Erfahrungen mit Diskriminierung und unsichere Gegenden: LGBTIQ*-Personen wurden zu ihrer Lebenssituation in Linz befragt
LINZ. Um die derzeitige Situation der LGBTIQ*-Community in Linz zu evaluieren, wurde eine Befragung dessen Angehöriger durchgeführt. Erfragt wurden etwa das Wohlbefinden oder das Sicherheitsgefühl der Personen in Linz, aber auch, in welchem Umfeld sie mit negativen Erlebnissen konfrontiert wurden und ob das LGBTIQ*-Thema in der Schule behandelt wurde.
Nachdem das LGBTIQ*-Konzept im Gemeinderat beschlossen wurde, wurde gemeinsam mit queeren Menschen und Organisationen ein Maßnahmenpaket erarbeitet. Um bestehende Maßnahmen evaluieren zu können, wurde nun eine Online-Befragung der LGBTIQ*-Community zu ihrer Lebenssituation in Linz durchgeführt. Teilnehmen konnten alle Linzer, die sich zur LGBTIQ*-Community zählen
In Zusammenarbeit mit zehn Vereinen führte die Abteilung Stadtforschung die anonyme Erhebung durch, wobei 327 Fragebögen ausgefüllt und anschließend ausgewertet wurden. Mitgewirkt haben:
- Aidshilfe Oberösterreich
- Bily – Verein für Jugend-, Familien- und Sexualberatung
- Courage* Linz
- Eltern-Kind-Zentrum Figulystraße Regenbogenfamilien und FAmOS
- Hosi Linz – Verein Homosexuelle Initiative Linz
- Queere Frauen Linz
- Trans* in Linz
- TSC Wechselschritt Linz
- VIMÖ – Verein Intergeschlechtlicher Menschen Österreich
- YOUnited – Young & Queer
Bezüglich der sexuellen Orientierung gaben 53 Prozent der Befragten an homosexuell zu sein, 31 Prozent bi- oder pansexuell und 5 Prozent asexuell. 25 Prozent der Befragten verstehen sich als trans, weitere 4 Prozent als inter.
Veränderung der Situation in den vergangenen fünf Jahren
Generell sehen zwei Drittel der Befragten das Umfeld in Linz für die Community als positiv. Rund 88 Prozent fühlen sich sehr oder eher wohl, 9,8 Prozent als eher unwohl und 2,1 Prozent als sehr unwohl als LGBTIQ*-Person in Linz. 65 Prozent schätzen Linz als LGBTIQ*-freundliche Stadt ein.
Bei der Frage, ob sich die Stadt in den vergangenen 5 Jahren nach Einschätzung der Befragten verbessert habe, beantworteten 7,3 Prozent mit stark verbessert und 37,7 Prozent mit leicht verbessert. Dass sich die Situation verschlechtert hat, empfinden 12,5 Prozent (leicht) bzw. 5,2 Prozent (stark).
Erfahrungen mit Diskriminierung
Erfahrungen mit Diskriminierung machten bereits mehr als die Hälfte der Befragten. Rund 55 Prozent wurden schon einmal aufgrund ihrer Identität, sexuellen Orientierung, Geschlechtsmerkmale oder ihres Erscheinungsbildes lächerlich gemacht, ein Drittel aller Befragten sogar mehrmals und mehr als die Hälfte wurde aus den genannten Gründen bereits beschimpft. 43 Prozent fühlten sich im Vergleich zu anderen schlechter behandelt.
Körperlich attackiert wurden bereits 15 Prozent aller Befragten, 5 Prozent davon mehrmals.
Innenstadt, Bahnhof und Altstadt werden am häufigsten vermieden
Die negativen Erfahrungen wurden meist auf offener Straße gemacht, am seltensten gaben die Befragten an, Diskriminierung in der eigenen Beziehung erlebt zu haben. Vorbeugend meidet fast die Hälfte der Umfrageteilnehmer daher manche Gegenden und Lokalitäten - jedoch wurde teilweise auch angegeben, dass das Meiden dieser Orte nicht allein mit dem Queer-Sein zusammenhängt, sondern diese Plätze generell zum Beispiel für Frauen oder für alle unsicher seien.
Die Abteilung Stadtforschung fasste die Antworten zu Gebieten zusammen. Besonders häufig wurde von den Befragten die Innenstadt genannt, also das Gebiet südlich der Donau bis zum Hauptbahnhof - wobei der Hauptbahnhof und die Altstadt hier explizit ausgenommen sind. Denn diese beiden Orte folgen direkt auf Platz zwei und drei der am häufigsten genannten Antworten. Auch die Gebiete südlich des Hauptbahnhofes und nördlich der Salzburger Straße (etwa Bulgariplatz, Franckviertel oder Spallerhof) wurden ähnlich oft genannt und als Linz Mitte zusammengefasst. Urfahr wird kaum, nur von einigen wenigen, als unsicher empfunden
Als problematisch wurden auch Lokale oder Geschäfte genannt - teilweise generell, teilweise konkret - ebenso Parks, dunkle Gassen oder Unterführungen, unabhängig davon, wo sich diese befinden und manches Mal auch Öffis.Auf Gegenden oder Lokale, in denen besonders viele Menschen mit Migrationshintergrund anzutreffen sind, wurde ein paar Mal in der Befragung explizit darauf hingewiesen, dass diese vermieden werden.
Unangebrachtes Verhalten im Gesundheitsbereich
Die Befragung ergab auch, dass rund ein Drittel der Befragten bereits einmal unfreiwillig von jemandem in der Arbeit, Schule oder Universität geoutet worden ist.
Im Gesundheitsbereich wurden fast einem Viertel der Befragten innerhalb der letzten zwölf Monate unangebrachte Fragen zur sexuellen Orientierung bzw. Identität gestellt. Jeder Fünfte hat zumindest gelegentlich aus Angst vor intoleranten Reaktionen eine medizinische Behandlung vermieden.
Dass die LGBTIQ*-Thematik nicht oder kaum im Schulunterricht behandelt wird, bestätigen drei Viertel der Teilnehmer. Die jüngeren Befragten empfanden die Behandlung des Themas im Schulunterricht häufiger positiv oder neutral, während den älteren überwiegend eine negative Haltung vermittelt wurde. Jedoch gaben auch in der jüngsten Gruppe 70 Prozent an, dass LGBTIQ* kein Thema im Unterricht gewesen sei.
Weitere Maßnahmen setzen
„Die Ergebnisse der Befragung zeigen, dass verbale und körperliche Angriffe gegen die LGBTIQ*-Community eine gesellschaftliche Realität sind. Jede*r einzelne kann Zivilcourage zeigen und dazu beitragen, dass homophobe und transphobe Übergriffe in unserer Stadt keinen Platz haben“, so Vizebürgermeisterin Tina Blöchl. Die Stadt Linz wolle daher auch 2024 die erarbeiteten Maßnahmen fortführen.
Ergänzungen, wie etwa das LGBTIQ*-Kompetenzzentrum in der Weißenwolffstraße oder neue Veranstaltungsformate, sollen ebenfalls zu einer stetigen Verbesserung der Lebenssituation und der Gleichbehandlung der LGBTIQ*-Community in Linz beitragen.
FPÖ fordert konkrete Integrationsmaßnahmen
FP-Gemeinderätin Patricia Haginger plädiert in Bezug auf die Ergebnispräsentation der Befragung auf ergebnisorientierte Maßnahmen aus dem Integrationsressort: „Es mag durchaus berechtigt sein, den Kreis der Linzer LGBTIQ*-Personen über ihre Bedürfnisse zu befragen. Vizebürgermeisterin Blöchl muss aber zur Kenntnis nehmen, dass diese Befragung inhaltlich an einem Großteil der Linzer Bevölkerung völlig vorbeigeht. Aus vielen Vorfällen der jüngeren Vergangenheit lässt sich ablesen, dass die Mehrheit der Linzer eher an konkreten Ergebnissen aus dem städtischen Integrationsressort interessiert ist. Obwohl viele Erkenntnisse darauf hindeuten, dass die aktuelle Integrationsstrategie der Stadt Linz nicht umfassend genug ist, lassen konkrete Maßnahmen nach dem Grundsatz 'fordern und fördern', weiter auf sich warten.“
Hosi sieht Situation als „verbesserungswürdig“
Die Situation sei besser bewertet worden als erwartet, trotzdem gebe es noch Handlungsbedarf für die Politik, so die Hosi Linz zu den präsentierten Ergebnissen. „Wenn drei Viertel der Befragten mit der ihrer Lebenssituation in der Stadt Linz zufrieden oder eher zufrieden sind, ist das zwar ein halbwegs gutes Zeugnis für die Stadt, aber dass ein ebenso hoher Anteil der Befragten auch mehr oder weniger häufig Diskriminierungserfahrung machen mussten, zeigt doch einen erheblichen Handlungsbedarf für die Kommunalpolitik,“ kommentiert Michael Müller, Vereinssprecher der Hosi Linz die Präsentation der Ergebnisse.
Die Politik habe mit dieser Umfrage nun eine Datenbasis für weitere Maßnahmen und „für uns zeigen die Ergebnisse, dass wir mit unseren Forderungen an die Politik offenbar sehr nahe an den Bedürfnissen der Community sind. Wir bedanken uns jedenfalls bei der Stadt Linz für diese Umfrage in der Community, die einen längst notwendigen Einblick in deren Bedürfnisse ermöglicht,“ so Müller.
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