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Ermi-Oma macht in „24 Stunden Pflege(n)“ wieder auf Missstände im Pflegebereich aufmerksam

Thomas Lettner, 29.10.2018 09:55

OBER-GRAFENDORF. Kabarettist Markus Hirtler kommt in Gestalt der „Ermi Oma“ in die Pielachtalhalle, um einmal mehr auf Missstände in der Pflege hinzuweisen. In „Ansichtssache“ (Freitag, 9. November, 19.30 Uhr) wehrt sich die Ermi-Oma dagegen, dass alte Menschen als „Cash Cow der Nation“ ausgenutzt werden. Bei der Österreich-Premiere von „24 Stunden Pflege(n) am 9. Jänner, 19.30 Uhr, knöpft sich die selbstbewusste alte Dame das Thema 24 Stunden-Pflege vor.

  1 / 2   Das neue Programm "24 Stunden Pflege(n)" feiert am 9. Jänner in der Pielachtalhalle Österreich-Premiere. Foto: Christopher Mavri?

Tips: In welchen Berufen im Gesundheitsbereich haben Sie schon gearbeitet?

Hirtler: Ich bin grundsätzlich diplomierter Krankenpfleger, war später Pflegedienstleiter und dann Heimleiter. Dann habe ich die Sozialmanager-Ausbildung gemacht, und dann ist die Oma passiert.

Tips: Inwiefern „passiert“?

Hirtler: Ich bin mehr oder weniger genötigt worden. Eine ehemalige Chefin von mir hatte die Idee, dass sich das ganze Team im Fasching als Märchenfigur verkleiden soll. Ich habe mir gedacht, dass ich das nicht unbedingt haben muss und habe mich nicht auf der Liste eingeschrieben. Eines Tages ist meine Chefin gekommen und hat gesagt, dass sie noch die Oma vom Rotkäppchen braucht. Ich habe mir gedacht, Spaßbremse bin ich auch keine und habe mich so angezogen, wie ich heute auf der Bühne stehe. Es war, als ob der Blitz eingeschlagen hätte. Ich habe gewusst, dass ist genau die Figur, mit der ich das, was mich schon seit zwanzig Jahren beschäftigt, auf die Bühne bringen kann. Als junger Krankenpfleger war das Schreiben für mich immer meine Art der Seelenhygiene. Ich habe in der Pflege viele Dinge erlebt, die ich nicht verstanden habe. Solange du jung, erfolgreich, dynamisch und sexuell aktiv bist wirst du gehört, und wenn du draußen bist, wirst du nicht mehr gehört. Ich habe ganz viele Menschen erlebt mit sozialer und emotionaler Kompetenz, die ganz wertvolle Persönlichkeiten sind, und die auf einmal nicht mehr en vogue waren. Ich habe mir gedacht, wie es sein kann, dass wir Menschen nicht in die Mitte der Gesellschaft holen, die so große Schätze sind, die widerstandsfähig sind und gelernt haben, mit Problemen umzugehen. Alt ist für mich nicht automatisch vergesslich, dement, arm und einsam. Alt kann auch heißen reich, emotional und sozial kompetent, Lebensstärke und Widerstandsfähigkeit. Ich wünsche mir einfach, dass wir wegkommen von dem Bild „Wenn man alt wird, wird man tattrig und pflegebedürftig“. Alt kann auch sein, dass man in Fülle lebt und gewisse Dinge hinter sich gelassen hat. Ich habe oft erlebt, dass alte Menschen viel humorfähiger sind als die jungen. Die Jungen sind beschäftigt mit Familie, Kindern, dem Hausbauen und finanziellem Stress. Ich habe dann zu meinen Kollegen gesagt „Ich mache Kabarett“, obwohl ich vorher noch nie in einem Kabarett war. Mittlerweile gibt es das sechste Oma-Programm und eines als Markus Hirtler.

Tips: Um welche Missstände geht es in „Ansichtssache“ und „24 Stunden-Pflege(n)“?

Hirtler: Wenn ich mich zurückziehe zum Schreiben, greife ich Themen auf, die mir sehr unter den Nägel brennen. Das Thema 24 Stunden-Pflege ist ein Riesenthema. „Ansichtssache“ ist das allererste Ermi Oma-Programm. Es geht um Würde und was Würde überhaupt bedeutet. Es geht auch um den alten Menschen als Cash Cow der Nation. Man muss sich anschauen, welche Riesensummen sich die Pharma-Industrie anhäuft. Ich finde es unanständig, wenn man sich auf Kosten anderer bereichert. Es geht auch darum, was es heißt, selbstbestimmt zu leben und um das ewige Spiel zwischen Schwiegertochter und Ermi-Oma mit ihren unterschiedlichen Sichtweisen aufs Leben. Im anderen Programm „24 Stunden Pflege(n)“ geht es um die, die 500 Kilometer weit fahren und ihre Familien im Stich lassen, um auf unsere Eltern zu schauen. Es geht auch um die, die gepflegt werden und sich unter Umständen nicht wehren können. Ich zeichne das Bild, wie ich es erlebt habe. Ich habe erlebt, dass die Familie aus Rumänien nachkommt und man gemeinsam Weihnachten feiert, aber auch, dass die rumänische Pflegerin nach ein paar Tagen heimfährt und das Gold und Silber und die Vorhänge weg sind. Es kann super sein, aber auch großer Mist. Die Frage ist, eine Struktur zu finden, wie man das verbessern kann.

Tips: Wie sehen Sie die Pflege der Zukunft? Wird es sich bezogen auf die Würde der zu pflegenden Person verschlimmern? Wird man irgendwann gar von einem Roboter gepflegt?

Hirtler: In Japan gibt es die Pflegeroboter schon. Vielleicht haben die aber auch einen ganz anderen Zugang zur Robotik. Die Pflege ist zur Dokumentierfabrik verkommen. Das Wichtige für den Patienten oder Bewohner ist aber die Nettobetreuungszeit. Man wird viel mehr auf soziale Kompetenz setzen müssen. Herzensbildung im Umgang mit anderen Menschen wird das Wichtigste bleiben.

Tips: Das wird aber nicht so bleiben, wenn man sich die demographische Entwicklung ansieht.

Hirtler: Da werde ich gleich wieder zornig. Jeder Politiker weiß über die demographische Entwicklung Bescheid. Jetzt vom Pflegenotstand zu reden halte ich für abstrus, weil man das schon seit ewig weiß. Die Leute, die in der Verantwortung stehen, haben seit den 60ern weggeschaut. Wenn man das ASVG (Allgemeines Sozialversicherungsgesetz) nachgeschraubt hätte, wäre es nie ein Thema gewesen, eine gute Pflege zu gewährleisten. Das Thema ist aber nicht sexy und man gewinnt keine Wahlen damit. Die Ermi-Oma hat einen ganz anderen Zugang dazu. Sie sagt: „Wir alten Menschen sind der größte Dienstgeber im Land.“ Als Dienstgeber kann man sich überlegen, wer für wen arbeitet, der alte Mensch hat aber keine Lobby. Der alte Mensch schafft 300.000 Arbeitsplätze, wir aber rechnen ihm immer vor, wie viel er kostet. Die Rechnung stimmt überhaupt nicht. Es gibt gute Berufe in der Altenpflege, die unterdotiert sind. Man ist mit Sterben konfrontiert, und der Job ist körperlich anstrengend. Der Wert der Pflege ist aber sehr gering. In Österreich gibt es sehr viele private Heimbetreiber, die ganz viel Kohle machen mit der Einsamkeit der Menschen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das auf Dauer gesund ist.


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