegger, pädagogische Leiterin von saferinternet.at

Präventionsansätze:

Um Cybermobbing vorzubeugen, ist es wichtig, die Kinder für das Thema zu sensibilisieren, somit ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass betroffene Kinder sich ihren Eltern oder Lehrkräften anvertrauen.„Wichtig ist, nicht zu schweigen. Man sollte aber nicht direkt dem Täter antworten, das kann die Person noch zusätzlich motivieren, weiter zu mobben, sondern sich an Vertrauenspersonen wenden. Für Minderjährige gilt: Eltern involvieren und mit der Schulpsychologie oder den Lehrkräften reden. Für Erwachsene gibt es Beratungsstellen, nach entsprechender Beratung die Möglichkeit einer polizeilichen Anzeige“, betont Primar Kurosch Yazdi-Zorn vom Kepler Universitätsklinikum.

3. Unterstützung für Betroffene

Cybermobbing kann schwerwiegende psychische Folgen für die Opfer mit sich bringen. Betroffene fühlen sich schikaniert und suchen oft nach dem Grund dafür in sich selbst, ihr Selbstwertgefühl ist geschädigt, was dazu führt, dass sie sich aus der realen Welt zurückziehen und noch weiter im Netz versinken. Bei den Opfern kommt es häufig auch zu psychosomatischen Symptomen wie Kopf- oder Magen-Darm-Schmerzen oder Schlafstörungen, auch die Konzentrationsfähigkeit ist beeinträchtigt.

Die Betroffenen können auch psychische Erkrankungen wie Angststörungen, Depressionen oder Sozialphobien entwickeln, es kommt immer wieder vor, dass Cybermobbing-Opfer Suizid begehen. Personen mit Suizidgedanken können die Hotline 0732 / 21 77 der Krisenhilfe rund um die Uhr erreichen.

Gewalt vermehrt sich, wird sie nicht aufgearbeitet

Yazdi-Zorn berichtet von einer „Gewaltspirale“, die sich entwickelt, wenn Cybermobbing nicht angesprochen und verarbeitet wird – es kann zu einer Täter-Opfer-Umkehr kommen. „Manchmal wird der Frust später auf andere Personen abgelassen und gemobbte Personen mobben später andere Personen. Die Wandlung vom Opfer zum Täter kann kurzfristig das Gefühl der Hilflosigkeit aufheben. Langfristig kommt es aber zu einer Gewaltspirale in der online-Kommunikation“, führt Primar Kurosch Yazdi-Zorn aus.

Anlaufstellen

Haberlander betont, dass Lehrkräfte, die das Klassenklima wahrnehmen und oftmals als Ansprechpartner für betroffene Jugendliche sowie als Kontaktpersonen für Eltern fungieren, eine Schlüsselrolle spielen und auf Cybermobbing geschult werden müssten. Die Plattform Gewaltprävention OÖ ist ein kollektives Angebot fünf verschiedener Anbieter und bietet als Präventivprogramm Workshops, Vernetzungstreffen für Lehrkräfte sowie Unterrichtsprogramm und zahlreiche Informationen an. Die Frauenberatung OÖ bietet als Anlaufstelle eine rund um die Uhr verfügbare Onlineberatung für Betroffene. Saferinternet.at bringt Kindern bei, sicher und verantwortungsvoll mit Medien umzugehen und bietet Beratungs-Videos für Eltern.

11 Schritte gegen Cybermobbing im Netz
#1 – Nicht alles glauben. Besonders extreme oder fragwürdige Aussagen sollten kritisch geprüft werden. Dazu nutzt man am besten verschiedene Medien und Suchmaschinen und vergleicht unterschiedliche Informationen.
#2 – Nicht mitmachen. Nicht jedes Posting muss tatsächlich geteilt werden, nur weil es wütend oder Angst macht. Sind Aussagen in einem Posting beleidigend oder herabwürdigend, sollte sachlich klargestellt werden, dass Hasspostings nicht in Ordnung sind.
#3 – Privatsphäre schützen. Eine richtige Nutzung der Privatsphäre-Einstellungen auf sozialen Netzwerken verhindert etwa, dass gänzlich Fremde ungefragt Kontakt aufnehmen oder auf nachteiligen Fotos verlinken können.
#4 – Persönliche Daten schützen. Die Passwörter für Social Media Accounts sollten sorgfältig ausgewählt und an niemanden verraten werden.
#5 – Die Rechte kennen. Niemand darf ohne Zustimmung Bilder von einem anderen Menschen ins Internet stellen, erst recht nicht, wenn sie peinlich oder demütigend sind. Auch Verspotten und Beleidigen im Netz ist verboten.
#6 – Nicht auf belästigende Nachrichten antworten. Eine Reaktion auf die Nachricht ist oftmals genau das, was sich die Absenderin oder der Absender wünscht. Das stachelt die Aggression vielleicht weiter an.
#7 – Unerwünschte Absender blockieren. Auf fast allen Websites und sozialen Medien können andere Nutzer blockiert werden. Zudem können Nicknames, Handy-Nummern oder Mail-Adressen geändert werden, um Belästigungen zu vermeiden.
#8 – Probleme melden. Mit der Meldefunktion auf sozialen Netzwerken können die Betreiber der Website über anstößige Nachrichten oder Belästigungen informiert werden.
#9 – Beweise sicherstellen. Verletzende oder beleidigende Nachrichten sollten dokumentiert werden, z.B. durch Screenshots. Sie können später das Cybermobbing beweisen.
#10 – Hilfe holen. Alleine fühlt man sich schnell hilflos ausgeliefert. Unterstützung und Solidarität von Vertrauenspersonen (z.B. Freundinnen und Freunde, Kolleginnen und Kollegen, Lehrerinnen und Lehrer, Eltern) hilft, dieses Gefühl zu überwinden. Auch Beratungsstellen können helfen.
#11 – Anzeige erstatten. Vorfälle, die strafbar sein könnten, können bei jeder Polizeidienststelle gemeldet werden.

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