Weitere Angebote

Sociale Medien

Kontakt

Tips-Sommergespräch: Auf einen Kaffee mit Stadträtin Eva Schobesberger

Anna Fessler, 06.08.2024 10:40

LINZ. Tips hat die Klima, Umwelt- und Frauenstadträtin Eva Schobesberger von den Grünen Linz zum Sommergespräch im Kaffee Glockenspiel getroffen, um über Bürgerbeteiligung, das Linzer Müllproblem und Pläne für den Herbst zu sprechen.

Die Grüne Stadträtin Eva Schobesberger beim Tips-Sommergespräch. (Foto: Tips/af)
Die Grüne Stadträtin Eva Schobesberger beim Tips-Sommergespräch. (Foto: Tips/af)

Tips: Warum sind Sie Politikerin geworden?

Eva Schobesberger: Ich bin in einem politischen Haushalt großgeworden, meine Mutter war Vizebürgermeisterin in Asten. Als ich als Schülerin und Studentin realisiert habe, dass wir weit weg von einer geschlechtergerechten Gesellschaft sind, wollte ich mich engagieren. Was sicher eine Rolle gespielt hat, war, dass ich Jus-Vorlesungen bei Ursula Floßmann besucht habe. Sie war eine der ersten Professorinnen an der JKU und hat den Studienschwerpunkt Frauenrecht(sgeschichte) etabliert. Sie ist eine Feministin, die die Ungerechtigkeit zwischen den Geschlechtern über die Rechtshistorie aufgearbeitet hat. Ich dachte mir, 'ich muss mich selbst engagieren, kann nicht darauf warten, dass sich die Dinge von selber verbessern'. Es war auch dieses feministische Engagement, das mich in die Politik gebracht hat. Das war mein Zugang zu den Grünen, das waren für mich die Einzigen, die überzeugend feministisch gearbeitet haben.

Tips: Was ist aus Ihrer Sicht das größte Problem in Linz?

Eva Schobesberger: Der größte Handlungsbedarf ist der klimagerechte Umbau der Stadt. Wir müssen unsere Stadt so umbauen, dass wir trotz der Veränderungen, die wir nicht mehr abwenden können, Lebensqualität haben und zwar für alle in Linz. Dass es keine Frage des Geldes ist, ob der Sommer schön ist oder unerträglich.

Tips: Bei der Forschung dazu und wissenschaftlich fundierten Konzepten ist die Stadt Linz schon sehr gut, aber was könnte man zum Beispiel am Hauptplatz schnell und günstig umsetzen?

Eva Schobesberger: Was man tatsächlich schnell machen kann, ist, dass man den Hauptplatz autofrei macht und den Menschen zurückgibt. Ansonsten sind kostengünstige und schnelle Veränderungen wahrscheinlich schwierig. Aber derzeit ist ja das Projekt in Arbeit, einen Planungsauftrag zur Umgestaltung zu vergeben. Das halte ich für sehr wichtig und gescheit. Ein wichtiger Teil, auf den ich achten werde: dass man eine vernünftige Form der Begrünung zustande bringt.

Tips: Werden Sie darauf drängen, dass 2025 schon Umsetzungsschritte kommen? Es wird ja auch kritisiert, dass es in Linz zwar viele Masterpläne und Konzepte gibt, aber die spürbaren Veränderungen zu langsam umgesetzt werden?

Eva Schobesberger: Dort wo ich zuständig bin, stimmt das ja nicht. Seit ich das Grünraumressort übernommen habe, habe ich angefangen, die Stadt tatsächlich umzubauen. Wir haben in der Kroatengasse den Asphalt aufgebrochen und 26 Bäume eingesetzt, wir haben das im Rathausviertel mit 56 Bäumen gemacht... Es passiert sehr, sehr viel. Warum kann Johannes Horak (der Linzer Stadtklimatologe, Anm.) etwas machen – weil er nicht vom Himmel gefallen ist. Das war eine intensive Überzeugungsarbeit, die dem vorangegangen ist. Wir haben die Stadtklimaanalyse hervorgebracht, dann ist die Klimakoordinationsstelle entstanden, wir haben den Klimafonds eingerichtet, den Klimabeirat, haben mittlerweile die Abteilung Stadtklimatologie ausgebaut. Bei jedem größeren Projekt gibt es eine stadtklimatologische Stellungnahme, es ist uns gelungen, dass die erhaltenswerten Bäume in den Bebauungsplänen verankert werden.

Tips: Daran anknüpfend – warum wird die Klimasimulation für das Univiertel nicht von der Stadtklimatologie erstellt?

Eva Schobesberger: Weil die Stadtklimatologie für grundsätzliche Beurteilungen im Stadtgebiet zuständig ist. Wenn man Details nochmal messen will, muss man das extern vergeben. Die Stadtklimatologie hat nicht die Kapazitäten, und es ist auch notwendig, dass sich die Abteilung dann nicht dem Vorwurf aussetzt, im Auftrag von Projektanten unterwegs zu sein. Die Stadtklimatologie muss die neutrale Position haben und überwachen, ob die Methodik und die Untersuchungen passen.

Tips: Zum Positiven – Was ist toll an Linz?

Eva Schobesberger: Linz ist insgesamt eine tolle Stadt, ich bin mit Leidenschaft und totaler Überzeugung Linzerin. Es sind die Linzer und Linzerinnen klasse Menschen, man kann sich in der Stadt gut bewegen. Meine Orte sind natürlich die, wo es grün ist. Wir haben eine Stadt, die sehr viel bietet und sehr viel kann. Wir haben eine breite, freie Kunst- und Kulturszene, eine breite feministische Szene, eine lebendige Stadt, die auf allen Ebenen ein breites zivilgesellschaftliches Engagement hat.

Tips: Apropos Zivilgesellschaft: in Linz gibt es häufig Bürgerinitiativen gegen Bauprojekte. Die Grünen wollen Bürger an der Stadtplanung beteiligen – wie soll das konkret aussehen?

Eva Schobesberger: Es gibt nicht das eine Modell, das für alles gut ist. Mir war es sehr wichtig, dass wir beim Klimawandel-Anpassungskonzept eines finden. Wenn man zu einer Veranstaltung einlädt, stellt man schnell fest, dass immer dieselben Personen kommen. Jene, die viel Zeit haben und die gern öffentlich und laut ihre Meinung sagen. Wir haben Linzerinnen und Linzer in einem statistischen Querschnitt angeschrieben und gezielt eingeladen, was gut funktioniert hat. Man muss sich aber im Vorfeld Gedanken darüber machen, wie man es gestaltet, damit es nicht zu Frustmomenten kommt. Man muss ehrlich sagen, ob das ein Prozess ist, wo gemeinsam etwas entwickelt wird, was die Rahmenbedingungen sind und was danach passiert. Also ob eins zu eins umgesetzt wird oder die Ideen der Bürgerinnen und Bürger in einen weiteren Prozess einfließen.

Tips: Was in Linz immer wieder kritisiert wird – etwa bei „Schau auf Linz“ oder seitens LinzPlus – ist herumliegender Müll. Wie könnte man dem Problem begegnen?

Eva Schobesberger: Ich bin sehr viel unterwegs, gerade in den innerstädtischen Parkanlagen, weil mir das selbst wichtig ist. Und besser geht immer. Das Kernproblem ist ja nicht, dass unsere Mitarbeiter schlecht aufräumen, sondern dass die Leute den Müll einfach hinschmeißen. Wir haben auf Grund dessen eine bewusstseinsbildende Kampagne gestartet, bei der wir einladen, selber Müll zu sammeln. Wenn die Leute den Müll in die dafür vorgesehenen Mistkübel entsorgen würden, dann hätten wir kein Problem.

Tips: Sind die Mistkübel zu klein?

Eva Schobesberger: Nein, aus meiner Sicht nicht. Ich schaue mir das regelmäßig an und werfe bei Gelegenheit den herumliegenden Müll selbst weg – und das machen zunehmend auch andere, was mich freut. Weil ich es als Zeichen dafür sehe, dass den Menschen die Stadt wichtig ist. Wir müssen natürlich als Stadt unseren Beitrag leisten, aber das tun wir. Wenn verstärkt Beschwerden kommen, gehen wir dem nach und schauen, ob es ein Organisationsproblem gibt oder ob der Ordnungsdienst gefordert ist. Seit einigen Jahren darf der Ordnungsdienst strafen, wenn die Leute den Müll einfach auf den Boden schmeißen, da ist er auch gefordert diese Aufgabe wahrzunehmen. Aber ich habe den Eindruck, dass das passieren wird, nachdem sie in Wien bei den Waste Watchers waren und geschaut haben, wie die das machen.

Tips: Was steht kommenden Herbst an bei den Grünen?

Eva Schobesberger: Wir führen die Baumoffensive fort, als Nächstes stehen die Beschlüsse im Stadtsenat für die Vergaben an. Parallel dazu erfolgen die Vorarbeiten für den nächsten Schritt im Bereich Makartviertel / Herz Jesu Kirche – hier besteht der vordringlichste Handlungsbedarf. Neben der Anpassung müssen wir natürlich alles unternehmen, um den Klimaschutz voranzutreiben und um uns aus der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu befreien. Jetzt im August freue ich mich auf die Sommerkurse im Wissensturm, heuer liegt der Schwerpunkt auf den Volksschülern, weil wir letztes Jahr sehr viele Anmeldungen hatten. Heuer sind es insgesamt 400 Anmeldungen. Ich bin immer wieder begeistert: Wir haben das ganze Jahr über die Lernsamstage, bei denen ich mir erst dachte 'Kein Kind geht freiwillig am Samstag lernen – eine vollkommen falsche Annahme. Die Lernsamstage sind ein Erfolgsmodell und auch die Sommerkurse sind gut besucht.

Tips: Und im Frauenressort?

Eva Schobesberger: Das ist mir natürlich sehr wichtig, wir bereiten gerade die '16 Tage gegen Gewalt'-Kampagne vor und wir überarbeiten unseren Frauenbericht. Das ist ein großes Projekt, das machen wir nur alle paar Jahre. Ich gehe davon aus, dass sich die Nachwirkungen von Corona bemerkbar machen, auch in der Datenlage, Stichwort 'Erschöpfung'. Während der Pandemie – ob es der Auslöser war oder das sichtbarer gemacht hat – waren plötzlich die Mütter wie selbstverständlich für Homeschooling zuständig, auch wenn sie selber im Homeoffice waren. Es gab diesen Backlash, dass die Care- und Reproduktionsarbeit wieder ausschließlich bei den Frauen lag. Global ist die 'Tradwives'-Bewegung* entstanden. Wenn das nicht zur Folge hätte, dass diese Frauen sich in eine hundertprozentige Abhängigkeit begeben, und zwar ein Leben lang, dann wäre es ja egal. Jeder soll leben wie er will. Bei der Recherche ist mir eine 'Tradwife' aufgefallen, die traditionell Schokolade herstellt, also die Kakaobohnen mit der Steinreibe zermahlt usw. Schnell wird ersichtlich, dass sie mittlerweile sicher sehr gut davon leben kann – durch TikTok und den Verkauf der Schokolade. Aber es wird damit ein Frauenbild transportiert, das eine Katastrophe ist. Frauen sollen ihr Leben tatsächlich frei leben können, frei von Gewalt, aber auch frei von einer finanziellen Abhängigkeit. Das ist der zweite Schwerpunkt, den wir immer haben: der Kampf gegen Gewalt.

*Anmerkung: „Tradwife“ bzw. Plural „Tradwives“ steht für „Traditional Wife“, also traditionelle Ehefrau. Dieser Trend in den sozialen Medien beschreibt Frauen, die bewusst traditionelle Geschlechterrollen leben und die Hausarbeit (und Kindererziehung) übernehmen, während der Mann alleine für das Einkommen zuständig ist. Erfolgreiche Tradwife-Influencerinnen verdienen häufig eigenes Geld über Werbepartnerschaften oder den Verkauf von „traditionell“ hergestellten Produkten, was eigentlich im Gegensatz zum traditionellen Rollenbild steht, bei dem der nur der Mann ein Einkommen hat – und die Frau somit finanziell abhängig ist.


Kommentare sind nur für eingeloggte User verfügbar.

Jetzt anmelden