Neues Forschungsprojekt: Historische Aufarbeitung der Homosexuellen-Verfolgung in Linz zur NS-Zeit
LINZ. Eine wissenschaftliches Projekt soll die Verfolgung von Homosexuellen während des Nationalsozialismus in Linz erforschen. Heute gab der Stadtsenat einstimmig grünes Licht für das Forschungsprojekt, dessen Ergebnisse bis 2026 vorliegen und in einem Sammelband münden sollen. Bisher fehlt eine umfassende wissenschaftliche Untersuchung des Themas für den Raum Linz.
Die Erforschung der Homosexuellenverfolgung in Linz während der NS-Zeit und darüber hinaus wird hauptsächlich auf der Auswertung von Gerichtsakten im Oberösterreichischen Landesarchiv basieren. Aus den überlieferten Gerichtsakten wird eine Datenbank erstellt, die dann als Grundlage für verschiedene wissenschaftliche Beiträge dient. Walter Schuster, Direktor des Archivs der Stadt Linz hat bereits Vorarbeiten geleistet und mehrere Gespräche mit Experten zum Thema geführt, etwa mit Wissenschaftlern vom Zentrum für queere Geschichte Wien oder dem Institut für Legal Gender Studies an der Johannes Kepler Universität Linz. Die Quellenlage sei durchaus gut, so Schuster.
„Klaffende Lücke in der Erforschung der Stadtgeschichte schließen“
Der Schwerpunkt in der Forschungsarbeit soll auf die Verfolgung im Nationalsozialismus gelegt werden, doch auch die Zeit von 1938 und nach 1945 beleuchten. Ein besonderer Fokus liegt auf der Darstellung einzelner anonymisierter Fälle, die einen Einblick in die Situation der Verfolgten und in ihre Schicksale ermöglichen. Die Verfolgung weiblicher Homosexualität wird in einem eigenen Beitrag thematisiert. Auch Homosexualität als Denunziationsgrund wird thematisiert, am Beispiel der Kampagne der Nationalsozialisten gegen Angehörige des Linzer Ordens der Barmherzigen Brüder.
„Mit dem Fokus auf das Thema LGBTIQ* können wir nun eine klaffende Lücke in der Erforschung der Stadtgeschichte endlich schließen. Durch die Darstellung der Ereignisse und Schicksale der Betroffenen schafft das Forschungsprojekt ein Bewusstsein für die historische Dimension von homophoben Haltungen. Die Ergebnisse des von mir initiierten Projektes stellen eine wichtige Grundlage für weitere Projekte und die Antidiskriminierungsarbeit des LGBTIQ*-Ressorts dar.“, so die Linzer LGBTIQ*-Referentin Vizebürgermeisterin Tina Blöchl (SPÖ).
Wissenschaftliche Basis für Sichtbarmachung im öffentlichen Raum
Für Blöchl bilden die Forschungsergebnisse die Basis, auf der weitere Projekte zur Erinnerungskultur aufgebaut werden können. Ob dies dann in Form eines klassischen Denkmals umgesetzt wird, oder ob es einen Platz oder Ort der Erinnerung geben wird lässt sie noch offen. Auch Bildungsstadträtin Eva Schobesberger (Grüne) meint: es fehle noch die wissenschaftliche Grundlage, um damit in den öffentlichen Raum zu gehen, beide sind sich jedoch einig, dass dies in einem zweiten Schritt der Fall sein soll.
HOSI Linz: Forderung aus dem Jahr 2020 wird erfüllt
Die Homosexuelle Initiative (HOSI) Linz begrüßt die Aufarbeitung des Themas – bereits im Jahr 2020 habe man eine entsprechende Forderung an die Stadt Linz übermittelt. „Seit 1984 hängt ein von allen Homosexuellen Initiativen Österreichs gemeinsam gestifteter Gedenkstein in Form eines Rosa Winkels an der ‚Klagemauer‘ der Gedenkstätte Mauthausen. Gerade aber die wissenschaftliche Aufarbeitung dieses dunkelsten Kapitels unserer Geschichte ist in Oberösterreich bisher weitestgehend ausgebleiben. Umso wichtiger war es uns, die Stadt Linz darauf hinzuweisen, dass es hier Handlungsbedarf gibt. Es freut uns daher sehr, dass der Stadtsenat heute beschlossen hat, die Verfolgungsgeschichte homosexueller Menschen in Linz während der NS-Herrschaft wissenschaftlich aufarbeiten zu lassen. Dies, zusammen mit einem noch zu findenden öffentlichen Gedenkort an die homosexuellen Opfer des NS-Terrors, soll eine späte Anerkennung des so vielfach erlittenen Unrechts sein“, sagt Michael Müller, Vereinssprecher der HOSI Linz.
Stand der Forschung zum Thema noch dürftig
Die Plattform „erinnern.at“ macht die NS-Verfolgung Homosexueller zu ihrem Jahresthema. Die Seite erinnern.at widmet sich der Erinnerungsarbeit, historischer Bildung und Aufarbeitung des Nationalsozialismus und Holocaust.
Laut der Plattform ist der Stand der Forschung und das allgemeine Wissen über die NS-Homosexuellenverfolgung auch im Jahre 2023 noch recht dürftig, was Walter Schuster auf Nachfrage bestätigt. Auch im öffentlichen Raum erinnert nur wenig an die homosexuellen Opfer der NS-Zeit. Im Wiener Resselpark wurde im Juni diesen Jahres ein Denkmal mit dem Titel Arcus (Schatten eines Regenbogens) für die Opfer der Homosexuellen-Verfolgung in der NS-Zeit enthüllt.
Kommentare sind nur für eingeloggte User verfügbar.
Jetzt anmelden