Dark Tourism in Europa: Wenn Drama und Verbrechen zur Urlaubsattraktion werden
ÖSTERREICH. Strandurlaub war gestern – immer mehr Reisende zieht es an Orte, die einst Schauplatz von Katastrophen, Verbrechen oder historischem Leid waren. Der sogenannte Dark Tourism – der Besuch düsterer und oft verstörender Orte – erlebt derzeit einen Boom. Nicht nur in den USA, auch in Europa wächst das Interesse rasant.
Was früher eher diskret geschah, wird heute gezielt vermarktet: In Berlin etwa erfreut sich die Tour „Tatort Deutschland“ großer Beliebtheit. Sie führt Besucher zu bekannten Kriminalschauplätzen wie dem Fall des Kudamm-Rippers oder beleuchtet die Geschichte der RAF.
Dark Tourism in Österreich
Auch in Österreich gibt es zahlreiche Anlaufstellen für Dark Touristen. Die Gedenkstätte im ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen verzeichnet seit 2023 einen deutlichen Anstieg der Besucherzahlen – vor allem junge Menschen aus dem Ausland besuchen die Stätte im Rahmen von Bildungsreisen zur Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit. In Wien erweitert das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands sein digitales Angebot – unter anderem mit Virtual-Reality-Zeitreisen in das Wien der Kriegsjahre. Ein weniger bekannter, aber wachsender Hotspot sind die verfallenen Berghöfe in der Steiermark, Schauplatz einer mysteriösen Mordserie in den 1950er-Jahren – oft als „österreichisches Hinterkaifeck“ bezeichnet. Ein lokaler Historiker plant dort geführte Rundgänge, allerdings mit limitierter Teilnehmerzahl, um die Privatsphäre der heutigen Anwohner zu respektieren.
Düstere Rundgänge in Wien und Salzburg
In Wien wird neuerdings ein Stadtrundgang angeboten, der Besucher zu Schauplätzen berühmter Doppelleben führt – etwa zum ehemaligen Wohnhaus von Friedrich F., der in den 1990er-Jahren als liebevoller Vater galt, sich jedoch später als Serienmörder entpuppte. In Salzburg ist eine Tour entlang historischer Lawinenkatastrophen in Planung. Im Fokus: Umweltwandel, technische Versäumnisse und bewegende Überlebensgeschichten. Ziel ist es, nicht nur zu schockieren, sondern auch aufzuklären – mit emotionaler Tiefe und gesellschaftlichem Mehrwert. In Hallstatt etwa – ein beliebtes Instagram-Motiv – wird aktuell diskutiert, ob Besucher der historischen Beinhaus-Kapelle künftig ein kurzes Ethik-Briefing erhalten sollen. In Graz wiederum verfolgt man mit dem Konzept der „Silent Tours“ einen besonders sensiblen Ansatz: Teilnehmer besuchen ehemalige Pflegeeinrichtungen mit NS-Vergangenheit, erhalten Informationen über Kopfhörer – und bewegen sich schweigend durch die Räume.
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