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Skandal um Brucknerhaus-Intendant: Kerschbaum ab sofort freigestellt

Anna Fessler, 15.03.2024 14:50

LINZ. (Update) Nach schweren Vorwürfen wurde der künstlerische LIVA-Vorstandsdirektor und Brucknerhaus-Intendant Dietmar Kerschbaum mit sofortiger Wirkung freigestellt. Dies bedeute keine Vorverurteilung, sondern sei Basis für die lückenlose Aufklärung, wie LIVA-Aufsichtsratsvorsitzender Bürgermeister Klaus Luger am Freitag der Presse mitteilte.

Brucknerhaus-Intendant und LIVA-Vorstandsdirektor Dietmar Kerschbaum (Foto: Volker Weihbold)
  1 / 2   Brucknerhaus-Intendant und LIVA-Vorstandsdirektor Dietmar Kerschbaum (Foto: Volker Weihbold)

Der LIVA-Aufsichtsrat hat einstimmig entschieden, dass Dietmar Kerschbaum mit sofortiger Wirkung vom Dienst freigestellt wird. Ebenfalls ab sofort freigestellt wird LIVA-Geschäftsführer Rainer Stadler, weil für viele Dinge ein Vier-Augen-Prinzip gegolten habe. Formal seien weiter alle Vorschriften eingehalten - mit 1. März gibt es mit René Esterbauer einen neuen kaufmännischen Leiter der LIVA, daneben zwei Prokuristen. Die Handlungsfähigkeit sei damit gegeben. 

„Freistellung keine Vorverurteilung“

Beide Freistellungen seien keine Vorverurteilung, so Luger, sondern Basis für eine lückenlose Aufklärung. Ziel sei, dass dem Haus kein weiterer Schaden entstehe. Es sei heute noch nicht möglich gewesen, alle Vorwürfe zu entkräften. Kerschbaum habe seine Unterstützung zur lückenlosen Aufklärung zugesagt, diese müsse „im Detail und objektiv geschehen“, dazu reiche eine Aufsichtsratssitzung nicht aus. „Zum jetzigen Zeitpunkt haben wir keine Klarheit, deshalb ist die Freistellung für beide Seiten der korrekte Weg.“ Sobald es Klarheit gebe, folge eine weitere Aufsichtsratssitzung, „mit allfälligen Konsequenzen.“

LIVA-Geschäftsfelder und Opus 3 Artists-Vertrag werden geprüft

Zudem werden alle Geschäftsfelder der LIVA einer Compliance-Prüfung unterzogen, wie vom Aufsichtsrat einstimmig beschlossen wurde. Am Montag werden dazu Angebote dafür eingeholt. Schon diese Woche Dienstag hat Luger eine Sonderprüfung des Kontrollamts beauftragt. Auch das komplexe Vertragswerk rund um Opus 3 Artists soll geprüft werden, auch unter dem Aspekt, welche Konsequenzen eine Auflösung des Vertrages hätte.

„Mit den heutigen Beschlüssen glaube ich, dass gewährleistet ist, das wir für diese Institution, das Brucknerhaus, klar sagen können, wie die Zukunft weitergeht und uns über Programm und Besuche freuen und nicht mit Compliance-Vorwürfen beschäftigen“, so Luger. Ab sofort werde man sich damit beschäftigen, wie das geplante Setting für die Jubiläumsfeierlichkeiten - kommendes Wochenende 22. und 23. März - des Brucknerhauses geändert werden müssen.

Was Kerschbaum vorgeworfen wird

Thematisiert wurde in der Sitzung, dass Kerschbaums Bestellung „geschoben“ worden sein soll, er habe die Fragen der Hearing-Kommission bereits vorab erhalten und damit einen Vorteil gegenüber den anderen Kandidaten gehabt. Luger hat nach Eigenangaben bereits am 13.11.2023 eine Whistleblower-Meldung dazu erhalten, Kerschbaum damit konfrontiert und sofort ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. Laut diesem Gutachten haben die Vorwürfe keine gesellschaftsrechtlichen Auswirkungen, für jene unbekannte Person, die Kerschbaum die Unterlagen zugespielt hat, könnte es jedoch strafrechtliche Relevanz haben.

Am 15. Dezember fand eine LIVA-Aufsichtsratssitzung statt, Luger habe die Whistleblower-Meldung dort nicht thematisiert, weil er zuerst selbst Sicherheit haben wollte.

Ebenfalls Thema waren angebliche In-sich-Geschäfte: Der ausgebildete Tenor Kerschbaum soll sich und seine Frau (Sopranistin Renate Pitscheider) selbst für Auftritte engagiert haben und die beiden damit in einem Jahr 55.000 Euro eingenommen haben. „Die In-Sich-Geschäfte scheinen das geringere Problem zu sein. Es war ja nicht unbekannt, dass Kerschbaum selbst auf der Bühne stand und sang.“ Diese Geschäfte seien auch bestens dokumentiert. Andere Verdachtsmomente seien schwerwiegender.

Ausgelagerte Programmplanung

Ein weiterer Vorwurf betrifft die Auslagerung der Programmplanung für das Brucknerhaus an eine internationale Künstleragentur mit Juni 2023. Daniel-Fréderic Lebon würde als Programmchef entscheiden, wer im Brucknerhaus auftritt und gleichzeitig für eine der größten Agenturen der Klassikwelt (Opus 3 Artists) arbeiten. In dieser Funktion hat Lebon auch Einblick in die Angebote der Konkurrenz. Lebon meinte den OÖN gegenüber, dass er keine Gagen verhandle und auch nicht alleine entscheide. Ein Planungsteam lege Kerschbaum einmal im Monat die Pläne vor, der die Entscheidungen alleine treffe.

Luger sagte im Zuge der heutigen Pressekonferenz, dass das Vertragskonstrukt mit Opus 3 Artists juristisch hochkomplex sei, dabei seien auch die Konsequenzen für die Programmierung der nächsten beiden Jahre zu prüfen. Die Auswahl der beratenden Anwälte werde nächste Woche getroffen, es müsse rasch eine Prüfung erfolgen. „Persönlich glaube ich nach Kenntnis des Vertrages, dass es eine für ein Konzerthaus unübliche Konstruktion ist“, so Luger.

Kritischer Kontrollamtsbericht im Juli 2023

Als Vorstandsdirektor der LIVA sah sich Kerschbaum im Juli 2023 mit einem kritischen Kontrollamtsbericht konfrontiert. Vor allem das Brucknerhaus sei für die kontinuierlich sinkenden Betriebsergebnisse der LIVA verantwortlich, mit Kritik am Management wurde im Bericht nicht gespart. Der „Falter“ schreibt in seiner Print-Ausgabe vom 13. März: „Der Aufsichtsrat hat bisher seine Hand schützend über Kerschbaum gehalten. Dieser Eindruck entsteht auch, wenn man den Bericht des Linzer Kontrollamts aus dem Frühjahr 2023 über die Liva liest.“

Dazu ist festzuhalten, dass nach dem Kontrollamtsbericht Konsequenzen folgten: so wurde ein kaufmännischer Geschäftsführer der LIVA in Vollzeitanstellung installiert, der seit 1. März im Dienst ist. Zuvor war diese Aufgabe eine Teilzeitstellte im Ausmaß von 15 Wochenstunden.


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