Weitere Angebote

Sociale Medien

Kontakt

Körperwelten in Linz: „Wir können nur wertschätzen und schützen, was wir auch kennen“

Tips Logo Karin Seyringer, 12.02.2024 18:33

LINZ. 55 Millionen Menschen weltweit haben schon eine Körperwelten-Ausstellung besucht, nach 2015 gibt es nun auch wieder die Möglichkeit in Linz. Bis 9. Juni gewähren Gunther von Hagens „Körperwelten & Der Zyklus des Lebens“ in der Tabakfabrik-Lösehalle Einblicke, die unter die Haut gehen. Tips hat die Ausstellung besucht.

  1 / 3   Der Fußballer, die Balletttänzerin, der Spitzentänzer: Faszinierende Ganzkörper-Plastinate, aber etwa auch die Entwicklung von der Befruchtung bis kurz vor der Geburt sind in der interaktiven Körperwelten-Ausstellung zu bestaunen. (Foto: Tips/ks)

Der menschliche Körper im Kreislauf von Entstehen und Vergehen steht im Mittelpunkt der Schau „Der Zyklus des Lebens“. Die Medizinerin Angelina Whalley, beruflich und privat mit Gunther von Hagens verbunden, kuratiert seit vielen Jahren die Körperwelten.

„Leben ist nicht nur Geschenk, sondern Lebensaufgabe“

„Die Besucher erwartet eine völlig andere Ausstellung als 2015. Es geht darum, wie wir reifen, altern, schon ab dem Moment, an dem wir auf die Welt kommen. Wie das Altern voranschreitet, hängt aber von uns selber ab: wie wir uns ernähren, ob wir körperlich aktiv sind, ein gesundes soziales Leben haben“, so Whalley. „Ich möchte transportieren, dass wir eine Verantwortung für unser Leben haben. Es ist nicht nur Geschenk, sondern unsere Lebensaufgabe. Jeder muss selber entscheiden, wie er lebt, aber ich möchte sensibilisieren und animieren, sein eigenes Leben zu betrachten und zu fragen, ob vielleicht eine Kurskorrektur nötig ist. Denn wir können nur wertschätzen und schützen, was wir auch kennen.“

So sieht das auch Franz Josef Wetz, Professor für Philosophie und seit vielen Jahren im Ausstellungsteam: „Wir achten auf unser neues Auto, das iPhone, aber mit unserem Körper gehen wir teils sehr roh um, obwohl das unser Kapital ist. Dazu kann die Ausstellung einen wesentlichen Beitrag leisten.“

Auch Tabakfabrik-Geschäftsführerin Denise Halak ist begeistert: „In der geschichtsträchtigen Lösehalle wurde früher gesundheitsschädlicher Tabak produziert, umso schöner ist es jetzt, dass die Körperwelten hier einen tiefen Einblick geben und Bewusstsein für die eigene Gesundheit schaffen.“

Würdevolle Aufmachung

Wetz beschäftigt sich als Philosoph stark mit Menschenwürde und Bioethik. „Mich interessiert die Frage: Was sind die Ziele der Ausstellung und was macht sie zulässig und auch umstritten? Das Thema Anatomie war immer schon ein Grenzbereich zwischen Leben und Tod. Das Besondere hier ist: Am toten Körper wird das eigentliche Leben gezeigt.“ Er verweist kritischen Stimmen gegenüber auch auf die sensible und seriöse Herangehensweise der Ausstellungsmacher: „Die Aufmachung, Arrangement, Spiel mit Licht und schwarzen Wänden verleiht dem Thema Seriosität.“

Auch Whalley kann Kritik verstehen, „aber ich kann nur jeden ermuntern, sich selbst ein Bild zu machen. Die meisten Kritiker haben eine Körperwelten-Ausstellung noch gar nicht gesehen.“

Körperspender

Die in der Ausstellung gezeigten Präparate und Plastinate stammen von Menschen, die ihren Körper nach dem Tod der Wissenschaft zur Verfügung stellten, über das eigene Körperspende-Programm des Instituts für Plastination in Heidelberg. Mehr als 21.000 Spender sind registriert. Die Herstellung eines der faszinierenden Ganzkörper-Plastinate - ein sehr arbeitsintensiver Prozess - benötigt rund 1.500 Arbeitsstunden, ein Jahr oder länger dauert der Prozess. 

Mehr zum Thema: „Wir sind keine Grusel- oder Geisterbahn“: Ein Blick hinter die Kulissen von Gunther von Hagens' Körperwelten

„Am liebsten ein Skelett im Biologiekammerl“

Helga Lang aus Micheldorf im Bezirk Kirchdorf hat schon vor 25 Jahren beschlossen, ihren Körper zu spenden, auch wenn sie hoffe, ihren Weg nach Heidelberg erst in 25 Jahren antreten zu müssen, lacht sie. Es sei für sie ein Aha-Erlebnis gewesen, als sie das erste Mal von den Körperwelten und der Möglichkeit der Körperspende erfahren habe: „Ich habe gleich gewusst: Das ist genau das Richtige für mich. Ich möchte niemanden verpflichten, mein Grab zu pflegen. Mein Mann ist vor zehn Jahren verstorben, wenn ich mit ihm Kontakt haben will, habe ich den überall, nur nicht am Friedhof.“

Wie hat das Umfeld, die Familie reagiert? „Am Anfang war natürlich etwas Irritation da, aber in der Zwischenzeit ist das längst akzeptiert und mein Sohn sagt jetzt sogar, es sei beruhigend, zu wissen, was ich will nach meinem Tod.“

Dass ihre Körperspende später einmal in einer Ausstellung zu sehen sein könnte, war nicht das Anliegen von Helga Lang. „Man konnte bei der Registrierung einen Wunsch anmerken, ich habe angegeben, dass es mir am liebsten wäre, ein Skelett in einem Biologiekammerl zu sein“, lacht sie. „Aber mir ist das eigentlich ganz egal, verwendet werde ja nicht ich, sondern meine Hülle.“

Multimedial und interaktiv

Bei der Ausstellung können nicht nur Ganzkörper-Präparate oder Plastinate einzelner Organe genau betrachtet werden, multimedial wird zum Beispiel auch die Zellteilung beleuchtet, es kann selbst Reanimation versucht werden, die Schau widmet sich auch dem Phänomen der „Uralten“, den Über-100-Jährigen. Noch vieles mehr verspricht einen spannenden Besuch.

Empfohlen ist die Ausstellung ab 12 Jahren, es gibt aber grundsätzlich keine Altersbeschränkung.

„Körperwelten & Der Zyklus des Lebens“
zu sehen bis 9. Juni, Tabakfabrik Linz, Lösehalle;
alle Infos und Karten unter: www.koerperwelten.at, Ö-Ticket, Tageskasse

Kommentare sind nur für eingeloggte User verfügbar.

Jetzt anmelden